Thailand: Weiß sein um jeden Preis

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Ein heller Teint gilt in Thailand als schön und erstrebenswert. Foto: Yvan Cohen/LightRocket via Getty Images

Viele Thailänderinnen träumen von einer hellen Haut. Das droht zu einer Gefahr für Gesundheit und Gesellschaft zu werden.

Auf den ersten Blick scheint die Frau perfekt: Die Haare glänzend schwarz, die Augen groß und dunkel, die Haut perlmuttweiß. Doch etwas stimmt nicht. Ihr Teint wirkt plötzlich gräulich, dann wird er immer dunkler, bis die Frau komplett schwarz ist. Eine Stimme warnt auf thailändisch: „Alles was ich in meine helle Haut investiert habe, wird verschwinden“ – und zwar dann, wenn sie aufhört, eine bestimmte Pille zu nehmen.

Es handelt sich um einen thailändischen Werbespot mit dem Model Cris Horwang, der Anfang des Jahres ausgestrahlt wurde. Die Botschaft ist klar: Nur wer weiß ist, das heißt eine helle Haut hat, kann erfolgreich sein. Nach viel Kritik hat der Beautykonzern Seoul Secret, die Werbung von seiner Webseite entfernt.

Wie in vielen asiatischen Ländern gilt ein heller Teint in Thailand als schön und wünschenswert. Doch das Streben nach der perfekten Haut hat dort längst einen kritischen Punkt erreicht. Es ist fast unmöglich, in den Geschäften ein Produkt ohne Weißmacher zu finden: Pillen, Cremes, Bodylotions, Gesichtsmasken, Deos, sie alle versprechen nicht nur das Hautbild zu verändern, sondern auch das Ansehen. Und die Nachfrage wächst. Einem Marktforschungsinstitut zufolge wird der weltweite Markt für Hautaufheller in 2020 etwa 23 Milliarden Dollar wert sein.

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Model Cris Horwang. Foto: Victor Fraile/Getty Images

„Thailänder wollen eine weiße Haut, weil sie als Zeichen einer guten finanziellen Situation und als schön gilt“, sagt Lani, eine in Hawaii geborene Halb-Thailänderin, im Gespräch mit Yahoo. Wer weiß ist, kann nicht den ganzen Tag draußen auf dem Feld gearbeitet haben, so lautet die einfache Erklärung. „Stattdessen spricht es für einen komfortablen Bürojob in einem klimatisierten Gebäude“, erklärt Lani, die auf dem Blog lanivcox.com über ihr Leben und ihre Erfahrungen in Asien schreibt. An dem verzerrten Bild ist die Werbung nicht unschuldig, wie auch der anfangs erwähnte Spot verdeutlicht. „Du wirst nie einen dunkelhäutigen Thailänder in einer Werbung oder in einem Film sehen“, sagt Lani. Und ergänzt: „Höchstens er spielt den bösen Jungen oder einen Witzbold“.

„Gut auszusehen hat absolute Priorität“

Die Phrase „pay tham phiw” – sinngemäß etwa “weggehen, um weiß zu werden” – ist in Thailand längst zum geflügelten Wort geworden. Es ist vor allem dann zu hören, wenn ein Mädchen vom Land ihre Heimat verlässt, um in Bangkok einen Bürojob zu suchen. Dazu kommt: „Der große Korea-Trend trägt ebenfalls dazu bei, dass die meisten Mädchen eine klare, weiße Haut wollen“, sagt Bloggerin Mamo im Interview mit Yahoo. „Gut auszusehen hat für sie absolute Priorität.“ Ob die Werbung wenigstens hält, was sie verspricht? Eher nicht, glaubt man der Expertin einer thailändischen Behörde, die für Pharmaka zuständig ist. Solche Produkte hätten höchstens einen temporären Effekt, sagte sie einem thailändischen TV-Sender.

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Die alten Traditionen werden von westlichen Idealen verdrängt. Foto: David Longstreath/LightRocket via Getty Images

Wem Cremes allein nicht mehr reichen, der sucht sein Glück in einer von Bangkoks Schönheitskliniken. Die Nitipon Clinic etwa verspricht mit einer Laserbehandlung schnellen Erfolg. Die Technik sei „speziell für asiatische Haut entwickelt“ worden, heißt es auf der Webseite. Eine zehnminütige Behandlung kostet umgerechnet knapp 70 Euro. Dass die Behandlung die Produktion von Melanin unterdrückt und sie damit an UV-Schutz verliert, scheint die Patienten nicht zu stören. Einer der Klinikärzte sagte in einem ARD-Bericht: „Ab und zu habe ich schon Patienten, die eigentlich nicht mehr weißer werden können. Von weiteren Behandlungen rate ich dann ab, da die Haut kaum noch eine Schutzfunktion hat. Ich sage dann immer: Sie sterben nicht wegen zu weißer Haut, aber vielleicht an Hautkrebs!“

Am Strand tragen sie Socken und Handschuhe

Westliche Vorbilder befeuern den ungesunden Trend zusätzlich. „Die thailändische Gesellschaft möchte Teil der internationalen Gesellschaft sein, daher werden auch die Schönheitsideale des Westens auf Thailand übertragen“, sagte Yukti Mukdawijitra, ein Professor für Soziologie und Antrophologie an der Thammasat University in Bangkok, gegenüber CNN. „Wer westlich aussieht, wer weiß ist, wer einen Körper wie im westlichen Teil der Welt hat, der wird bevorzugt.“

An Thailands weißen Sandstränden zeigt sich die ganze Absurdität dieses Schönheitswahns. Westliche Touristinnen räkeln sich in knappen Bikinis auf Liegestühlen und versuchen, so viel Urlaubsbräune wie möglich abzubekommen. Die Einwohner selbst dagegen tun alles dafür, um die Sonne zu meiden. Sie tragen auch am Strand lange Oberteile und Jeans. Trotz Flip Flops haben sie nicht selten Socken an, manche tragen bei 30 Grad und mehr sogar Handschuhe. Und das alles nur, um nicht noch dunkler zu werden.

(Clu)