Weniger Agrarflächen, wachsende Bevölkerung: So entsteht die Nahrung der Zukunft
Es wird immer schwieriger, die stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung zu versorgen. Die raren Agrarflächen reichen nicht mehr aus, um der Nachfrage an Getreide, Reis und Gemüse gerecht zu werden. Wie sehen die Lösungen für dieses Problem aus?
Noch ist die traditionelle Landwirtschaft gang und gäbe, was nicht nur aus umwelttechnischer Sicht schwierig ist. Doch selbst abgesehen von der Abholzung wichtiger Waldflächen, um Platz für Plantagen zu machen und die Emissionen weiter Transportwege, ist auf lange Sicht ein Umdenken unumgänglich, um die ganze Welt satt zu bekommen.
Bis zum Jahr 2050 werden Hochrechnungen zufolge mehr als 9 Milliarden Menschen auf der Welt leben. Selbst bei weiterer Rodung der “grünen Lungen” der Erde reichen die vorhandenen Ackerflächen dafür nicht aus.
Forschung vs. Klimawandel: Alternative Treibstoffe der Zukunft
Unter Agrarökonomen werden verschiedene Ansätze diskutiert. Unter anderem sogar die Nutzung von Savannengebieten, wodurch 400 Millionen Hektar Agrarfläche gewonnen werden könnten - und die nächste ökologische Krise womöglich gleich mit. Doch welche umweltökonomisch sinnvollen Ansätze gibt es für die Zukunft der Landwirtschaft?
Nach oben statt nach vorne: Vertikale High-Tech-Farmen nach japanischem Modell
Der Name ist hier Programm: Pflanzen werden nicht auf ausgedehnten Ackerflächen angebaut, sondern auf mehreren Etagen, die in kontrollierter Umgebung innerhalb von Gebäuden angelegt werden können. Nachdem das Konzept lange skeptisch beäugt wurde, erfreut es sich mittlerweile wachsender Beliebtheit.
Entstanden ist diese Idee bereits 1999 an der Columbia Universität in New York, doch Vorreiter in Sachen Umsetzung war Japan. Nach der Zeit der Atomreaktorkatastrophe im Jahr 2011 ist dort Gemüse gefragt, dass garantiert strahlungsfrei ist – also Indoor angebaut wurde. Dank des Siegeszuges von LED-Lampen, die kosten- und energiesparendes Licht spenden, macht das Modell auch in anderen Ländern wie den USA und auch in Deutschland langsam Schule.
Pro: Dieses Modell würde gleich ein weiteres Problem der Landwirtschaft lösen. Ab 2050 werden nicht nur mehr Menschen auf der Welt leben, sondern den Vereinten Nationen zufolge drei Viertel davon in Städten. Vertikale Farmen lassen sich jedoch überall dort anlegen, wo Nahrung gebraucht wird – auch inmitten von Hochhäusern. Transportkosten und -emissionen können damit ebenso minimiert werden.
Der Ertrag dieser Form des Anbaus ist hundertmal höher als beim Anbau im Freien – und auch gesünder, denn Pestizide werden bei der Indoor-Landwirtschaft nicht benötigt.
Vor allem wäre keine weitere Waldrodung vonnöten. Für Agrarflächen gäbe es buchstäblich Luft nach oben. Möglicherweise übrigens auch für die Vierzucht: In China werden beispielweise auch Schweine schon auf Etagen gehalten.
Contra: Nur die Sonne ist gratis: Nutzpflanzen mit künstlichem Licht heranzuziehen, kann trotz energieeffizienten LED-Lampen bei weiterem Wachstum des Konzepts neue ökologische Herausforderungen schaffen.
Bestimmte Nahrungsmittel wie Weizen, Soja und Reis, deren weltweite Nachfrage enorm ist, können außerdem nach aktuellem Forschungsstand nur auf echten Feldern wachsen. Hinzu kommt, dass die zündende Idee für eine artgerechte Haltung von Schweinen, Rindern und anderen Nutztieren auf Indoor-Stockwerken noch fehlt.
Kontrolliert in die Natur einmischen: Grüne Gentechnik
Nach wie vor gilt Gentechnik als böses Wort, wenn es um das Thema Ernährung geht. Doch moderne Techniken wie das “Genome Editing” sind so präzise, dass sich die Pflanze kaum von ihrer ursprünglichen Form unterscheidet und dennoch gewissen Vorteile bieten kann.
Pro: Speziell gezüchtete, besonders ertragreiche Getreidesorten, die oft wenig Resilienz aufweisen, können zum Beispiel resistenter gegen Umwelteinflüsse und Schädlinge gemacht werden. Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben nennt dem WDR als Beispiel Weizen, wo ein bestimmtes Gen herunterreguliert wird, das normalerweise dem Mehltaupilz erst ermöglicht, in die pflanzliche Zelle einzudringen. Ohne dieses Gen ist der Weizen kaum noch anfällig für diese Pilzerkrankung.
Prof. von Wirén zufolge zeigen genmanipulierte Nahrungspflanzen in Ländern wie den USA, China oder Brasilien, welche Auswirkungen diese für die Gesundheit des Menschen haben: nämlich keine.
Contra: Nicht immer erweisen sich vermeintlich positive Züchtungen als Segen. Seit Pflanzen angebaut werden können, die tolerant gegen Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat sind, werden diese äußert freimütig eingesetzt. Die Folge: Erhebliche Schäden für die betroffene Fauna, wie zum Beispiel Bienensterben. Akribische Prüfungen und Regulierungen wären bei jeder Form des Eingriffs in die Pflanzenbeschaffenheit notwendig.
Verbrechensbekämpfung der Zukunft: Nutzen und Gefahren von KI
Zurück zur Natur: Agarökologie als Boost für vorhandene Flächen
Für andere liegt der Schlüssel für die Nahrung der Zukunft in der Vergangenheit. Laut der Welthungerhilfe werden schon heute 70 Prozent aller Nahrungsmittel weltweit von Kleinbauern produziert, die selbst indes nicht selten Hunger leiden. Und die wären der Organisation zufolge durchaus in der Lage, noch mehr zu stemmen, wenn sie ausreichend gefördert würden. Doch stattdessen würde an einer Stelle überproduziert und verschwendet und an anderer ungerecht verteilt.
Laut dem Komitee für Welternährungssicherheit heißt das Zauberwort Agraökologie.
Pro: Die benötigten Mittel sind längst vorhanden – und theoretisch auch das Know-How. Demnach liegt der Schlüssel nicht etwa in speziell gezüchteten Getreidesorten mit besonders hohem Ertrag, auch nicht in Gentechnik oder High-Tech-Mineraldünger.
Die Lösung sollen vielmehr traditionelle und naturnahe Anbaumethoden sein, die sich weniger auf spezielle Techniken verlässt als auf gesunde Böden, natürliche Prozesse und Kreisläufe, Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten, tiergerechte Haltung und möglichst wenig Einflussnahme von außen verlässt.
Contra: Würden diese Methoden von den jeweiligen Regierungen fair gefördert und von den Konsumenten unterstützt, wäre die bereits vorhandene Landwirtschaft fähig, auch eine wachsende Bevölkerung zu stemmen, so das Argument. Es müsste ein Umdenken in der Politik stattfinden, um diversifizierte Nahrungssysteme zu fördern und Landwirte zu unterstützen, beispielsweise in Phasen, in denen natürlicher Anbau erschwert wird. Dafür wird dieses Modell jedoch zu skeptisch betrachtet.
Zusätzlich ist schwer absehbar, wie gut Einzelpersonen und Gemeinschaften überhaupt in der Lage sind, das jeweilige Nahrungsmittelsystem und die für sie erforderliche Ernährung umzusetzen.