Wer ist Anna Sorokin: Alles über die Hochstaplerin der aktuellen Netflix-Serie

Erst Gucci-Jumpsuit, dann Gefängnis-Overall: Anna Sorokin führte ein Leben voller Luxus und Glamour – dafür zog sie ihren Freunden aus der New Yorker Society das Geld aus der Tasche und zahlte letztendlich selbst einen hohen Preis, als sie im Knast landete. Dank der Netflix-Serie "Inventing Anna“ wurde die Hochstaplerin berühmt. So berühmt, dass sie sogar im Gefängnis noch Geld verdient. Ein Porträt der schillernden Fake-Millionärin.

Anna Sorokin muss sich vor Gericht verantworten (Bild: TIMOTHY A. CLARY / AFP)
Anna Sorokin muss sich vor Gericht verantworten (Bild: TIMOTHY A. CLARY / AFP)
  • Keine Spur von Glamour: Anna Sorokin wuchs in Deutschland auf

  • So führte Anna Sorokin die New Yorker Society hinters Licht

  • Diese Reise wurde Anna Sorokin zum Verhängnis

  • Anna Sorokin: Wird sie nach Deutschland abgeschoben?

  • Anna Sorokin: Das sagt ihr Vater über sie

  • So verdient Anna Sorokin auch im Gefängnis Geld

  • Schuldgefühle – was ist das?

Anna Sorokin sagte einmal über sich selbst: "Eine Visionärin wie mich trifft man nicht jeden Tag. Genies sind rar." Aber Bescheidenheit war auch noch nie ihre Stärke. Als falsche Millionen-Erbin Anna Delvey legte sie jahrelang ihre Freunde aufs Kreuz: Sie erschlich sich einen Platz in der New Yorker High Society und schaffte es, sogar erfahrene Immobilienhändler und Banker zu täuschen. Bis sie nachlässig wurde, einen Fehler machte – und in den Knast wanderte. Eine Story, die genug guten Stoff für eine TV-Serie bietet.

Das dachte sich wohl auch Netflix: Mit der Miniserie "Inventing Anna“ feiert der Streamingdienst Anna Sorokin und macht die Deutsch-Russin zur bekanntesten Betrügerin der Welt. Für ihren Deal mit Netflix erhielt die Hochstaplerin 320.000 Dollar – und das während ihrer Zeit im Gefängnis! Davon bezahlte sie die Anwalts- und Strafkosten sowie Rückerstattungen an Gläubiger.

Julia Garner spielt Anna Sorokin in der Netflix-Serie
Julia Garner spielt Anna Sorokin in der Netflix-Serie "Inventing Anna" (Bild: ddp images)

Keine Spur von Glamour: Anna Sorokin wuchs in Deutschland auf

Als Anna Wadimova Sorokin kommt die Fake-Erbin am 23. Januar 1991 in der Nähe von Moskau in Russland auf die Welt. Als sie 16 ist, zieht sie mit ihren Eltern nach Eschweiler. Schillernd verläuft das Leben in dem kleinen Ort in NRW für den damaligen Teenager aber nicht. Ihr Vater ist LKW-Fahrer, die Familie lebt in einfachen Verhältnissen. Während ihrer Zeit in Deutschland besucht Anna Sorokin die Bischöfliche Liebfrauenschule, ein katholisches Gymnasium. Ihren Mitschülern präsentiert sie sich schon damals überwiegend in teuren Designerklamotten, was ihr den Spitznamen "Barbie" einbringt.

"Die meisten Leute in Eschweiler sind nicht wirklich modebewusst und haben nicht den gleichen Geschmack für Luxus wie Anna, deshalb ging sie nach London, dann nach Berlin und dann nach Paris. Sie hatte das Gefühl, dass diese Stadt nicht gut genug für sie war. Sie wollte leben wie Paris Hilton, aber das konnten wir ihr nicht bieten", erzählte ihr Vater Vadim Sorokin der "Daily Mail". In Eschweiler habe sie nicht so leben können, wie sie das wollte. Das sei ihm heute klar. Nach ihrem Abitur zieht es Anna Sorokin erst nach London für ein Kunststudium. Doch das bricht sie ab und geht nach Berlin. Und auch dort bleibt sie nicht lange. Ihre Hochstapler-Karriere beginnt, als sie 2013 nach Paris zieht und ein Praktikum beim Fashion-Magazin "Purple" macht. Denn hier taucht das erste Mal Anna Delvey auf. Auf ihrem Instagram-Account nennt sie sich “Retired intern”, was übersetzt “Praktikantin im Ruhestand” heißt.

Doch Paris langweilt sie schnell. "In Paris ist einfach alles um sechs Uhr geschlossen", sagt Anna Sorokin. Sie will ein Leben in Saus und Braus – und das bekommt sie in New York.

So führte Anna Sorokin die New Yorker Society hinters Licht

Eine Blenderin wie sie im Buche steht: Von 2013 bis 2017 schlich sich Anna Sorokin systematisch in die New Yorker High Society ein und führte dort ein Leben, das selbst mit den Kardashians mithalten kann: Sie trug Klamotten teurer Designer-Labels, schlief in den nobelsten Hotels und speiste in den Top-Restaurants der Stadt. Die 31-Jährige schnorrte sich durch, lebte das Leben einer Millionärin auf Pump. Wenn es ans Bezahlen ging, hatte sie jedes Mal eine andere Ausrede in petto: Mal war die Kreditkarte abgelaufen, mal hatte sie ihren Geldbeutel vergessen.

Die falsche Millionenerbin: Das Doppelleben der Anna "Delvey" Sorokin

Wie sie erst kürzlich im Podcast "Call Her Daddy“ erzählte, war der Konsens unter ihren Freunden und Bekannten: Sie sei eine reiche deutsche Erbin und verfüge bald über einen Treuhandfonds von 60 Millionen Dollar. "60 Millionen grenzt an Armut in New York. Das ist fast nichts", so Anna Sorokin im Podcast. Das Geld, mit dem sie sich Zugang zu luxuriösen Partys verschaffte, stammte meist von Auszahlungen gefälschter Schecks. Sie schaffte es auch, die City National-Bank zu überreden, ihr 100.000 Dollar zu leihen. Außerdem versucht sie, einen Kredit von 22 Millionen Dollar zu beantragen. Gesamt-Schaden: 275.000 US-Dollar (umgerechnet rund 250.000 Euro). Das ist die Summe, die gerichtsfest ist. Der wirkliche Schaden dürfte aber weit höher sein.

Diese Reise wurde Anna Sorokin zum Verhängnis

Einen großen Fehler machte Anna Sorokin alias Anna Delvey, als sie 2017 ihre Freundin Rachel DeLoache Williams einlud, mit ihr für einen Kurzurlaub nach Marrakesch zu fliegen. Die Kosten für eine Nacht im Hotel: 7000 Euro. Die Gesamtrechnung: stolze 62.000 Dollar! Als es ums Bezahlen ging, funktionierte dann plötzlich keine der Kreditkarten, die auf Anna Delvey ausgestellt waren. Rachel Williams musste die Kosten übernehmen. Als Anna Delvey ihr auch nach Wochen das Geld nicht zurückzahlte, wurde Williams misstrauisch, zeigte ihre Freundin an. Doch vor Gericht blieb die Bildredakteurin der "Vanity Fair" auf den Kosten sitzen. Ihre eigene Erfahrungen mit Anna Sorokin brachte Williams in ihrem Buch "My Friend Anna" zu Papier.

"My Friend Anna": Die wahre Geschichte über Anna Sorokin aus der Netflix-Serie "Inventing Anna"

Schuldgefühle gegenüber ihrer ehemaligen Freundin Williams hat Anna Sorokin keine: "Wenn Rachel Williams das Gefühl hat, dass ich es ihr zurückzahlen muss, weiß sie, wie sie mich finden kann." Dass sie von Williams als "Soziopathin“ bezeichnet wird, betrachtet Anna Sorokin als Kompliment. Schließlich nenne man Mark Zuckerberg, Elon Musk und Steve Jobs auch so.

Kurz nach der Reise wurde Anna Sorokin verhaftet, kam in Untersuchungshaft. Zwei Jahre lang wurde ihr Fall verhandelt: 2019 wurde sie zu einer Haftstrafe verurteilt. Wegen guter Führung kam sie bereits im Februar 2021 raus. Nur sechs Wochen später landete sie erneut im Gefängnis, weil sie ihr Visum überschritten hatte. Seit dem 25. März 2021 sitzt sie im U.S. Immigration and Customs Enforment (ICE) in Orange County, New York, und wartet auf eine Entscheidung. Möglich, dass sie nach Deutschland abgeschoben wird.

Anna Sorokin: Wird sie nach Deutschland abgeschoben?

Anna Sorokin sitzt derzeit in einer Zelle der US-Einwanderungsbehörde ICE und sollte bereits nach Deutschland abgeschoben werden. Die Hochstaplerin hätte vor Kurzem unter Begleitung von US-Beamten in einem Flieger von New Jersey nach Frankfurt sitzen sollen. Doch daraus wurde nichts. Ein Eilantrag von Sorokins Anwälten habe den Abschiebeflug der 31-Jährigen verhindert, berichtete der "Spiegel" unter Berufung auf US-Sicherheitskreise."Ich würde lieber im Gefängnis sitzen, als bei meinen Eltern in Deutschland zu wohnen“, schrieb Anna Sorokin in einem Interview mit der britischen Zeitung "Daily Mail“ via SMS. Ihr Anwalt ließ verlauten, dass ein weiterer Antrag geplant sei, "um die Abschiebung zu verhindern."

"Spiegel": Abschiebung von Betrügerin Sorokin nach Deutschland erneut gescheitert

Anna Sorokin kommen vor Gericht die Tränen (Bild: Steven Hirsch/Pool via REUTERS)
Anna Sorokin kommen vor Gericht die Tränen (Bild: Steven Hirsch/Pool via REUTERS)

Anna Sorokin: Das sagt ihr Vater über sie

Obwohl Anna Sorokin scharf gegen ihre Eltern schießt, steht ihr Vater Vadim Sorokin immer hinter ihr: "Wir haben hier im Haus der Familie Platz für sie, und wir werden sie zwar unterstützen, aber nicht zulassen, dass sie ihren früheren Fehler wiederholt", sagte er der englischen Zeitung "Daily Mail". Er gab auch zu, regelmäßig mit seiner Tochter zu telefonieren und erklärte: "Sie hat mir nie gesagt, dass sie mich liebt. Aber sie fragt mich jeden Tag nach Geld.“

Anna Sorokin: Sie hält sich nicht für eine Betrügerin und verrät, dass sie einen "Gefängnisassistenten" dafür bezahlt, ihre Wäsche zu waschen

Denn auch im Gefängnis scheint die Betrügerin ihr ehemaliges Leben fortzuführen. Und das muss finanziert werden. "Sie bezahlt Leute, die für sie im Gefängnis herumlaufen und ihre Kleidung reinigen. Sie hat die Fähigkeit, Menschen um den Finger zu wickeln", so Vadim Sorokin. "Ich habe ihr in der Vergangenheit Tausende von Dollar geschickt. Im Moment sind die Beträge klein, weil sie in Haft ist. Aber selbst dort hat sie nicht gelernt, ihre Finanzen zu kontrollieren", sagt er.

So verdient Anna Sorokin auch im Gefängnis Geld

Sie kann es einfach nicht lassen: Anna Sorokin gehen selbst im Gefängnis die Ideen nicht aus, mit denen sie Kohle scheffeln kann. Wie die "Bild" berichtet, hat die Fake-Millionärin hinter Gittern ihre kreative Ader entdeckt und erstellt nun Zeichnungen im Gefängnis, für die sie 10.000 Dollar (pro Stück!) verlangen soll. Auf den Selbstporträts zeigt sich Anna beim Sonnenbaden oder vor einer Tafel, auf der "Schickt Bitcoins" steht.

Fünf ihrer Werke sind bereits in einer Gruppen-Ausstellung mit dem Titel "Free Anna Delvey“ enthalten, eine eigene Ausstellung mit 20 Werken soll folgen. Einen bekannten Unterstützer hat Sorokins Kunst auch schon: US-Künstler Noah Becker unterstützt die Ausstellung mit eigenen Werken. "Ich telefoniere mehrfach pro Woche mit Anna im Gefängnis“, sagte er in seinem Podcast.

Schuldgefühle – was ist das?

Für kriminell hält sich Anna Sorokin bis heute nicht. "Ich habe nicht gedacht, dass alle so empört sein würden", sagte sie der "London Times". "Ich habe verstanden, dass ich Abkürzungen nehme, aber in meinem Kopf habe ich nie etwas Kriminelles getan. Es war unorthodox, aber ich dachte nicht: 'Oh, ich werde wahrscheinlich ins Gefängnis kommen.'"

Und Reue? Hat sie nicht. "Die Sache ist, es tut mir nicht leid", erklärte Anna Sorokin kurz nach ihrer Verurteilung zu einer Haftstrafe gegenüber der "New York Times“. Und weiter: "Ich würde Sie und alle anderen anlügen, wenn ich sagen würde, dass mir irgendetwas leidtun würde. Ich bedauere nur, wie ich bestimmte Sachen angegangen bin."

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