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Werbeshooting mit Arvida Byström: Hasskommentare in Zeiten der Makellosigkeit

Die Reaktionen auf die Werbekampagne mit Model Arvida Byström sind erschütternd. (Bild: Adidas)
Die Reaktionen auf die Werbekampagne mit Model Arvida Byström sind erschütternd. (Bild: Adidas)

Eine Kolumne von Carlos Corbelle

Grenzenlose Borniertheit findet im Netz einen grenzenlosen Echoraum. Das ist keine neue Erkenntnis, wird aber immer wieder auf erschreckende Weise bestätigt. Jüngstes Beispiel: Die Werbung eines Sportartikelherstellers mit Arvida Byström. Das schwedische Model zeigt sich darin mit unrasierten Beinen – und erntet dafür Kommentare, die über den heutzutage leider obligatorischen Shitstorm bei jeder Art von nonkonformistischem Verhalten weit hinaus gehen.

“Schrecklich! Sollte man verbrennen! Rasier deine Beine oder trag Hosen, du Schlampe!”, lautet einer der zahlreichen Hasskommentare unter dem YouTube-Video des Werbeclips. “Das ist keine Frau, sondern ein Affe.” “Für ekelhafte Frauen, die zu faul sind, sich zu pflegen.” Die Liste der beleidigenden Äußerungen ist endlos. Stimmen, die das Model als Vorbild feiern und die positive Message preisen, gibt es ebenfalls, doch sie verblassen angesichts der Fülle unerträglicher Beschimpfungen.

Es kommt aber noch schlimmer. Auf ihrem Instagram-Account schreibt Arvida Byström, die auch als Fotografin tätig ist und mit ihrer Arbeit immer wieder vermeintliche Schönheitsideale hinterfragt, dass sie aufgrund des Werbeshootings Vergewaltigungsdrohungen erhalten habe. Wie konnte es soweit kommen, dass eine Frau aufgrund ihrer unrasierten Beinen einer derartigen Welle des Hasses ausgesetzt ist?

Die Möglichkeit, seinen geistigen Müll jederzeit und augenblicklich abladen zu können, wurde in dieser Form natürlich erst durch die sozialen Medien im Netz ermöglicht. Die Ursache für die zutiefst misogyne Sicht auf den weiblichen Körper, der nicht bis ins letzte Detail einem vermeintlichen Schönheitsideal entspricht, liegt aber nicht zuletzt auch an der Werbeindustrie, die trotz der positiven Message des Byström-Clips auch hier ein vorrangiges Ziel verfolgt: ihr Produkt an den Mann/die Frau zu bringen.

Diktatur der Makellosigkeit

Die Werbekampagne ist bloß die Ausnahme einer nach wie vor ernüchternden Regel. Dass sie die Abweichung von der Norm betont in Szene setzt, statt sie als selbstverständlichen Aspekt eines diversen Frauenbildes darzustellen, deutet das eigentliche Problem an. Schauen wir uns doch mal um: Es ist nahezu unmöglich, durch eine Großstadt zu laufen, ohne ständig von perfekt gephotoshopten Models angestarrt zu werden. Die in Hochglanz verpackte Mahnung der Werbeplakate: Hast du als Frau keinen tadellosen Körper, hast du eben etwas falsch gemacht. Oder zumindest das falsche Produkt gekauft. Wehe du wiegst zu viel, bist ungeschminkt, hast Cellulite oder Falten oder Haare an den Beinen. Und sollte das doch der Fall sein, dann wage es zumindest nicht, auch noch stolz drauf zu sein und deinen vermeintlichen Makel zu zeigen.

Die allgegenwärtige, von der Werbeindustrie befeuerte Diktatur der Makellosigkeit, die uns vorzuschreiben versucht, was Schönheit ist, begünstigt ein Klima der Ausgrenzung, das im Netz immer groteskere Ausmaße annimmt. Bis der verlogene Traum vom vermeintlich perfekten Körper endlich ausgeträumt ist, dürfte es leider noch eine ganze Weile dauern. Umso wichtiger, dass eine Frau wie Arvida Byström die gängigen Schönheitsideale auf den Prüfstand stellt – und sich nicht von den furchtbaren Kommentaren abschrecken lässt.

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Und zum Schluss noch ein Blick auf die mutigen Demonstrantinnen, die in Paris gegen Macrons sexistische Gesetzesentwürfe protestieren: