Werbeverbot für Abtreibungen: Wovor fürchten sich Jens Spahn & Co.?

Frauen demonstrieren in Berlin für das Recht auf Abtreibung. (Bild: ddp)
Frauen demonstrieren in Berlin für das Recht auf Abtreibung. (Bild: ddp)

Das Werbeverbot für Abtreibungen hält Frauen nicht davon ab, ihren Entschluss durchzusetzen. Allerdings macht es ihnen das Gesetz unnötig schwer, die richtige Vertrauensperson zu finden. Warum die Abschaffung des Paragraphen 219a längst überfällig ist.

Es sind 70 Wörter, über die momentan hitzig diskutiert wird. So viele Wörter braucht es, um den Ärzten zu verbieten, öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche aufzuklären. Angewendet wurde der Paragraph 219a* zum Beispiel bei der Gießener Ärztin Kristina Hänel. Weil sie auf ihrer Website angegeben hatte, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten, wurde sie vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von rund 6000 Euro verurteilt. „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache“, lautete die Begründung des Amtsgerichts. Genau dieses Urteil bringt die Diskussion jetzt richtig in Schwung. Zum Glück!

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat jüngst die Gegner des Verbots der Werbung für Abtreibungen scharf angegriffen und sich gegen Änderungen ausgesprochen. „Mich wundern die Maßstäbe”, sagte Spahn der „Bild am Sonntag“: „Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.”

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Schon wieder versucht Spahn, sich mit einer Hardliner-Position zu profilieren, dieses Mal – wie es Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter so schön auf den Punkt gebracht hat „auf Kosten von Frauen in Notlagen und Gewissensnöten”. Doch was ist denn eigentlich gemeint, mit der „Werbung für Abtreibungen“, die Herrn Spahn solch ein Kopfzerbrechen bereitet?

Ich stelle mir vor: Eine Frau erfährt, dass sie schwanger ist. Sie ist glücklich, sie möchte dieses Kind bekommen und freut sich darauf, Mutter zu werden. Dann sieht sie auf der Website ihrer Gynäkologin den Hinweis: „Abtreibungsaktion – jetzt buchen, nur 129 Euro bezahlen.“ „Moment mal!“, denkt sich die eben noch überglückliche Frau. „Was für ein Super-Deal, da muss ich zuschlagen.“ Ein völlig absurdes Szenario? Richtig!

Zudem sind die Ängste, die nicht zuletzt von Herrn Spahn geschürt werden, dass mit dem Wegfall des Paragraphen künftig überall blinkende Werbetafeln Frauen mit gekonnten Slogans zur Abtreibung locken, völlig unbegründet. Die Werbung für sämtliche ärztliche Leistungen ist bereits durch die Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte verboten.

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Unser Recht auf sachliche Information wird vom Gesundheitsminister, den Gerichten, Christdemokraten und Abtreibungsgegnern also mit einem Verweis auf die Werbung verweigert, die in der Praxis ohnehin keine Anwendung finden würde. Und ist es nicht so, dass das Werbeverbot impliziert, Frauen würden sich bei der vielleicht schwierigsten Entscheidung ihres Lebens von einer banalen Anzeige beeinflussen lassen?

Es muss unser Recht sein, darüber zu bestimmen, wann und ob wir ein Kind bekommen wollen oder können. Und es muss uns erlaubt sein, mit Ärzten und Ärztinnen darüber zu sprechen, die wir persönlich auswählen, weil wir ihnen vertrauen und weil wir uns bei ihnen wohlfühlen. Nicht, weil der Staat ihnen das Recht dazu erteilt hat, sich mit unseren intimsten Gedanken und Gefühlen zu befassen, sondern wir.

Es ist doch so: Eine Schwangere, die ihr Kind unbedingt bekommen möchte, lässt sich von den Informationen zu einer möglichen Abtreibung nicht davon abhalten. Ebenso wenig, wie sich eine Frau, die den Entschluss gefasst hat, das Kind nicht austragen zu wollen, von dem Abtreibungsparagraphen 219a beeindrucken lässt. Nur wird die sich zwangsläufig in einer Schwangerschaftskonfliktberatung wiederfinden und einem wildfremden Menschen gegenübersitzen, weil ihr die Intelligenz, sich ohne staatliche Hilfe ausreichend zu informieren, abgesprochen wird.

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Welches Argument bleibt also denjenigen, die sich für den Erhalt des Paragraphen 219a einsetzen? Am Ende geht es darum, zu verhindern, dass sich Frauen selbst ein Bild davon machen, welche Ärzte und Ärztinnen wo und wie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Am Ende wird durch diese 70 Wörter das Bild der naiven Frauen gestärkt und der Anschein erweckt, sie müssten vor ihren eigenen Entscheidungen beschützt werden.

Schutz vor den zum Teil geschmacklosen Kampagnen der Abtreibungsgegner gibt es hingegen nicht. Gerhard Woitzik, Bundesvorsitzender der christlich-konservativen Deutschen Zentrumspartei beispielsweise verbreitete in München Flyer, die wie die Werbung einer Pizzeria anmuten. Im Innenteil wird allerdings eine Arztpraxis als „Kinderschlachthof“ bezeichnet. Abgebildet sind Pizzen, die mit zerstückelten Föten belegt sind. Juristische Konsequenzen muss Woitzik übrigens nicht fürchten.

*Der Paragraph 219a (1) besagt:

„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder

2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung

anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

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