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Wie verhält man sich als Zeuge von rassistischen Angriffen?

Viele Menschen wollen sich gegen Rassismus einsetzen, wissen aber nicht wie. (Bild: ddp Images)
Viele Menschen wollen sich gegen Rassismus einsetzen, wissen aber nicht wie. (Bild: ddp Images)

In einem Ryanair-Flug von Barcelona nach London wurde eine Passagierin von ihrem Sitznachbarn aufs Übelste rassistisch beschimpft. Anstatt den Mann des Flugzeugs zu verweisen, setzte das Flugpersonal das Opfer um. Dieser Umgang wird nun stark kritisiert. Doch wie verhält man sich als Zeuge von rassistischen Angriffen richtig?

Ausschreitende Nazi-Demonstrationen in Chemnitz, Beschimpfungen im Ryanair-Flug oder in sozialen Netzwerken – es ist erschreckend, wie verbreitet Rassismus in unserem Alltag ist. Derartige Übergriffe – seien sie verbal oder physisch – werten Opfer ab und können durchaus traumatisch sein. Deswegen ist Handeln gefragt.

Schweigen bedeutet Tolerieren

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rät: “Wenn du Rassismus erlebst, lass ihn nicht einfach so stehen.” Vor allem bei Rassismus im öffentlichen Raum können Zeugen essenziell dazu beitragen, dass Täter Konsequenzen erfahren. Verhalten sich beispielsweise Mitarbeiter bei Einlass- oder Ticketkontrollen rassistisch, kann dem Opfer angeboten werden, sich selbst als Zeuge zu melden

Auch Philippe Häni, Mitglied der Antirassismus-Gruppe “GGG-FON” spricht sich dafür aus, die Stimme zu erheben und betonte gegenüber “Watson”, dass “Schweigen mit Tolerieren gleichzusetzen” sei. Zunächst sollte versucht werden, sogenannte “Ich-Botschaften” einzusetzen. Zum Beispiel gegenüber einem Schaffner: “Ich finde, dass sie sich gerade ungerecht verhalten haben. Sie haben aufgrund der Hautfarbe angenommen, er habe keinen Fahrschein und dazu noch getan, als beherrsche er die Sprache nicht gut. Ich finde, das ist rassistisch und nicht richtig.”

“Ich-Botschaften” können deeskalieren

Eine derartige Aussage könnte vielleicht Einfluss auf das künftige Verhalten des Schaffners haben. Häni erklärte zudem, dass “Ich-Botschaften” Eskalation entgegenwirken könnten. Sätze wie “Was ist das denn für ein rassistischer Scheiß” könnten hingegen die Aggression der Täter fördern.

Bei rassistischen Angriffen sei es zunächst wichtig, dem Opfer Hilfe anzubieten – wenn es alleine ist, aus der Isolation zu befreien. Wenn eine Gruppe mit rassistischen Beschimpfungen um sich wirft, können sich Zeugen Verbündete suchen und die Täter mit anderen Anwesenden gemeinsam darauf ansprechen, dass das Verhalten nicht tolerierbar sei.

Eingreifen löst nur selten Einsicht bei Tätern aus

Jeder, der Zivilcourage beweist, sollte sich aber bewusst sein, dass ein Eingreifen wahrscheinlich keine Einsicht bei Tätern auslöst. Was aber nicht bedeutet, künftig nicht mehr zu handeln. Vielmehr gehe es laut Häni darum, betroffene Personen aus unangenehmen Situationen zu befreien und zu zeigen, dass sie nicht alleine seien.

Zivilcourage kann aber auch gefährlich werden, weswegen manche Menschen in bestimmten Situationen Angst haben, einzugreifen. Sabine Seyb von ReachOut erklärte gegenüber dem “Stern”, dass Opfer auch damit unterstützt werden können, indem die Polizei gerufen wird und man anschließend selbst als Zeuge zur Verfügung steht. Sie fügte hinzu: “Niemand soll sich selbst gefährden und die eigenen Möglichkeiten überschätzen. Die Polizei und Feuerwehr zu verständigen ist eigentlich immer möglich, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.”

Informieren und neue Perspektiven kennenlernen

Auch die Polizei selbst kann sich rassistisch verhalten. In solchen Fällen können
Zeugen die Dienstnummer des betroffenen Beamten erfragen und eine Dienstbeschwerde beim Polizeipräsidenten einreichen sowie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten. Die Organisation KOP rät zudem, auch andere Anwesende zu bitten, sich als Zeugen zu melden.

Wer künftig gegen Alltagsrassismus aktiv werden möchte, sollte sich laut Amnesty International vor allem informieren und sich mit den Positionen von schwarzen Menschen sowie People of Color beschäftigen und ihre Perspektiven kennenlernen, sodass die eigene Argumentation in brenzligen Situationen immer sachlich bleibt. Vor allem, weil es verschiedene Arten von Rassismus und dementsprechend unterschiedliche Rassismuserfahrungen gibt.