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Was ist der Zuschauereffekt? Wie Sie in brenzligen Situationen sicher eingreifen

Was würden Sie tun, wenn Sie Zeuge eines Verbrechens wären? Der Zuschauereffekt erklärt, warum Menschen zögern, Hilfe zu leisten.

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Was würden Sie tun, wenn Sie Zeuge eines Verbrechens wären? Der Zuschauereffekt erklärt, warum Menschen zögern, Hilfe zu leisten. (Bild: Getty Images)

Was würden Sie tun, wenn Sie an einem belebten öffentlichen Ort jemanden sähen, der belästigt oder angegriffen würde?

Psychologen haben die Frage des Zuschauereffekts seit langem erforscht, damit wird laut American Psychological Association (nordamerikanischer Fachverband für Psychologie) "ein Phänomen, bei dem Menschen in Notsituationen nicht die benötigte Hilfe leisten, insbesondere wenn andere Menschen am Schauplatz anwesend sind", bezeichnet. Es klingt unvorstellbar, nichts zu tun, wenn jemand leidet, doch erklärt die Theorie möglicherweise, wie der Angriff auf eine asiatische Frau in New York City ohne das Eingreifen von zwei Zeugen in nächster Nähe vor sich gehen konnte.

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Vor einigen Woche wurden zwei in einem Wohnhaus angestellte Portiers gefeuert, weil Sie das Notfallprotokoll missachteten, als die 65-jährige Vilma Kari, eine Filipino-Amerikanerin, auf dem Weg zur Kirche von einem Mann geboxt und zu Boden getreten wurde, der lautstark asiatisch-feindliche Äußerungen von sich gab. Sicherheitskameras des Wohngebäudes nahmen nicht nur den grundlosen Angriff auf, der Kari ins Krankenhaus brachte, sondern auch die fehlende Reaktion der Angestellten, die nicht den Notruf riefen und stattdessen lediglich die Eingangstür schlossen. Der Vorfall löste tiefe Empörung aus und der Bürgermeister Bill de Blasio nannte das Verhalten der beiden Männer „absolut untragbar“ und drängte auf die dringende Notwendigkeit von Interventionstraining für Augenzeugen.

Der Zuschauereffekt wurde zuerst 1968 von den Psychologen Bibb Latané und John Darley untersucht, vier Jahre nach dem Mord 1964 an Catherine „Kitty“ Genovese, 28, einer Barmanagerin, die von einem Fremden in Ihrer Nachbarschaft Queens, N.Y. in den frühen Morgenstunden erstochen wurde. Laut eines Artikels der New York Times 1964 mit der Überschrift "37 Augenzeugen riefen nicht die Polizei - Teilnahmslosigkeit angesichts des tödlichen Messerangriffs auf eine Frau aus Queens schockt Polizei", taten die Nachbarn nicht viel, als Genoves um Hilfe schrie, bis auf Fenster öffnen und Licht anmachen – lediglich ein Mann rief „Lass das Mädchen in Ruhe!“. Dreißig Minuten vergingen, bevor ein Nachbar die Polizei rief, und das nach reiflicher Überlegung. "Ich wollte nicht hineingezogen werden", sagte er. Andere Nachbarn fehlinterpretierten, was sie gehört hatten ("Wir dachten, es war ein Beziehungsstreit", sagte einer) oder waren "müde".

Latané und Darley stellten fest, dass Menschen (unabhängig vom Persönlichkeitstyp) anderen eher helfen, wenn sie der einzige Zeuge sind. Menschen sind Opfern gegenüber nicht empfindungslos, so argumentieren sie in ihrer wegweisenden Studie, doch sinkt die persönliche Verantwortlichkeit in der Menge. "Eine Person die Zeuge einer Notsituation wird, insbesondere einer furchterregenden und gefährlichen Situation wie ein Messerangriff, ist in einem Konflikt", schrieben sie. "Es gibt eindeutige humanitäre Normen, dem Opfer zu helfen, doch gibt es auch rationale und irrationale Ängste, was der Person, die tatsächlich eingreift, passieren könnte", wie etwa die potenzielle eigene Schädigung, öffentliche Blamage und das Eingreifen der Polizei. Im Fall von Genoves, so theoretisierten sie, haben die in ihren eigenen Wohnungen versteckten Augenzeugen annehmen können, dass Hilfe unterwegs war.

Neueste Untersuchungen hingegen stellen den Zuschauereffekt infrage. Letztes Jahr analysierte ein Team unter Leitung von Richard Philpot, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Lancaster University, 219 Auseinandersetzungen aus dem wirklichen Leben, die auf Überwachungskameras im Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Südafrika festgehalten wurden. Sie fanden heraus, dass in 90 Prozent der Fälle mindestens ein Zeuge eingriff, entweder durch beruhigende Gesten, Trösten der Opfer oder physisches Aufhalten der Angreifer. "Wir haben schließlich herausgefunden, dass eine erhöhte Präsenz von Zuschauern mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass jemand eingreift, einhergeht", schrieben die Autoren der Studie. "Zusammengenommen zerstreuen diese Ergebnisse die weitverbreiteten Befürchtungen, dass umstehende Augenzeugen nur selten eingreifen, um zu helfen. Wir argumentieren, dass es für die Psychologie an der Zeit ist, die Erzählweise zu ändern weg von einem Fehlen der Hilfeleistung hin zu einem neuen Verständnis dessen, was ein Eingreifen gelingen oder misslingen lässt."

So können Sie richtig einschreiten

Die Hollaback!-Bewegung gegen Belästigung und die gemeinnützige Organisation Alteristic haben mit den „5 Ds of Bystander Intervention“ (5 Ds der Intervention von Augenzeugen), einen Ansatz entwickelt, um Opfern eines Verbrechens zu helfen. "Wir sehen Notsituationen oft durch unsere eigene Brille, Persönlichkeitsmerkmale oder kulturellen Normen", so Kristen Parks, stellvertretende Programmvorsitzende bei Alteristic, Yahoo Life. "Und Forschungsergebnisse zeigen, dass Vorurteile aufgrund von Rasse, Geschlecht und Sexualität sich auch darauf auswirken, wie Personen auf wahrgenommene Risiken reagieren." Beispielsweise sorgt sich ein Zuschauer möglicherweise darum, negative Stereotypen weiterzuführen, wenn er bei aggressiv wahrgenommenem Verhalten eingreift; oder jemand, der Konflikte hasst, könnte erstarren und tatenlos bleiben.

Parks fügt hinzu: "Die meisten Menschen würden auf die Frage, ob sie in einer hypothetischen Situation, in der eine Frau in einem Park angegriffen wird, einschreiten würden, mit 'auf jeden Fall' antworten. Um jedoch realistische und sichere Interventionsmethoden zu lernen, müssen wir uns damit auseinandersetzen, warum das Eingreifen so schwer ist."

Emily May, Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Hollaback!, erklärt Yahoo Life, dass die persönliche Sicherheit bei der Ausführung der 5 Ds Vorrang haben sollte. Diese stehen für Distract (ablenken), Delegate (beauftragen), Document (dokumentieren), Delay (hinauszögern) und Direct (steuern), ohne eine bestimmte Reihenfolge.

Im ersten Schritt schaffen Zuschauer eine Ablenkung, um den Angreifer zu stoppen. "Sie können etwas fallen lassen, laut schreien oder ein zwangloses Gespräch mit dem Opfer beginnen, wenn die Belästigung verbal ist", sagt sie. Ein Zuschauer kann auch jemanden beauftragen, um zu helfen. "Sie könnten die Polizei rufen, doch empfehlen wir (je nach Umständen), das Opfer erst zu fragen, ob dies gewünscht ist", sagt May. "Sie könnten auch zu einem anderen Zeugen sagen: 'Hey, sehen Sie, was hier passiert?', so dass jedem bewusst wird, was los ist."

Dokumentieren Sie den Vorfall aus einer sicheren Entfernung auf Ihrem Smartphone und geben Sie dem Opfer die Aufnahme, ohne es online zu posten. Hollaback! empfiehlt das Filmen von geografischen Informationen wir Straßenschildern, die den Schauplatz genau erkennen lassen.

Zeugen können Ihre Reaktion "hinauszögern", indem Sie am Schauplatz bleiben, um das Opfer zu beruhigen. "Auch wenn Sie in dem Moment nicht handeln können, können Sie etwas bei der Person, die belästigt wurde, bewirken, indem Sie nach dem Vorfall nach dem Opfer sehen", so die Organisation, insbesondere wenn der Vorfall im Vorübergehen oder sehr schnell passierte.“ Ein Ergebnis einer Hollaback!-Umfrage, die mit dem Worker Institute der Cornell University durchgeführt wurde, bestand darin, dass sogar ein wissender Blick einen positiven Einfluss auf das Opfer hat. Oder das Angebot, ihn oder sie irgendwohin zu begleiten oder Hilfe beim Ausfüllen einer Anzeige zu leisten.

Wenn es sicher scheint, können Zeugen auch "steuern", indem sie eine Grenze ziehen. "Sagen Sie 'Tun Sie ihr nicht weh' oder 'Gehen sie weg', ohne in ein Hin und Her mit dem Angreifer zu geraten", so May. "Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf das Opfer und geben Sie seiner Versorgung Vorrang."

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