Verkehrssicherungspflicht: Was müssen Grundstückseigentümer beachten?
Grundstückseigentümer tragen eine besondere Verantwortung durch die Verkehrssicherungspflicht. Wir erläutern, welche Bereiche erhöhte Aufmerksamkeit erfordern und worauf Sie achten sollten.
Das Wichtigste in Kürze
Die Verkehrssicherungspflicht verlangt von Grundstückseigentümern, Gefahren zu beseitigen, um Dritte vor Schäden zu schützen. Bei Missachtung drohen Schadenersatzansprüche.
Die Verkehrssicherung hat nicht mit dem Verkehr auf der Straße zu tun.
Zu den Aufgaben zählen Schneeräumen, Laubentfernung und Baumpflege. Besucher tragen eine gewisse Eigenverantwortung.
Die Pflichten können auf Mieter übertragen werden. Das muss allerdings im Mietvertrag geregelt sein. Eigentümer bleiben zudem für die Überwachung verantwortlich.
Eine Haftpflichtversicherung schützt vor finanziellen Folgen bei Unfällen. Vermieter benötigen zusätzlich eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung.
Grundlagen der Verkehrssicherungspflicht: Was heißt Verkehrssicherungspflicht?
Kaum jemand beschäftigt sich mit der Verkehrssicherungspflicht, bis etwas passiert. Genau dann ist es jedoch meist zu spät. Es lohnt sich also für alle Grundstückeigentümer, sich zumindest einmal ein bisschen genauer mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Verkehrssicherungspflichten sind ein zentrales Element des deutschen Zivilrechts. Die Verkehrssicherung hat dabei nichts mit dem Verkehr auf der Straße zu tun, sondern bezieht sich rein auf die Pflichten auf und rund um das eigene Grundstück.
Sie ist daher für alle Eigentümer von Grundstücken und Gebäuden von Bedeutung. Sie verpflichtet Eigentümer dazu, Sorge zu tragen, dass von dem eigenen Grundstück keine Gefahren für Dritte ausgehen. Wird diese Pflicht missachtet, drohen gem. §§ 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) Schadenersatzansprüche.
Hinweis
Bei Unfällen, die geschehen, ohne dass die Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, müssen Eigentümer nichts befürchten.
Definition der Verkehrssicherungspflicht
Sie mögen es gern juristisch? Gut, dann los:
Jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, ist verpflichtet, alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich dabei auf alle Aspekte, die ein umsichtiger und verständiger – in vernünftigen Grenzen vorsichtiger – Mensch für geboten erachtet, um Gefahren vorzubeugen.
Etwas kürzer und verständlicher bedeutet das, dass Sie alles tun müssen, was sinnvoll ist, um Gefahren zu verhindern. Sie müssen jedoch nicht alles tun, was möglich wäre, um eine Gefahr zu 100 Prozent zu verhindern – was faktisch wohl auch nicht möglich wäre.
Das Ziel ist darauf ausgerichtet, abstrakte Gefahren so gut wie möglich und zugleich zu dem geringstmöglichen Preis zu verhindern.
Schutzmaßnahmen der Verkehrssicherung: Was müssen Eigentümer tun?
Grundsätzlich bedeutet die Verkehrssicherungspflicht, dass Eigentümer alle Maßnahmen ergreifen müssen, um Gefahrenquellen zu beseitigen oder abzusichern. Um die Maßnahmen zu erläutern, werden die Begriffe „notwendig“ und „zumutbar“ verwendet. An dieser Stelle erfolgt eine Interessenabwägung, die den Aufwand der Maßnahme mit der Höhe der Gefahr in Bezug zueinander setzt.
Hinweis
Die Verkehrssicherungspflicht umfasst sowohl die regelmäßige Kontrolle des Grundstücks als auch die rechtzeitige Beseitigung von Gefahren. Sie ist dabei nicht nur auf den Eigentümer beschränkt, sondern kann auch auf andere Personen, wie Mieter oder Hausverwalter, übertragen werden, was jedoch klare vertragliche Regelungen erfordert.
Die Verkehrssicherungspflicht ist ein dynamisches Konzept. Sie orientiert sich an den jeweiligen Umständen. Welche Maßnahmen als zumutbar und notwendig gelten, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel von
der Art des Grundstücks
der Nutzung der Immobilie
der Anzahl zu erwartender Besucher
Ein Gewerbegrundstück in einer belebten Innenstadt erfordert andere Sicherungsmaßnahmen als ein privates Wohnhaus in einer ruhigen Vorstadt.
Grenzen der Verkehrssicherungspflicht
Obwohl die Verkehrssicherungspflicht weitreichend ist, gibt es auch klare Grenzen. Der Eigentümer ist nicht verpflichtet, alle denkbaren Gefahren auszuschließen, sondern nur diejenigen, die ein vernünftiger und umsichtiger Mensch als erkennbar und vermeidbar ansehen würde.
Dies bedeutet, dass eine gewisse Eigenverantwortung der Besucher vorausgesetzt wird. Beispielsweise muss ein Besucher mit typischen Witterungsbedingungen rechnen und sich entsprechend verhalten.
Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht dazu führt, dass der Eigentümer für alle Unfälle haftet, die auf seinem Grundstück geschehen. Vielmehr muss eine konkrete Gefahrenlage vorliegen, die der Eigentümer hätte erkennen und beseitigen können. Zudem muss die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht wirtschaftlich zumutbar sein. Unverhältnismäßig hohe Kosten für Sicherungsmaßnahmen können die Pflicht einschränken.
Das stellte auch der Bundesgerichtshof (BGH) klar. In diesem Fall klagte eine Spaziergängerin gegen einen Waldbesitzer. Sie war beim Spaziergang im Wald auf einem Waldweg von einem herabfallenden Ast getroffen worden. Der Schadenersatzanspruch gem. § 823 BGB schied aus, da die Verkehrssicherungspflicht nicht derart weit reiche, sofern der Waldbesitzer seinen üblichen Pflichten nachgekommen sei (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012; Az. VI ZR 311/11). Waldbesucher müssen ein gewisses Risiko – sogenannte waldtypische Gefahren – einkalkulieren.
Verkehrssicherungspflichten im Detail
In diesem Abschnitt stellen wir Ihnen einige Beispiele vor. So können Sie sich leichter ein Bild machen, was in Ihren Verantwortungsbereich fällt und wie Sie einem Schadenersatzanspruch vorbeugen können.
Schneeräumpflicht: Glätte verhindern
Eine der bekanntesten Verkehrssicherungspflichten ist die Schneeräumpflicht. Jeder Grundstückseigentümer muss dafür sorgen, dass Gehwege vor dem eigenen Grundstück von Schnee und Eis befreit sind, um Unfälle durch Ausrutschen zu vermeiden.
Diese Pflicht gilt in der Regel werktags ab 7 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr. Die Räum- und Streupflicht endet abends gegen 20 Uhr.
Achtung
Es ist wichtig, dass Sie geeignete Streumittel verwenden, um die Rutschgefahr zu minimieren. In einigen Kommunen ist Salz jedoch verboten, sodass Sie Alternativen zu Streusalz nutzen müssen.
In einem Rechtsstreit stellte das OLG Hamm klar, dass eine Haftung für Dachlawinen ausscheide. Im konkreten Fall (OLG Hamm, Beschluss vom 29.02.2024; Az. 7 U 72/22) kam es zur Beschädigung eines Fahrzeugs durch eine Dachlawine. Nach Ansicht des Gerichts sah die Verkehrssicherungspflicht nicht vor, Warnschilder aufzustellen. Auch das Anbringen von Schneefanggittern auf dem Dach ist nicht verpflichtend.
Laub entfernen und die Rutschgefahr minimieren
Im Herbst stellt herabfallendes Laub eine erhebliche Rutschgefahr dar. Beim eigenen Haus gilt es daher, regelmäßig das Laub von Gehwegen und Zufahrten zu entfernen.
Vor allem bei feuchtem Wetter, wenn das Laub besonders rutschig wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Unfälle. Die Häufigkeit der Reinigung hängt von der Laubmenge und der Frequentierung des Weges ab.
Gefahren durch Bäume: Morsche Äste entfernen
Bäume auf dem Grundstück können bei Sturm eine Gefahr darstellen, wenn sie nicht regelmäßig auf ihre Standfestigkeit überprüft werden. Als Eigentümer müssen Sie sicherstellen, dass kranke oder morsche Bäume rechtzeitig gefällt oder beschnitten werden, um Schäden durch umstürzende Bäume zu verhindern (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.09.2004; Az.: V ZR 230/03).
Die regelmäßige Kontrolle dient jedoch auch dazu, morsche Äste zu bemerken und Unglücke durch ein Herabfallen einzelner Äste zu verhindern.
Pfützenbildung auf Zufahrten
Stehendes Wasser auf Wegen oder Zufahrten wird schnell zur Rutschgefahr. Als Eigentümer sollten Sie darauf achten, dass Regenwasser ordnungsgemäß abfließen kann und keine Pfützen entstehen. Im schlimmsten Fall schädigt zu viel Wasser an der falschen Stelle die Bausubstanz. Wichtig ist in jedem Fall eine regelmäßige Reinigung von Abflüssen und Rinnen.
Treppen überprüfen
Treppen stellen eine besondere Gefahr dar. Überprüfen Sie sie daher regelmäßig auf ihre Sicherheit. Die Kontrolle umfasst sowohl die Handläufe als auch die Stufen. Reparieren Sie beschädigte oder lockere Stufen umgehend, um Stürze zu vermeiden.
Spielgeräte auf dem Grundstück checken
Auch Spielgeräte, wie eine Schaukel und ein Klettergerüst bedürfen der regelmäßigen Kontrolle. Überprüfen Sie, ob Beschädigungen vorliegen. Die Stabilität hat dabei oberste Priorität.
Beleuchtung von Wegen und Eingangsbereichen
Eine ausreichende Beleuchtung von Wegen und Eingangsbereichen ist entscheidend, um Unfälle in der Dunkelheit zu vermeiden. Jeder Eigentümer sollte sicherstellen, dass alle Leuchten funktionsfähig sind und bei Bedarf ausgetauscht werden.
Bewegungsmelder können eine sinnvolle Ergänzung sein, um Energie zu sparen und dennoch Sicherheit zu gewährleisten.
Verkehrssicherungspflichten auf Mieter übertragen: Ist es möglich?
Vermieten Sie eine Ihnen gehörende Immobilie, so können bestimmte Verkehrssicherungspflichten auf Mieter übertragen werden. Das muss jedoch im Mietvertrag eindeutig geregelt werden.
Typische Übertragungen betreffen die Schneeräumpflicht und die Reinigung von Gehwegen. Als Eigentümer sind Sie weiterhin verpflichtet, die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Pflichten zu überwachen. Bei Verletzung der Pflichten durch den Mieter kann der Eigentümer dennoch haftbar gemacht werden, wenn er seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist. Dies ist ein Fall des Organisationsverschuldens.
Risikoabwägung: Gibt es passende Versicherungen?
Um sich gegen die finanziellen Folgen von Unfällen auf dem eigenen Grundstück abzusichern, sollten Eigentümer eine Haftpflichtversicherung abschließen. Diese deckt Schäden ab, die durch Verletzung der Verkehrssicherungspflicht entstehen. Der Schutz ist für Immobilieneigentümer, die ihre Immobilien selbst bewohnen, sowie Mieter ausreichend.
Bei vermietetem Wohnraum benötigen Sie hingegen eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung, um eine Haftung wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ausschließen zu können.