Meine 10-jährige Tochter kocht selbst und organisiert ihre Freizeit – ich bin zugleich stolz und besorgt

Unsere Autorin hat ein enges Verhältnis zu ihrer Tochter, doch hat Sorgen, dass sie zu kurz kommt. - Copyright: Courtesy of Claire McMurray
Unsere Autorin hat ein enges Verhältnis zu ihrer Tochter, doch hat Sorgen, dass sie zu kurz kommt. - Copyright: Courtesy of Claire McMurray

Mit gerade mal zehn Jahren ist meine älteste Tochter bemerkenswert selbstständig. Frühstück und Mittagessen bereitet sie sich selbst zu. Sie organisiert ihre Tage und beschäftigt sich selbst, damit ihr nicht langweilig wird.

Vor ihren Schulferien, an Feiertagen oder im Sommer mache ich mir keine Sorgen darüber, dass sie in ein Loch fällt, denn sie weiß immer selbst, was für sie am besten ist. Ich wünschte nur, all das wäre freiwillig.

Die Krankheit meiner jüngsten Tochter verlangt uns viel Aufmerksamkeit ab – unsere Älteste kommt da oft zu kurz

Stattdessen ist meine Älteste nur so selbstständig, weil ihr keine andere Wahl bleibt. Das liegt an unserer Familiensituation: Meine sechsjährige Tochter hat eine seltene fortschreitende Erkrankung, das Rett-Syndrom.

Sie hat ihre Fähigkeit zu sprechen, die Motorik ihrer Hände, zu einem Großteil auch ihren Schluckreflex verloren. Darum bewegt sie sich in einem Rollstuhl, kommuniziert mithilfe eines Sprachcomputers und ernährt sich über eine Sonde.

Mein Mann und ich teilen uns Aufgaben wie das Zubereiten der Mahlzeiten, dem Vorbereiten von Medikamenten, der Koordination von Helfenden im Haushalt. Zusammen gehen wir gegen die Versicherung vor, wenn sie Anträge ablehnt, und fahren unsere Tochter zu den Ärztinnen und Ärzten.

Wenn meine Jüngste mal nicht in der Schule ist, die Haushaltshilfen ihre Schichten absagen oder sie krank wird, intensivieren mein Mann und ich unseren Einsatz. Vor allem im Winter ist unser Kind aufgrund ihres geschwächten Immunsystems lange krank.

Leider bleibt dadurch wenig Zeit für meine älteste Tochter.

Unsere Tochter ist ein Hoffnungsschimmer

Ich gebe mir viel Mühe, die grundlegendsten Dinge mit ihr zu tun. Aber oft scheitere ich darin, ihre Verabredungen zu koordinieren, sie zu ihrem Freizeitprogramm zu bringen oder sie zu beschäftigen. Vielmehr spielt meine Älteste eine unverzichtbare Rolle in unserem Haushalt. Sie besorgt Vorräte, hilft bei der Ernährung ihrer Schwester und bedient die Rollstuhlrampe unseres Wagens.

Es klingt, als verzichte meine Älteste auf Vieles. Aber wenn es um die Erkrankung ihrer Schwester geht, ist sie einer der größten Hoffnungsschimmer.

Während die Altersgenossen meiner ältesten Tochter von einer Aktivität zur nächsten gebracht werden, an Tablets kleben oder sich langweilen, kann sie ihre Zeit selbst gestalten. Ist sie nicht in der Schule, spielt sie mit Nachbarskindern draußen. Wenn das Wetter sie drinnen hält, liest sie, werkelt an Kunstprojekten herum oder schreibt Geschichten und Gedichte.

Momente zu zweit sind selten, aber sie geben uns Kraft

Natürlich verbringe ich Zeit mit meiner ältesten Tochter – aber nicht so, wie ich es mir als junge Mutter vorgestellt hatte. Selten teilen wir gemeinsame Momente, und diese erfordern eine gute Planung. Gleichzeitig sind diese Momente kostbar und besonders schön.

Wann immer es meiner Kleinen gut geht und Helfende im Haushalt sind oder mein Mann sich um sie kümmert, planen meine Älteste und ich Aktivitäten zusammen.

Manchmal gebe ich ihr eine Kochstunde, und sie entscheidet, was wir essen. Andere Male verbringen wir eine Nacht in einem Hotel oder veranstalten eine "Spa-Nacht", in der wir unsere Nägel lackieren und Spiele spielen.

Wir freuen uns auf diese Zeitfenster, in denen wir lachen, reden und Mahlzeiten ohne Stress oder Unterbrechung teilen.

Dieses Leben stärkt unsere Familie

Manchmal sorge ich mich, dass es meine Älteste eines Tages einholen wird, dass sie aufgrund der Gegebenheiten weniger Engagement außerhalb des Unterrichts vorweisen kann. Vor allem Studienbewerberinnen und -bewerber in den USA, wo wir leben, müssen möglichst viele Ehrenämter oder sportliche Auszeichnungen vorweisen. Doch meine Tochter wird nicht mit Sport, Sprachunterricht, außerschulischen Aktivitäten oder freiwilliger Arbeit glänzen können.

Wenn ich mich jedoch schuldig fühle, erinnere ich mich daran, dass sie dafür eine Menge kann, was sie im Leben weiterbringt — Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität und Mitgefühl.

Obwohl dies nicht das Leben ist, das ich für meine Familie gewählt hätte, sind wir alle stärker und weiser dadurch geworden. Meine älteste Tochter ist ein perfektes Beispiel.

Sie zappelt nicht im Wartezimmer des Arztes, auch wenn sie kein Telefon oder Tablet hat. Sie begegnet anderen Menschen aufmerksam. Meine Tochter öffnet anderen die Türen, steht für ihre Schwester ein und akzeptiert es auch ruhig, wenn ihre Pläne in letzter Minute geändert werden.

Ich könnte nicht stolzer auf den Menschen sein, zu dem sie sich entwickelt.

Lest den Originalartikel auf Business Insider.