100 Jahre Neue Sachlichkeit: Diese 5 wegweisenden Künstlerinnen feiern wir jetzt!

Zum Jahrhundertjubiläum der Kunstströmung „Neue Sachlichkeit“ in der Kunsthalle Mannheim, ist auch Lotte Laserstein mit „Russisches Mädchen mit Puderdose“ von 1928 vertreten.

Zum Jahrhundertjubiläum der Kunstströmung „Neue Sachlichkeit“ in der Kunsthalle Mannheim ist auch Lotte Laserstein mit „Russisches Mädchen mit Puderdose“ von 1928 vertreten

VG Bild-Kunst, Bonn 2024, bpk / Städel Museum

Vor 100 Jahren wurde in Mannheim der Kunstbegriff „Neue Sachlichkeit“ erfunden – dank einer Ausstellung von Werken, die den Expressionismus ablösen und sich zu einer der berühmtesten Kunstströmungen in Deutschland entwickeln sollten. Gemalt von großen Künstlern der 1920er Jahre, wie Christian Schad oder Otto Dix, George Grosz, Franz Radziwill und Max Beckmann.Sie alle versuchten mit realistischen, präzisen Pinselstrichen auf die sozialen Missstände der 1920er Jahre aufmerksam zu machen, auf politische Korruption und die Folgen des Ersten Weltkriegs – als schonungslose Analyse der Gesellschaft und ihrer Probleme.

Die Ausstellung damals huldigte ihr Schaffen. Vergaß aber die Frauen! Obgleich zahlreiche Künstlerinnen, wie Jeanne Mammen, Hannah Höch oder Lotte Laserstein es ihnen gleich taten. Aber nicht eine Einzige war in der Ausstellung damals zu sehen …

Warum wurden die Künstlerinnen vor 100 Jahren noch nicht ausgestellt?

Es gibt mehrere Gründe, warum Frauen in dieser und anderen bedeutenden Kunstausstellungen oft unterrepräsentiert waren. Zum einen war die Kunstwelt der 1920er-Jahre klar männlich dominiert und Frauen hatten oft weniger Zugang zu Ausbildung, Netzwerken und Ausstellungsmöglichkeiten. Frauen waren als Ehefrauen und Mütter voll ausgelastet. Für eine Karriere als Künstlerinnen blieb weder Zeit noch Geld. Obwohl gerade in den 1920ern der Männer-Mangel nach dem Ersten Weltkrieg besonders hoch war und Frauen mehr Freiheiten bekamen. Auch beruflich. Doch in der Wahrnehmung änderte das nicht viel. Stattdessen wurden Werke von Künstlerinnen einfach nicht mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Wertschätzung betrachtet wie die ihrer männlichen Kollegen. Das hatte Folgen für alle Ausstellungen, denn die Werkauswahl wurde von männlichen Kuratoren und Kunsthistorikern getroffen. Und sie alle hatten ihre Vorurteile gegenüber weiblicher Kunst.

100 Jahre später zeigt die Kunsthalle Mannheim nun auch die Frauen. Wenngleich es nicht so viele sind wie ihre männlichen Kollegen. Aber sie bekommen endlich den Platz, den sie verdienen.

Diese 5 Künstlerinnen der „Neuen Sachlichkeit“ sollten Sie kennen:

1. Jeanne Mammen

Sie wurde 1890 in eine wohlhabende Berliner Familie geboren, erhielt eine umfassende Kunst-Ausbildung in Paris, Brüssel und Rom, was ihre künstlerische Entwicklung nachhaltig prägte. Trotzdem blieb sie Berlin immer treu und ist bis heute für ihre Szenen aus dem Nachtleben bekannt. Ihre Arbeiten sind oft von einem scharfen sozialen Kommentar geprägt und zeigen eine Mischung aus Realismus und Karikatur. Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf sie überwiegend abstrakte Werke.

2. Hannah Höch 

Siewurde 1889 in Gotha geboren, studierte Kunst in Berlin und schloss sich zunächst den Dadaisten an. Erst in den 1920ern begann sie mit ihren berühmten Fotomontagen, die die Gesellschaft kritisch hinterfragten. In der NS-Zeit gelang ihr auch der Durchbruch in den USA, sie blieb aber in Berlin und starb dort 1976.

3. Lotte Laserstein

Geboren 1898 in Preußisch Holland, studierte ebenfalls in Berlin und machte sich in der Weimarer Republik einen Namen. Ihre Werke sind sensibel, plakativ und ausdrucksstark und widmen sich überwiegend der modernen Frau in den 1920ern. Als Jüdin floh Lotte Laserstein 1937 nach Schweden, wo sie trotz anfänglicher Schwierigkeiten ihre künstlerische Arbeit fortsetzte und Anerkennung fand. 1993 starb sie im schwedischen Kalmar. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde ihr Werk wiederentdeckt und gewürdigt. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Porträtistinnen des 20. Jahrhunderts.

4. Anita Rée 

Sie wurde1885 in Hamburg geboren und stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Sie studierte in Hamburg und verbrachte in den 1910er-Jahren einige Zeit in Paris, wo sie sich beispielsweise von Paul Cézanne inspirieren ließ. Zurück in Hamburg widmete sie sich Porträts, mit psychologischer Tiefe, sowie Landschaften und Stillleben. Die Nazis verschlechterten ihre Lebensbedingungen. Anita Rée zog sich auf die Insel Sylt zurück und nahm sich im Dezember 1933 das Leben. Ihr Werk wurde vergessen und erst vor wenigen Jahrzehnten wiederentdeckt. Heute gilt sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Zeit.

5. Hanna Nagel 

Sie wurde 1907 in Heidelberg geboren, studierte in Baden und zog nach Berlin – ins Zentrum der Kunst zu dieser Zeit. Ihre bekanntesten Werke entstanden: sozialkritisch, karikierend und mit beeindruckender Strahlkraft. In der NS-Zeit verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit Buch-Illustrationen. Von Tschechow über du Maurier bis hin zu Kinderbüchern. 1963 verlor sie ihre linke Hand und musste mit rechts weiter malen. Ihr Werk ist bis heute wenig bekannt.