Achtung, so erkennen Sie eine toxische Beziehung

Achtung, so erkennen Sie eine toxische Beziehung

Statt nur Augen füreinander zu haben, ständig weiter auf der Suche sein? Toxische Beziehungen erkennen wir jetzt SO

Pexels, ROMAN ODINTSOV

Die Bezeichnung „toxische Beziehung“ wird heutzutage fast so inflationär verwendet, wie die Gen Z mit dem Wort Slay um sich wirft. Alle sind scheinbar zu Hobby-Psychologen mutiert und meinen von außen zu erkennen, was in anderen Beziehungen so falsch läuft. Vor allem mit TikTok als eine DER Informationsquellen für viele junge Leute, verbreiten sich Bezeichnungen wie diese rasend schnell, ohne dass die meisten wissen, was hier eigentlich dahintersteckt. Ist eine Partnerschaft wirklich toxisch, nur weil er oder sie mir fünf Stunden nicht geantwortet hat? Nein, Pascal, ich denke nicht. Welche Verhaltensmuster müssen also stattdessen vorliegen, um in diese Kategorie zu fallen? Wir schauen uns das Ganze jetzt genauer an.

Den Begriff unter die Lupe nehmen: Was heißt eigentlich toxisch?

Der Begriff „toxisch“ leitet sich vom lateinischen „toxicum“ ab, was Gift bedeutet, und letztlich von dem griechischen Wort „toxikon“ (ebenfalls für Gift) kommt. Ursprünglich bezog sich „toxikon“ auf das Gift, das bei den alten Griechen auf Pfeilspitzen aufgetragen wurde, um ihre Wirkung zu verstärken. Der Begriff entwickelte sich über die Jahrhunderte und bezeichnet heute alles, das schädliche oder giftige Effekte aufweist.

In der modernen Sprache beschreibt „toxisch“ neben biologischen oder chemischen Giften zunehmend auch Verhaltensweisen, Beziehungen oder Einstellungen, die psychisch oder emotional belastend und schädlich sind. Womit wir beim Thema wären, denn in Bezug auf romantische Beziehungen fallen hierunter solche, die von emotionaler Gewalt geprägt sind. Psychologen und Psychologinnen fassen das Ganze hingegen übrigens eher unter dem Term dysfunktionale Partnerschaft zusammen, das ist trennschärfer und weniger schwammig.

Woran genau erkenne ich eine toxische Beziehung denn jetzt? Das sind 6 Anzeichen und Merkmale

Natürlich lässt sich nur mithilfe dieser Selbstdiagnose nicht eindeutig einordnen, ob es sich im eigenen Fall wirklich um ein toxisches Miteinander handelt, aber diese sechs Muster, können als erste Anzeichen dienen:

1. Lovebombing

Auch hier handelt es sich um eine Bezeichnung, die uns online im Kontext von Beziehungen schon des Öfteren begegnet ist. Wie der Name sinnbildlich zeigt, liegt bei toxischen Beziehungen zu Beginn nämlich ein deutliches Übermaß an Aufmerksamkeit und Zuneigung vor. Eine Person überschüttet sein Gegenüber regelrecht mit Komplimenten und Bestätigung und vermittelt ihm so ein Gefühl von Sicherheit. Wer also anfangs auffallend viele Geschenke, Schmeicheleien und schöne Worte wahrnimmt, sodass es schon beinahe sarkastisch scheint, sollte hier etwas vorsichtiger sein.

2. Plötzlicher Umschwung

Genau das Gegenteil zum vorherigen Lovebombing findet in toxischen Beziehungen anschließend aus dem Nichts statt, wenn auf übermäßige Zuneigung auf einmal Kälte und Distanz folgen. Das löst bei der betroffenen Person natürlich (berechtigterweise) Verwirrung aus, so schien doch einen Tag zuvor alles noch ganz anders. Das Ganze kann sogar so weit gehen, dass die handelnde Person regelrecht abwertend und beleidigend wird – meist um das eigene Ego dadurch aufzuwerten.

3. Manipulation

Wer dieses Verhaltensmuster bei sich vorfindet, sollte aufpassen, denn manipulative Spielchen sind definitiv ein Zeichen einer dysfunktionalen Beziehung. Hierunter fallen unter anderem bewusstes Ignorieren oder Gaslighting. Letzteres beschreibt die manipulative Taktik, bei der eine Person eine andere gezielt an ihrer Wahrnehmung der Realität zweifeln lässt, um Kontrolle über sie zu gewinnen.  Ein Beispiel hierfür ist, wenn eine Person immer wieder hört, dass sie „überempfindlich“ sei, obwohl sie berechtigte Kritik oder Gefühle äußert. Der Partner oder die Partnerin könnte etwa auf Probleme in der Beziehung abwehrend reagieren und sagen, „Du bildest dir das nur ein“ oder „Du übertreibst mal wieder.“ Dies führt dazu, dass die Person mit der Zeit beginnt, ihre eigenen Wahrnehmungen infrage zu stellen und an sich selbst zu zweifeln. Durch diese wiederholten Aussagen verliert sie das Vertrauen in ihre Gefühle und Wahrnehmungen, obwohl diese real und berechtigt sind.

4. Machtdemonstration und Spielchen

Meist findet dieser Prozess eher unterbewusst statt und die agierende Person setzt solche Strategien nicht absichtlich in der Partnerschaft ein. Wenn eine Person jedoch konstant im Unklaren über den Gefühlszustand des jeweils anderen ist, entsteht so ein Macht-Ungleichgewicht. Eine Seite weiß sich in Sicherheit, schließlich bekundet Person A ihre Gefühle aufrichtig, Person B drückt sich hier jedoch lediglich schwammig aus und macht nie konkrete Aussagen, sodass sich A in einem dauerhaften Unterwürfigkeits- und Abhängigkeits-Verhältnis findet.

5. Rückzug (heutzutage: Ghosting)

Wie so oft sind tief in uns verankerte Bindungsängste maßgeblich verantwortlich für diesen Aspekt. Wird es nämlich plötzlich zu ernst, zieht man sich aus dem Nichts zurück und sorgt damit für viel mehr Chaos. Vor allem, wenn dieses Verhalten kommentarlos erfolgt, kann es die andere Person sehr verletzen, schließlich stellen sich auf einmal tausend Fragen auf.

6. Körperliche Gewalt

Während die bisherigen Anzeichen sich auf emotionale und psychische Gewalt bezogen, ist das Auftreten von Körperlichkeiten natürlich auch ein eindeutiges Anzeichen einer toxischen Beziehung. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland bei 250.000 – und das sind nur die bekannten Fälle. Betroffen sind hier zu 70,5 Prozent Frauen und fast alle Altersklassen.

So sollte es sein:

Vorsicht mit der Bezeichnung: Deshalb ist das Konzept so umstritten

Viele tun sich mit dem Begriff toxisch zur Beschreibung der Partnerschaft schwer, so impliziert er sofort etwas Schädliches, das irreparabel ist, sofern einmal vorhanden. Dabei lassen sich viele der Züge, die zum Teil hierunter fallen, auch reparieren und behandeln, weshalb in der Psychologie meist eher von dysfunktionalen Beziehungen die Rede ist. Mithilfe von Kommunikation, Paartherapie oder Selbst-Erkenntnis lassen sich so manche Probleme auch langfristig beheben.

Sie brauchen Hilfe? Die finden Sie hier:

  • Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen": 116 016

  • Hilfetelefon „Gewalt an Männern“: 0800/1239900 (Mo-Do 8-20; Fr 8-15)

  • Telefon-Seelsorge: 0800 1110111 oder 0800 1110222