Alkoholverzicht: Ich trinke seit 2 Jahren kaum Alkohol – warum es mir damit besser denn je geht

So geht unserer Autorin nach zwei Jahren Alkoholverzicht

Unsere Autorin trinkt seit zwei Jahren keinen bis kaum Alkohol – das hat sie zu ihrem Alkoholverzicht bewegt und so geht es ihr heute

Getty Images, George Marks

Nach all den feuchtfröhlichen Festivitäten im Dezember ist es en vogue, im Januar einen sogenannten „Dry January“ einzulegen – also einen Monat bewusst auf Alkohol zu verzichten. Ich werde kein Teil dieses Trends sein, denn: Ich trinke seit über zwei Jahren kaum bis keinen Alkohol mehr. Diese Entwicklung hätte ich noch vor ein paar Jahren für absolut unmöglich und spaßbefreit gehalten. Alkohol gehörte untrennbar zu meinem Leben, ob beim Feiern im Club, während stundenlanger Barbesuche, beim Daten oder beim Dinieren im Restaurant. Ich trank gerne ein Glas mehr als zu wenig und hatte in meinen Zwanzigern unzählige Hangover, die mal lustig und meistens bedenklich waren.

Es brauchte einen mit einer Alkoholvergiftung endenden Wiesnbesuch im Jahr 2022, um meinen Alkoholkonsum zu realisieren, verstehen und nachhaltig zu verändern (hier habe ich darüber bereits geschrieben). Warum es mir auch nach zwei Jahren ohne Alkohol besser denn je geht und was für mich wesentlich war, um mein Trinkverhalten ändern zu können, erfahren Sie nachfolgend.

Eher mehr als zu wenig: mein Trinkverhalten der vergangenen Jahre

Ich habe Drinks geliebt und ungefähr nie nach einem Glas gesagt, dass es mir reicht. Genug war für mich dann, wenn ich ziemlich betrunken war, dann empfand ich mich als die unterhaltsamste und coolste Version meiner selbst. Heute macht mich diese einstige Annahme traurig. Ich war vielleicht keine Alkoholikerin im klassischen Sinne, aber ich habe Alkohol missbraucht, um meine Emotionen zu regulieren. Um gelassener zu sein zum Beispiel, oder vermeintlich besser gelaunt und um mich selbstbewusster zu fühlen. Das weiß ich heute ganz klar, damals war mir das nicht bewusst. Meinen Alkoholkonsum habe ich lange damit rechtfertigt, dass ich ja wohl das Recht auf eine gute Zeit habe und mein Leben genießen möchte.

In Wahrheit habe ich mein Leben damals ganz oft nicht genossen. Wenn ich beispielsweise verkatert im Bett lag, kam ich mir absolut nicht mehr so toll wie am Abend zuvor vor und wenn ich nach dem Feiern im Morgengrauen nach Hause spaziert bin, fühlte ich mich mehr als einmal maximal einsam. Der Moment nach dem ersten Drink war allerdings stets der Hit. Wenn sich ein leichter Rausch bemerkbar machte, meine Gedanken sich endlich entspannten und ich wusste, an diesem Abend ist alles möglich. Oft war es das auch, ich hatte wirklich großartige Partynächte. Und dennoch gab es meist einen Punkt, an dem es genug gewesen wäre. An dem ich mit dem Trinken hätte aufhören sollen, aber lieber noch Shots für mich und meine Begleiter*innen bestellt habe. Daydrinking fand ich jahrelang ebenfalls superlustig und normal, was sind schon ein Aperol hier und ein Vino da?!

Alkoholverzicht: Was mir geholfen hat

Um meinen Konsum wirklich zu reflektieren und nachhaltig zu verändern, musste ich erst ziemlich tief fallen. Ich habe mich wahrscheinlich für wenig so sehr geschämt wie für die Tatsache, dass ich mit 32 Jahren nach einem Oktoberfestbesuch im Krankenhaus und nicht zuhause aufgewacht bin. Daraufhin habe ich angefangen, über mein Trinkverhalten ehrlich nachzudenken. Dass ich mir gegenüber aufrichtig war und nichts beschönigt habe, war elementar, um zu verstehen, warum ich seit jeher so viel getrunken habe, wenn ich unterwegs war. Gar nichts mehr zu trinken, fiel mir anfangs schwer. Ich dachte öfter mal an Alkohol und es gab Momente, in denen ich gern einen Drink zu mir genommen hätte. Zunächst erklärte ich mich gegenüber jedem, der mir einen Drink angeboten habe, und den ich „enttäuschen“ musste. Das passiert mir bis heute – wobei es heute erleichtert, dass mein Umfeld weiß, dass ich nur noch selten trinke.

In den ersten Monaten nach meinem Absturz habe ich keinen Tropfen Alkohol getrunken. Daraufhin war ich nicht mehr ganz so streng und habe ab und an wieder etwas getrunken. Bis heute trinke ich nur dann, wenn es mir mental gut geht und ich Alkohol nicht dazu verwenden möchte, um mich besser fühlen. Ich trinke meistens ein Glas oder maximal zwei und pausiere danach wieder für ein paar Wochen. Mir ist wichtig, dass meine Gedanken klar bleiben, ich möchte mich nicht mehr betrunken fühlen. Hier bin ich sehr sensibel geworden. Auch weil ich mittlerweile weiß, wie negativ sich ein Kater nicht nur auf meinen Körper, sondern vor allem auf meine Psyche auswirkt.

Warum es mir ohne Alkohol besser denn je geht

Was die Vorteile von einem alkoholfreien Leben sind, kann man ungefähr überall nachlesen. Dennoch haben mich diese Argumente nie wirklich überzeugt. So viel trinke ich doch gar nicht, zumindest nicht mehr als die anderen, sagte ich mir oft. Heute weiß ich es besser und habe an mir selbst bemerkt, wie stark sich mein Nicht-Trinken auf meinen Körper und Geist auswirkt – und wie positiv das wiederum meinen Alltag beeinflusst:

  • Mein Schlaf ist tiefer und ich bin morgens in der Regel erholter denn je.

  • Ich habe den Eindruck, dass mein Gehirn besser funktioniert. Ich kann mich bestens fokussieren und habe eine sehr klare Erinnerung. Selbst an Ereignisse, die weit in der Vergangenheit liegen.

  • Insgesamt fühle ich mich ausgeglichener und mehr bei mir. Ich habe längst nicht mehr das Gefühl, dass ich besser kommunizieren kann, wenn ich ein, zwei Gläser Wein getrunken habe. Im Gegenteil.

  • All meine Gefühle fühle ich unverfälscht so, wie sie sind. Ich betäube sie nicht mehr oder intensiviere sie, sondern ich erlebe sie so, wie sie sind. Das empfinde ich als wahnsinnig befreiend und selbstwirksam.

  • Ich muss mich an keinem Morgen danach mehr fragen, ob ich mich alkoholbedingt unangenehm verhalten habe, und ich kann kaum in Worte fassen, wie großartig sich das anfühlt!

Wie sich meine Sicht auf Alkohol verändert hat

Nachdem ich aufgehört habe zu trinken, habe ich Alkohol eine Weile fast schon verteufelt und mich schlecht gefühlt, wenn ich ausnahmsweise doch mal ein Glas getrunken habe. Inzwischen sehe ich das entspannter. Einfach, weil Alkohol für mich keine größere Rolle mehr spielt. Alles, was ich einst damit verbunden habe, verbinde ich nicht mehr damit. Eine längere Zeit der Abstinenz war wichtig, um an diesen Punkt zu gelangen und das Trinken von Gefühlen, die ich lange damit assoziiert habe, zu entkoppeln.

Ich trinke heute nur noch, was mir schmeckt, und keine Spirituosen mehr. Wenn ich Alkohol trinke, genieße ich das, aber es verändert nicht mehr, wie ich mich fühle. Ich schätze mich heutzutage endlich und weiß, dass ich genüge – und keinen Drink mehr brauche, der mir das beweist.