Artist To Watch: María Berrío
Der Künstlerin María Berrío bei der Entstehung ihrer Collagen zuzusehen, hat eine meditative Wirkung. Berrío reißt verschiedenfarbige Washi-Papierstücke zurecht, die sie auf großformatiges Leinen klebt und mit Aquarellfarbe bemalt. Das Papier bringt sie genau dort an, wo es seinen Sinn erfüllt. Vorher hat sie auf den Untergrund eine Ansammlung von Personen skizziert. Jedes Stück Papier scheint seinen Platz zu haben. Während María Berrío sorgfältig Papierstücke auf den Untergrund klebt, um sie danach zu übermalen, wirkt sie wie eine Puppenmacherin, die ihrer Kreation Schritt für Schritt Leben einhaucht. Die in Brooklyn ansässige Künstlerin schafft großformatige Arbeiten, Mischformen aus Gemälde und Collage, die, wenn sie einmal fertig sind, ganz und gar nicht mehr meditativ und ruhig wirken. Im Gegenteil: voll, wuselig, chaotisch, verwirrend und surreal, folkloristisch.
Frauen und Kinder haben eine zentrale Bedeutung
Die 1982 in Bogotá, Kolumbien, geborene Künstlerin befasst sich mit zeitgenössischen Themen: Identität, Überleben, Migration. Im Fokus stehen dabei stets Frauen und Kinder. Berrío ist selbst Mutter eines Sohnes und setzt sich viel mit dem Thema Mutterschaft auseinander. Ein Teil der Geschöpfe ihrer Bilder wirkt meist unantastbar, der andere Teil der Figuren scheint fremdgesteuert und machtlos. María Berríos Kunst passt zum Zeitgeist. Ihre Arbeiten befinden sich in den permanenten Sammlungen großer Museen, zum Beispiel in der des Whitney Museum of American Art. Ihre Galerie Victoria Miro widmet ihr eine Solo-Ausstellung in London: „The End Of Ritual“. Und auf der Art Basel in Miami zeigt die große Galerie Hauser & Wirth, die sie jetzt ebenfalls vertritt, ihre Arbeit „Distant God and Aging Suns“.
María Berrío bringt das Chaos der Welt auf Papier
In einem Interview mit Artnet, das María Berrío kurz vor der Eröffnung ihrer Solo-Show in der Londoner Galerie gab, sagte sie: „Es hat sich angefühlt, als hätte ich innerhalb der letzten Jahre eine Welt konstruiert. Verschiedene Charaktere sind in meine Arbeit gekommen.“ Mit ihren Collage-Gemälden versucht die in Brooklyn lebende Künstlerin, das aktuelle Gefühl der Welt – das für sie einer überstimulierten Erschöpfung gleicht – einzufangen. Auch politische Unruhen in ihrer Wahlheimat Amerika inspirieren sie zu ihrer Arbeit.
In einer hyper-individualisierten Welt hinterfragt María Berrío die Bedeutung von Ritualen und Gemeinschaft. Viele ihrer Kreaturen tragen Masken, ein Thema, das sie immer wieder aufgreift. Dadurch wirken die Bilder wie Szenen eines Traums. Nachts träumt María Berrío tatsächlich oft von ihren Bildern.
Über das Leben der Künstlerin
Ihre Kindheit in Bogotá beschreibt María Berrío als von politischen Unruhen geprägt, sodass sie und ihre Geschwister nicht viel Freiheit hatten. Die Eltern besaßen jedoch auch eine Farm außerhalb der Stadt, inmitten der Berge, wo es – so erzählte sie einmal in einem Interview auf der Plattform „Gossamer“ – etwas friedvoller war. Sie bauten dort ihr eigenes Gemüse an, besaßen Schafe, Kühe und bestimmt 20 Hunde. Sie konnte sich frei in der Natur bewegen. „Es war wundervoll“, sagt sie. Ihr Wunsch war es immer, in New York zu leben, was ihr auch geglückt ist. Sie studierte an der Parsons School of Design und an der School of Visual Arts, wo sie erst mit Kohle und Malerei experimentierte, bis sie japanisches Papier entdeckte und mit den Collagen begann, für die sie heute bekannt ist. Das Washi-Papier kauft sie bei einem Familienbetrieb in Osaka ein.
„The End Of Ritual“: María Berrío und Contemporary Dance-Einflüsse
Die Ausstellung „The End Of Ritual“ zeigt aktuell ihre jüngsten Arbeiten, die teils aus einer besonderen Kooperation entstanden sind: María Berrío arbeitete zum ersten Mal mit der New Yorker Contemporary Dance Company Gallim zusammen. Sie stattete die Tänzer*innen mit ihren eigenen Masken und Kostümen aus und ließ sie passend dazu Tanz improvisieren. Diese Bilder ließ sie in ihre Arbeiten einfließen. Die Ausstellung „The End Of Ritual“ ist noch bis zum 18. Januar 2025 in der Galerie Victoria Miro in London zu sehen.