Beauty weltweit: Kosmetik ist in Deutschland seit zehn Jahren tierversuchsfrei, oder?

Mäuse werden am häufigsten verwendet - gefolgt von Ratten und Fischen. Im Gesamtkontext werden Tests an Hunden, Katzen oder Affen sehr selten durchgeführt. Foto: Symbolbild / gettyimages / filo
Mäuse werden am häufigsten verwendet - gefolgt von Ratten und Fischen. Im Gesamtkontext werden Tests an Hunden, Katzen oder Affen sehr selten durchgeführt. Foto: Symbolbild / gettyimages / filo

Seit Jahrzehnten arbeiten sich Wissenschaftler und Tierschützer aneinander ab, wenn es um das Thema Tierversuche geht. Die Wissenschaft hält die Tests für unerlässlich, will man sichergehen, dass keine Risiken und Gefahren für den Menschen entstehen, Tierschützer dagegen sehen sie als antiquiert an und halten sie für unzumutbar.

Für die Entwicklung von Kosmetika sind Tierversuche seit ziemlich genau zehn Jahren verboten – europaweit. Dieses „Jubiläum“ gibt Anlass, einen prüfenden Blick zu wagen: Sorgt dieses Verbot auch tatsächlich dafür, dass keine Cremes und Shampoos in den deutschen Handel gelangen, die an Tieren getestet wurden?

Zunächst, um warm zu werden, ein genereller Überblick: Tierversuche finden auch heute noch Anwendung in zahlreichen Forschungsgebieten. Von der Entwicklung neuer Medizin bis hinein in die Toxikologie – dort wird überprüft, ob ein Mittel bei der Anwendung giftig ist. Vor allem in der Grundlagenforschung sind Versuchstiere bislang unverzichtbar, um schon möglichst früh im Entwicklungsstadium eines neuen Präparats eine potenzielle Wirksamkeit nachzuweisen. Im Jahr 2017 entfielen deshalb allein auf die Grundlagenforschung die Hälfte der knapp drei Millionen Tiere, die in Deutschland „eingesetzt“ wurden. Darunter vor allem Mäuse, Ratten und Fische, so schreibt es „Bento“.

Lange Liste von Gesetzesänderungen seit 1986

Lange Zeit wurden hierzulande auch kosmetische Produkte vor ihrer Zulassung an Tieren erprobt. Doch seit einer Richtlinie der Europäischen Union vor zehn Jahren müssen Kosmetik-Hersteller bei der Forschung und Entwicklung neuer Produkte vollständig auf Tierversuche verzichten. In Deutschland findet diese Richtlinie im Tierschutzgesetz Anwendung.

In der Entwicklung des Tierschutzgesetzes lässt sich dabei sehr gut ablesen, was für ein Umdenken in Deutschland schon vor Jahrzehnten beim Thema Tierversuche eingesetzt hat. Es folgen die wichtigsten Gesetzesänderungen:

Seit dem Jahr 1986 verbietet das Tierschutzgesetz Tierversuche für die Entwicklung „dekorativer“ Kosmetika, dazu gehören etwa Lippenstifte oder Kajal. Zwölf Jahre später wurde das Gesetz erweitert: Seither verbietet es auch Tierversuche für die Entwicklung „pflegender“ Kosmetika, das sind Duschgele oder Cremes. Seit 2004 dürfen Kosmetika generell nicht mehr an Tieren getestet werden, seit 2009 dürfen selbst Inhaltsstoffe und Kombinationen daraus, die für Kosmetika gedacht sind, nicht mehr in Tierversuchen erprobet werden. Seit sechs Jahren dürfen Kosmetika, die an Tieren getestet wurden, nicht mehr in die EU importiert oder dort verkauft werden, seit drei Jahren ist in er EU selbst die Datennutzung, die bei Tierversuchen für Kosmetika außerhalb erhoben wurden, verboten.

„Cruelty Free“ – das Siegel für den Verbraucher

Und doch gibt es Kosmetika auf dem deutschen Markt, die Inhaltsstoffe in sich tragen, die an Tieren getestet wurden. Wieso? Aufgrund einer Sonderregelung, die der Interessenverband „Tierversuche verstehen“ der deutschen Wissenschaft wie folgt beschreibt: „Chemische Stoffe, die beispielsweise in Arzneimitteln oder in der chemischen Industrie eingesetzt werden, müssen die Anforderungen des europäischen Chemikalienrechts ‚Reach‘ erfüllen.“ Und für Reach seien Tierversuche zur Sicherheitsprüfung unumgänglich. Einige der Chemikalien, die unter das Chemikalienrecht fielen, könnten zusätzlich als Inhaltsstoffe für Kosmetikprodukte dienen.

Das heißt im Umkehrschluss: Zwar dürfen kosmetische Produkte nicht an Tieren getestet werden, das gilt aber nicht für Inhaltsstoffe, die auch Nicht-Kosmetika beigemischt werden.

„Reach“ wird daher von der Tierschutzorganisation „Peta“ als „Schlupfloch für Kosmetikversuche“ bezeichnet. Peta geht seit Jahren gegen Reach vor, mit internationalen Petitionen und Aufklärungskampagnen, versucht die Organisation politischen Druck auf die europäische Gesetzgebung auszuüben. Bislang erfolglos. Zeitgleich hat Peta eine lange Liste erstellt – sie beinhaltet ausschließlich Kosmetika ohne Tierversuche, die „cruelty free“ ist.

Der Zweck: Wenn schon nicht der politische Druck auf die Kosmetik-Produzenten steigt, dann doch der ökonomische. Peta möchte durch informierte Kaufentscheidungen der Konsumenten ein Umdenken bei den Produzenten erreichen. Für alle, denen es wichtig ist, dass ihre Hygiene- und Kosmetikartikel ohne Versuche an Tieren auf den Markt gelangt sind, können das anhand dieser Liste sicherstellen. Die Liste beinhaltet 425 Einträge mit Produkten von 350 Herstellern, die sich somit auch gegen Inhaltsstoffe entscheiden, die an Tieren getestet wurden.

Es existieren zu den meisten tierischen Produkten Alternativen

Peta zertifiziert Produkte dieser Liste mit dem „Leaping Bunny“. Produkte mit dem springenden Häschen sind 100 Prozent „Bunny Free“ – also frei von tierischen Produkten und Tests an Tieren. Es gibt auch eine App für Apple und Android. Auch der Tierschutzbund hat eine „Kosmetik-Positivliste“ – darauf stehen Hersteller, deren Produkte tierversuchsfrei sind und vegan – also „ohne tierische Inhaltsstoffe“ und die auf die „Verwendung von Inhaltsstoffen von toten Tieren“ verzichten.

Zu den Inhaltsstoffen, die Peta etwa aussortiert, gehört Bienenhonig und -wachs, Lanolin oder Wollwachs, das ist ein Sekret aus der Talgdrüse von Schafen. Auch Squalen, ein Öl aus der Haifischleber, Karmin, ein Farbstoff aus zermahlenen Läusen, Gelatine aus Kuhknochen oder Allantoin, meist aus Kuhurin gewonnen, sind nicht in Beauty-Produkten mit dem Hasen. Die tierischen Stoffe sind prinzipiell harmlos, machen die Produkte aber oft nicht besser. Nur billiger. Meist existieren zudem vegane Alternativen.

Weltweites Verbot von Tierversuchen?

Laut Peta sind Tierversuche im Übrigen teurer, als tierfreie Sicherheitstest. Aber nur vordergründig. Denn weil es Länder gibt, die für ihre Produkte sogar Tierversuche vorschreiben, darunter noch immer China, das als immenser Markt für Schönheitsprodukte eine zentrale Rolle für Kosmetikhersteller spielt, setzen viele Produzenten auch weiter auf Tierversuche, wenn ihre Produkte global vertrieben werden.

Doch es regt sich was: Das EU-Parlament forderte im Mai 2018 laut dem „ZDF“ ein weltweites Verbot von Tierversuchen bis zum Jahr 2023. Doch solange es auf dem „heimischen“ Markt noch Hintertürchen wie Reach gibt, ist eine solche Forderung zu hoch gegriffen. Aber: Wer Kosmetik-Produkte ohne Tierversuche nutzen möchte, kann das problemlos umsetzen – man muss sich nur umfassend informieren.