Kindgerechte Aufklärung: Wo kommen die Babys her?
Ein Baby wächst im Bauch der Mutter heran, das wissen schon die Kleinsten. Doch wie sollen Eltern reagieren, wenn ihre dreijährige Tochter oder ihr vierjähriger Sohn plötzlich wissen möchte, wie das Baby eigentlich in Mamas Bauch hinein gekommen ist?
Die Freiburger Ärztin Dr. Ute Taschner hat zusammen mit Regina Masaracchia das Kindersachbuch „Mamas Bauch wird kugelrund" (Verlag Edition Riedenburg) geschrieben und gibt Tipps für eine kindgerechte Aufklärung.
1. Wann sollte man bei einem Kind mit der Aufklärung beginnen?
Dr. Ute Taschner: Die meisten Kinder fragen irgendwann von sich aus, wo sie herkommen, das ist dann auch der perfekte Zeitpunkt für ein erstes Aufklärungsgespräch. Vielleicht ist in der Familie oder im Freundeskreis gerade jemand schwanger. Das macht ein Kind sicher neugierig und lässt es erste Fragen stellen.
Wie ausführlich die Antworten auf diese ersten Fragen sind, hängt sicher vom Alter des Kindes ab. Je jünger das Kind ist, umso kürzer und einfacher sollte auch die Antwort sein. Zwei-, dreijährigen Kindern reicht es meist zu erfahren „Du bist in meinem Bauch gewachsen, immer größer geworden und dann zur Welt gekommen".
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2. Wenn Vorschul- oder Schulkinder nachfragen, wird es sicher komplizierter! Wie würden Sie Fünf-, Sechs- oder Siebenjährige aufklären?
Dr. Ute Taschner: Ein größeres Kind hat vielleicht bereits einige Dinge von älteren Freunden oder größeren Geschwistern aufgeschnappt und dadurch mehr Vorwissen. Als Antwort reicht hier sicher die „Kleinkinder"-Variante nicht mehr aus. Trotzdem ist es entscheidend, dass Eltern ihr Kind richtig einschätzen. Nur sie wissen, wie reif ihr Kind ist und was es schon verstehen kann.
Auch für einen Siebenjährigen ist es noch wichtig, dass ihm mit einfachen Worten erklärt wird, wie ein Kind entsteht. Hilfreich für derartige Gespräche sind Aufklärungsbücher für Kinder, die meist über viele liebevoll illustrierte Abbildungen verfügen.
Wichtig ist, dass Eltern ehrlich und wahrheitsgemäß auf die Fragen ihres Kindes antworten. Trotzdem sollte man nur so viel verraten, wie das Kind gerade wissen möchte und nicht gleich einen kompletten Vortrag halten.
3. Irgendwann kommt man sicher nicht umhin, die Dinge beim Namen zu nennen. Oder würden Sie empfehlen für Penis, Scheide oder Geschlechtsverkehr verniedlichende Wörter zu wählen?
Dr. Ute Taschner: Das hängt sicher davon ab, ob es in der Familie bisher Verniedlichungen für Penis und Scheide gab. Dann ist nichts dagegen einzuwenden, diese Begriffe weiter zu verwenden. Während eines Aufklärungsgesprächs sollte dann aber auch unbedingt erwähnt werden, wie die entsprechenden Körperteile richtig heißen. In unserem Buch reden wir auch nicht um den heißen Brei herum, sondern benutzen Bezeichnungen wie Scheide, Penis, Hoden oder Gebärmutter.
4. Was halten Sie davon Kindern zu erzählen, dass der Storch die Babys bringt?
Dr. Ute Taschner: Davon halte ich überhaupt nichts! Das ist eine Verdummung der Kinder. Kinder haben ein Recht darauf, dass ihre Eltern ehrlich mit ihnen sprechen.
5. Ab welchem Alter sollten Eltern die Initiative für ein Aufklärungsgespräch ergreifen, wenn ein Kind von sich aus nicht fragt?
Dr. Ute Taschner: Wenn die Kinder klein sind, fragen sie eigentlich alle danach, wo sie selbst oder die Babys herkommen. Es kann sein, dass sich einige Kinder später nicht mehr trauen, nachzufragen. Vielleicht haben manche das Gefühl, das Thema ist verboten oder peinlich. Das hängt sicher auch damit zusammen, wie offen Eltern selbst mit diesem Thema umgehen!
Grundsätzlich finde ich nicht, dass es eine Altersgrenze geben sollte, ab dem ein Kind aufgeklärt sein muss. Wenn ein Kind von selbst nicht nachfragt, muss nicht mit Gewalt ein Gespräch herbei geführt werden. Ich finde die Vorstellung schrecklich, sich feierlich an einen Tisch zu setzen und zu sagen: „So jetzt klären wir Dich mal auf."
Sexualität ist keine große Sache. Sie gehört ganz normal zum Leben dazu. Warum sollte ein Gespräch darüber derart aus dem Alltag herausgehoben werden?
Vieles können Eltern ganz nebenbei einfließen lassen oder Mama und Papa fragen einfach mal nach, was ihr Kind bereits weiß oder ob es mehr zum Thema wissen möchte. Hilfreich ist sicher auch, ein Kinder-Aufklärungsbuch zufällig herumliegen zu lassen. Wenn ein Kind darin blättert, können Eltern ganz unverkrampft darauf eingehen.
6. Was raten Sie Eltern, die selbst eher gehemmt sind und nur schwer über Sexualität sprechen können?
Dr. Ute Taschner: Diese Eltern sollten sich einmal fragen, wie ihr eigenes Verhältnis zur Sexualität ist. Sexualität und Sinnlichkeit sind ja ein enorm wichtiger Aspekt für unser gesamtes Leben. Die Aufklärung der Kinder könnte man daher auch zum Anlass nehmen, sich selbst zu fragen, welchen Platz hat das in meinem Leben und warum kann oder will ich darüber nicht sprechen.
Ich denke, Kinder machen es einem da auch leicht. Wenn sie klein sind und ganz einfache Fragen stellen, dann erwarten sie auch einfache Antworten. Da kann man sich ein bisschen darin üben, über dieses Thema zu sprechen.
7. Sollte man sein Kind eher „technisch" aufklären oder auch über die Sinnlichkeit und Lust der Liebe sprechen?
Dr. Ute Taschner: Sinnlichkeit ist ein ganz wichtiger Punkt und gehört meiner Meinung nach unbedingt zum Thema Sexualität dazu. Auch hier ist es sicherlich vom Alter des Kindes abhängig, inwieweit es diesen Aspekt bereits versteht. Aber dass Mama und Papa es schön finden, ganz eng zusammen zu sein, sich ganz lieb zu haben oder miteinander Sex zu haben, dass können auch kleinere Kinder schon verstehen.
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8. Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Vorschulkind plötzlich Schimpfwörter aus dem Sexualbereich mit nach Hause bringt?
Dr. Ute Taschner: Ich würde das auf keinen Fall übergehen. Eltern sollten einfach mal ganz direkt nachfragen: „Weißt Du denn, was das ist, was Du da sagst?" Oft kennen Kinder die Bedeutung dieser Wörter gar nicht. Sie bemerken nur, dass Erwachsene darauf eigenartig beschämt reagieren und finden das lustig.
Deshalb ist es wichtig, einem Kind möglichst kindgerecht zu erklären, was es da eigentlich sagt und dass es sich dabei um Wörter handelt, die andere beleidigen. Sicherlich gibt es in den meisten Familien auch andere Kraftausdrücke, die nicht toleriert werden. Ebenso können Eltern ihrem Kind erklären, dass auch diese Wörter als Schimpfwörter ungeeignet sind.