Darum ist Lady Diana eine Schwulenikone

Princess Diana, gay icon.
Lady Diana, Schwulenikone. (Bild: Getty Images)

Judy Garland, Bette Midler, Madonna, Lady Gaga … und Lady Diana?

Ja. Die Prinzessin von Wales, die vor 20 Jahren, am 31. August, starb, war als die Königin der Herzen bekannt. Doch hatte sie auch lange einen Status inne, den einige als weitreichender und prestigeträchtiger erachten: jenen einer Schwulenikone.

Zu definieren, wann jemandem diese Bezeichnung zusteht, ist eine knifflige Angelegenheit, da es größenteils eine Frage des Bauchgefühls ist. Doch entscheidend sind jedenfalls Persönlichkeitsmerkmale wie Furchtlosigkeit, Glamour und Belastbarkeit – und davon hatte Diana eine ganze Menge. (Wie könnte es schließlich sonst sein, dass Ryan Murphy die Leidensgeschichte ihrer Ehe als Thema für die kommende zweite Staffel von Feud wählte.)

Doch wenn wir von dieser speziellen Schwulenikone sprechen, wird die Sache noch komplexer – das sagen zumindest die Experten für Queer Culture, die Yahoo Beauty anlässlich des Jahrestages von Dianas Tod befragte.

„Diana sprach die Schwulen an, weil sie wie eine Außenseiterin wirkte, sich vielen Herausforderungen stellte, es schaffte, stilvoll und gefasst zu bleiben und sich für gute Zwecke einsetzte“, sagt der langjährige Kritiker für Gay Culture, Michael Musto. „Und die ganze Zeit über war sie in einer Welt des Glamours und Adels gefangen.“

Desmond O’Connor, Schöpfer einer britischen Cabaret-Show, welche die legendäre Geschichte von Dianas Drag-Show-Besuch mit Freddy Mercury erzählt, analysierte ihren Ikonenstatus diese Woche in Newsweek. Er beginnt mit der Erinnerung daran, wie Elton John zu Dianas Begräbnis eine geänderte Version von „Norma Jean“ sang.

Princess Diana met George Michael, K.D. Lang, and Mick Hucknall at the World Aids Day Annual
Lady Diana traf George Michael, K.D. Lang und Mick Hucknall beim jährlichen „Concert of Hope“ am Weltaidstag 1993. (Bild: Tim Graham/Getty Images)

„Zwanzig Jahre später wirkt es noch immer seltsam, dass Sir Elton sich dazu entschied, ein altes Lied über eine andere Frau aufzuwärmen, um einer außergewöhnlichen Frau Tribut zu zollen, die er als enge persönliche Freundin betrachtete, aber vielleicht war das ein kalkulierter Moment im anhaltenden Kampf um den Anspruch am teuersten Besitz des Landes“, sinnierte O’Connor. „Indem er Diana mit Marilyn in Verbindung setzte, meldete er im Namen eines Teils der britischen Gesellschaft, der eine seiner mächtigsten Verbündeten verloren hatte, seinen Anspruch an ihr an. Dianas Status als Schwulenikone würde unvergessen bleiben.“

Und während er weiter erzählt, dass die schüchterne Diana durch ihre Ehe „in ein Königreich eines märchenhaften Lebens aus epischer Tragik katapultiert wurde, das Monroe und Garland wie Amateurinnen wirken ließ“, merkt der Autor auch an, dass ihr Status auch „etwas Substanzielleres“ mit sich brachte. Obwohl sie „von der Modewelt geliebt wurde“, war sie „keinesfalls ein hirnloser Kleiderständer.“ (Sie ist typischerweise auch keine beliebte Wahl für Drag Queens, die Promis nachahmen, obwohl Scarlet Envy aus Brooklyn diese Woche „als Hommage“ eine Ausnahme machte.)

Einige Experten für Queer Culture weisen die Idee von Diana als Schwulenikone völlig zurück – darunter ein Autor des Independent. So hieß es in einem Artikel, der kurz nach ihrem Tod geschrieben wurde: „Di war und ist keine Schwulenikone – auch nicht nach einem Tod, der scheinbar die nötige Portion Drama, Horror und Glamour hatte“, schrieb Mark Simpson damals.

Princess Diana with Elton John at the requiem mass for Gianni Versace in Milan, 1997.
Lady Diana mit Elton John bei der Totenmesse für Gianni Versace in Mailand 1997. (Bild: Gerard Julien/AFP/Getty Images)

„Sicher, Tausende Schwule haben sie geliebt, aus denselben Gründen, wie die Leute aus allen gesellschaftlichen Kreisen – und nicht nur für ihren Beitrag zur Sensibilisierung für AIDS. Doch wenn es darum geht, eine Schwulenikone zu sein, dann geht es nicht nur um Liebe. Es geht eher um eine schneidende, furchterregende Ambivalenz gegenüber Frauen oder eine verzweifelte, rastlose Identifikation.“

David Munk von Stargayzing, Autor und langjähriger Beobachter der Gay Culture, liefert eine unkomplizierte Erklärung dafür, weshalb Diana nicht zur Judy-Barbra-Cher-Riege zählt. „Ich denke, sie war ein Symbol für jeden“, erzählt er Yahoo Beauty. „Ich könnte auf Klischees herumreiten und sagen, dass wir uns mit ihrer Opferrolle identifizieren konnten, aber mit enormer Zuneigung und Ehrfurcht… aber sie war eine Leinwand, auf die jeder seine Hoffnungen projizieren konnte. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so eine einheitliche Reaktion hervorrief. Sie war für alle alles.

Dan Avery, Chefredakteur der schwulen Medienwebseite NewNewNext/Logo TV, erkennt ihren Ikonenstatus an, nennt ihn allerdings sehr subtil. „Ich glaube nicht, dass Lady Diana eine Schwulenikone von der Größe einer Judy Garland oder Madonna ist. Aber sie erfüllt die Voraussetzungen – Schönheit, Glamour, Tragik“, erzählt er Yahoo Beauty. „Ich denke, wenn sie etwas länger gelebt hätte, dann hätte sie vielleicht die Zeit gehabt, wirklich Eindruck zu hinterlassen. Außerdem lieben schwule Männer Frauen, die extravagant sind, und als Mitglied der königlichen Familie musste Diana sich so zurückhalten, dass es ein Nachteil für sie war.“

Laut Avery war es ihre Arbeit mit AIDS-Patienten (sie umarmte die Männer und hielt ihre Hand – ein eindrucksvoller Moment, den Elton John sich kürzlich für Prinz Harry in Erinnerung rief), die ihr Vermächtnis bei der Schwulen-Community untermauerte. „Es machte den Weg frei für andere Promis und half dabei, die AIDS-Krise auf eine Weise menschlicher zu machen, wie es niemand sonst geschafft hatte, außer vielleicht Elizabeth Taylor“, so Avery.

Howard Berman, ein Rabbi und Schwulenrechtsaktivist aus Boston, der außerdem ein angesehener Sammler von Lady-Diana-Memorabilien ist, beschreibt Dianas Verhältnis zu an AIDS erkrankten Menschen als echten Wendepunkt in ihrem wachsenden Status als Schwulenikone.

„Für mich ist das die Sache, die alles zusammenhielt – dieses berühmte Ereignis [1987], als sie die erste AIDS-Station im Krankenhaus in London besuchte… die Tatsache, dass sie die Leute umarmte, dort saß und ihre Anteilnahme ausdrückte, war einfach phänomenal“, erzählt Berman Yahoo Beauty.

Doch bereits vorher, von dem Moment an, in dem Diana in das Interesse der Öffentlichkeit gedrängt wurde, sahen viele Schwule etwas Besonderes.

„Es wurde klar, dass diese schüchterne, etwas bescheidene junge Frau einige Eigenschaften hatte, von der viele Schwule sich meiner Meinung nach angesprochen fühlten – nicht nur wegen ihrem offensichtlichen Flair und ihrem Modegeschmack, sondern wegen ihrer Verwundbarkeit und aufgrund der Tatsache, dass sie ganz eindeutig mit dem Druck über ihre Zukunft klarkommen musste“, so Berman. „Damit konnten sich viele homosexuelle Männer und Frauen identifizieren.“

Dann kam ihr öffentlicher Auftritt in der AIDS-Station in London und die Sache war perfekt, erinnert sich der Rabbi, der sich zu der damaligen Zeit mit anderen Geistlichen in Chicago zusammengeschlossen hatte, um ein religionsübergreifendes AIDS-Seelsorgenetzwerk zu gründen, das wöchentliches Training und Aufklärung anbot.

„Meistens tauchte niemand auf, dank der Engstirnigkeit, die von Reagan und seiner Regierung propagiert wurde“, erinnert er sich. Doch in der Woche nach Dianas Besuch bei den AIDS-Patienten in London kamen 100 Menschen. „Es war eine der unglaublichsten Erfahrungen in meinem Leben, als sie einer nach dem anderen hereinströmten“, sagt er. „Einige sagten: ‚Wenn Lady Diana das kann, können wir es auch.’ Das war vor der ganzen Sensationslust. Wir haben die phänomenale Kraft dieser jungen Frau gesehen, mit der sie die Leute formen und beeinflussen konnte.“

Dazu kommt die „wachsende Erkenntnis, dass einige ihrer engsten Freunde schwul waren“ – von frühen Schulfreunden bis zu Promi-Freunden wie Versace und Elton John – sowie die Tatsache, dass „ihre eigenen Schwierigkeiten öffentlich bekannt wurden“, sagt Berman. „Ich denke, dass bei den Schwulen der Beschützerinstinkt zunehmend erwachte – immer mehr wollten für sie kämpfen, so wie sie es für uns tat.“

Beth Greenfield