„Du kannst das. Du bist stärker, als du denkst“: Ein Brief an mich selbst - bevor der Brustkrebs kam

Kim MacDonald und ihre zwei Töchter. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)
Kim MacDonald und ihre zwei Töchter. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)

Erzählt von Kim MacDonald.

Kim MacDonald ist eine Anwältin und Sprecherin der Breast Cancer Society of Canada, sowie preisgekrönte Wetterjournalistin bei The Weather Network.

Liebes Selbst vor der Brustkrebsdiagnose,

du wusstest, dass etwas nicht in Ordnung ist, oder? Du warst daran gewöhnt, wegen Auffälligkeiten bei Ultraschalluntersuchungen und Mammographien Rückrufe zu erhalten. Immer wieder leichte Panik, gefolgt von Erleichterung. „Es ist nur eine Zyste“, stellten sie am Ende fest. Deine Brüste hatten schon so oft falschen Alarm geschlagen, dass es schwer war, ihnen zu glauben, als wirklich etwas schief ging. Ich bin froh, dass du auf Antworten gedrängt hast. Besser spät als nie, oder?

Du wurdest mit Brustkrebs diagnostiziert. Atme tief durch. Dein zukünftiges Selbst tippt dies gerade, trinkt dabei einen Kaffee und plant, später zum Yoga zu gehen und heute lange zu arbeiten. Du hast es geschafft! Ich dachte, ich sollte dir diesen Spoiler erzählen, um die größte Sorge deines Lebens zu lindern.

Ich weiß, du hast viele Fragen. Du hast den Plan von deinem Onkologen und Pfleger erhalten, der acht Runden Chemotherapie, eine Mastektomie und 25 Runden Bestrahlung vorsieht. Das ist eine normale Vorgehensweise. Viele Frauen haben zuerst eine Operation, aber dein tennisballgroßer Tumor ist einfach zu verdammt groß. Durch die Chemotherapie wird er kleiner werden, deshalb die zuerst.

Chemotherapie (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)
Chemotherapie (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)

Chemo ist schlimm, aber die gute Nachricht ist: Sie ist nicht so schlimm, wie du es dir immer vorgestellt hast. Du wirst dich nur alle zwei Wochen etwa drei Tage lang ziemlich beschissen fühlen. Du kannst damit umgehen. Du wirst dich nicht übergeben, so wie sie das in den Filmen tun. Das liegt daran, dass du einige starke Medikamente nehmen wirst, die das verhindern. Dein Arzt möchte, dass alles für dich so reibungslos wie möglich verläuft. Wenn du Nebenwirkungen hast, dann wird er dir etwas zur Linderung geben. Die Liste der Nebenwirkungen ist lang und vielfältig und verändert sich mit jeder Chemotherapie-Sitzung, was ziemlich seltsam ist. Auch damit kannst du umgehen.

Du wirst deinen Kopf rasieren, bevor du deine Haare verlierst. Das war ein kluger Schachzug. Haarausfall ist bei kurzen Haaren leichter zu ertragen als bei langen. Es beginnt direkt nach deiner zweiten Chemo-Infusion. Nach und nach, bis du völlig kahl bist. Ich werde nicht lügen. Dieser Teil der Behandlung ist nicht schön für dich, aber du siehst nicht so schlecht aus, wie du denkst. Du wirst Perücken, Halstücher und Hüte tragen und an den meisten Tagen wird dir das auch genügen. An manchen Tagen wirst du nur weinen und das ist auch in Ordnung. Du kannst nicht immer stark und positiv sein.

Eine Sache, die du nicht weißt, ist, dass durch die Chemotherapie eine frühe Menopause einsetzt und es von dort kein Zurück mehr gibt. Mach dich bereit für die Hitzewallungen. Dies mag im Angesicht einer Krebsbehandlung belanglos scheinen, aber es ist trotzdem ein Ärgernis, dass dir noch für ein paar Jahre hätte erspart bleiben können.

Bevor ich dir sage, was du über die Operation wissen musst, werde ich dir etwas Großartiges erzählen. Die Unterstützung und Liebe, die du während der ganzen Zeit erhältst, wird anders sein als alles, was du jemals erlebt hast. Du hast den Schritt getan, mit deiner Diagnose an die Öffentlichkeit zu gehen und du wirst es nie bereuen. Dies ist eine seltsame Analogie, aber hör mir zu. Es ist fast wie bei deiner eigenen Beerdigung. Die Leute denken, du könntest sterben, also erzählen sie dir, was sie wirklich für dich empfinden. Weil du nicht arbeitest, verbringst du viel Zeit mit den Leuten, die du am meisten liebst. Und es geht in beide Richtungen. Du sagst diesen Menschen ebenfalls, was du für sie empfindest. Viele warme und emotionale Momente erwarten dich. In dieser verrückten, geschäftigen Welt sind diese Momente unbezahlbar.

Bestrahlung (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)
Bestrahlung (Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald)

Zurück zum Operationsteil. Oh Mann! Du hast eine Menge Zeit, vorher darüber nachzudenken, was einerseits gut und andererseits schlecht ist. Du entscheidest, dass du eine doppelte Brustamputation möchtest und keine Rekonstruktionschirurgie. Du stehst eineinhalb Jahre später immer noch zu diesen Entscheidungen. Du triffst diese Entscheidungen aufgrund der Aggressivität des Krebses. Du hast in der Sache nicht allzu viel zu sagen, aber du hast das Gefühl, dass du einige Risiken mindern kannst, indem du diese Maßnahmen ergreifst. Deine Ärzte werden deinen Entscheidungen nicht immer zustimmen. Sie werden aber nachgeben, also bestehe weiter auf das, was du willst.

Die Operation ist nicht sehr schmerzhaft, und du wirst am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen. Nach ein oder zwei Tagen wird Paracetamol das einzige Schmerzmittel sein, das du benötigst. Hurra! Die Drainagen, die an deinem Körper befestigt sind, bleiben ein paar Wochen dort und es wird dir nicht gefallen. Es ist alles Teil des Prozesses. Du kommst damit klar.

Der psychologische Teil ist schon eher eine Herausforderung. Du wirst damit zu kämpfen haben. Eine Menge. Es ist dabei nicht hilfreich, dass “Shape of You” alle halbe Stunde im Radio läuft. Irgendwann wird es einfacher. Stell dir dein elfjähriges Ich vor und du wirst es schaffen. Mit Hilfe von Prothesen oder gestrickten Möpsen sieht alles völlig normal aus. Du musst dir nie wieder Gedanken um die Schwerkraft machen, das ist ja auch was. In der Nacht berührst du deine Brust mit der Hand und du kannst fühlen, wie dein Herz schlägt, so wie nie zuvor. Es ist eine Erinnerung daran, dass du noch am Leben bist. Freue dich darüber.

Dein Haar beginnt wieder zu wachsen, sobald du mit der Chemo fertig bist, aber es wächst viel langsamer, als du gerne hättest. Es wächst von Grund auf neu, vergiss das nicht. Wenn ich dir dies schreibe, sind deine Haare dick und zu einem kurzen Bob geworden. Du siehst wieder aus wie du und es macht dich glücklich. Was kann ich sagen? Wenn es um unsere Haare geht, sind wir eitel. Sei geduldig. Die Zeit vergeht immer, ob du dich gut oder schlecht fühlst, und die Haare werden zurückkehren.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald
Foto mit freundlicher Genehmigung von Kim MacDonald

Du hast etwa acht Wochen Zeit, um dich von der Operation zu erholen, bevor die Bestrahlung beginnt. Dies ist bei weitem die einfachste der drei großen Behandlungsphasen, aber es ist kein Zuckerschlecken. Was du bisher geleistet hast, ist erstaunlich, und deine Vorstellung davon, was schwierig ist, hat sich drastisch verändert. Du erhältst die ersten Tätowierungen vor der Bestrahlung. Sie werden dir ein paar winzige Tattoos auf deine Brust setzen, damit sie genau wissen, wohin sie die Strahlen ausrichten müssen. Sie sehen den anderen Sommersprossen auf deinem Körper sehr ähnlich, also bemerkst du sie überhaupt nicht.

Du liegst auf einem Tisch, während die Techniker die Positionierung anpassen. Sie verlassen alle den Raum und Musik spielt im Hintergrund, während du bestrahlt wirst. Es ist nicht zeitaufwendig oder schmerzhaft, aber emotional kostet es dich sehr viel. Du fühlst dich wie ein Stück Fleisch auf dem Tisch, mit deinen Narben und deiner Brust frei liegend. Alle waren nett und zuvorkommend, das war also keine Absicht. Den meisten Menschen verursacht diese Bestrahlung keine Probleme, aber dir schon. Du wirst schließlich einen hässlichen Sonnenbrand bekommen, doch wie alles andere wird auch dies heilen. Du musst fünf Wochen lang fünfmal die Woche ins Krankenhaus, und wenn alles vorbei ist, wirst du dich wirklich erleichtert fühlen.

Das sind die großen Sachen. Du wirst danach ein Jahr lang alle drei Wochen die Chemo-Suite für eine Herceptin-Infusion besuchen. Das ist ein Wundermedikament und nichts, worüber man sich allzu viele Sorgen machen muss. Du wirst mit Nadeln, MRTs, Knochenscans, Ultraschall und Röntgen vertraut sein. Der großen Operation folgen zwei kleine Operationen, das ist für dich jetzt Kleinkram.

Du kannst das. Du bist stärker, als du denkst. Dein Leben wird sich für immer verändern, aber du wirst einen Sinn darin finden. Hab keine Angst.