Experten( )Wissen: Ist Wasser gar nicht der beste Durstlöscher?

Diplom-Ökotrophologin Astrid Donalies im exklusiven Interview

Laut einer Studie der School of Medicine der Universität St. Andrews könnte es bei einer Hitzewelle wie der aktuellen besser sein, anstatt Wasser lieber Milch oder Orangensaft zu trinken. Was sie davon hält, erzählt die Ökotrophologin Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung im Interview mit Yahoo Life.

Frau trinkt bei praller Sonne Wasser aus einer Plastikflasche
Genügend Wasser zu trinken ist gerade bei hohen Temperaturen wichtig. (Symbolfoto: Getty)

Milch, Trinklösungen und Orangensaft sollen gegenüber Wasser einen entscheidenden Vorteil haben: Sie liefern dem Körper nicht nur Flüssigkeit, sondern enthalten auch andere wichtige Inhaltsstoffe. Bei der Milch wären das Salz und Laktose, wobei die Lactose laut Prof. Ron Maughan von der School of Medicine der Universität St. Andrews die Wasseraufnahme im Darm fördert. Zudem sei sie reich an Elektrolyten und Makronährstoffen, die dazu führten, dass der Körper die Flüssigkeit besser aufnehmen und speichern kann.

Außerdem könnten Lactose, Protein und Fett dabei helfen, den Austritt von Körperflüssigkeit zu verlangsamen, so das Ergebnis einer Studie von Prof. Maughan. Und genau deshalb sollen Milch, Trinklösungen und Orangensaft besser geeignet sein, den Körper mit Flüssigkeit zu versorgen, als Wasser.

“Milch ist ein Nahrungsmittel und kein Durstlöscher“

Fragt man die Ökotrophologin Astrid Donalies, ob sie bei den hohen Sommertemperaturen zu Milch statt zu Wasser rät, fällt die Antwort eindeutig aus: “Man sollte keine Milchprodukte anstatt von Wasser trinken, im Gegenteil. Da ist die Gefahr größer, dass man auf Dauer zu viel Energie zu sich nimmt.“ Milch sei schließlich ein Nahrungsmittel und als solches nicht in erster Linie da, um Durst zu löschen. Wer zu viel davon trinke, verzichte wegen des hohen Energiegehalts dann auf Ballaststoffe oder andere wichtige Mineralstoffe. Besser sei es, sich allgemein abwechslungsreich zu ernähren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt im Übrigen nicht mehr als 200 bis 250 Gramm Milch und Milchprodukte pro Tag.

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Auch den in der Studie genannten Orangensaft bezeichnet die Ökotrophologin als kaum geeigneten Durstlöscher. „Es ist nichts dagegen zu sagen, ab und zu ein Glas Orangensaft zu trinken“, so die Expertin. Abgesehen von einigen Vitaminen und Mineralstoffen enthalte der aber vor allem Fruchtzucker, “und die Menschen nehmen im Allgemeinen sowieso schon zu viel Zucker zu sich.“

Zwei Mädchen trinken an einem Tisch sitzend Orangensaft
Orangensaft, auch selbst gepresster, enthält viel Fruchtzucker und sollte darum nur ab und zu getrunken werden. (Symbolfoto: Getty)

Bestimmte Trinklösungen aus dem medizinischen oder sportlichen Bereich dagegen könnten in Einzelfällen zwar Sinn machen. Etwa wenn ältere Menschen nicht mehr so viel Flüssigkeit aufnehmen könnten oder Ausdauersportler sich in großer Hitze über einen langen Zeitraum auspowern. Als Wasserersatz für die breite Masse seien aber auch sie nicht geeignet.

Der Körper braucht, woraus er besteht

Hinsichtlich des Flüssigkeitshaushalts ist für die Expertin deshalb klar: “Am wichtigsten ist, ausreichend Wasser zu trinken.“ Schließlich bestehe unser Körper zur Hälfte aus Wasser, das nicht nur Bestandteil von Zellen und Körperflüssigkeiten sei, sondern auch die Körpertemperatur reguliere und Nährstoffe transportiere. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müsse es eben auch regelmäßig ersetzt werden. Der Körper verliert Flüssigkeit übrigens nicht nur beim Urinieren und Schwitzen, sondern auch beim Atmen.

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1,5 Liter pro Tag ist die gängige Trinkempfehlung, wobei sich bei intensiver körperlicher Arbeit oder sportlicher Aktivität pro Stunde ein Mehrbedarf von 0,5 l bis 1 Liter ergibt. In der Regel gelte aber: “Wenn man bei Hitze mehr Durst hat, trinkt man auch mehr. Und man braucht auch nicht auf Vorrat zu trinken, wie man früher oft gesagt hat, sondern trinkt einfach nach Bedarf.“ Die Ausnahme: Bei älteren Menschen mit nachlassendem Durstgefühl könnten ein Timer oder Apps hilfreich dabei sein, sie regelmäßig ans Trinken zu erinnern. Anzeichen, die dafürsprechen könnten, dass man zu wenig getrunken hat: Bei älteren Menschen Verwirrtheit und allgemein dunkler Urin, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen oder Verstopfung.

Ältere Frau trinkt draußen Wasser aus einer Plastikflasche
Da bei älteren Menschen das Durstgefühl weniger wird, sollten sie besonders darauf achten, genug Flüssigkeit zu sich zu nehmen. (Symbolfoto: Getty)

Wem Wasser auf die Dauer zu langweilig wird, dem empfiehlt Donalies, es selbst mit Obst wie Erdbeeren oder Kräutern wie Minze zu aromatisieren. Auch Fruchtsaftschorlen, im Verhältnis 1:3 mit Wasser gemischt, sind ein guter Durstlöscher. Und dann seien ja Obst und Gemüse ebenfalls wasserreich, von denen ohnehin pro Tag fünf Portionen empfohlen werden. Letztendlich enthalte aber kein Lebensmittel alle Nährstoffe, die der Körper braucht, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Ernährung immer eine ausgewogenen Ernährung empfiehlt – mit Wasser als Durstlöscher Nummer eins.

Unsere Expertin: Astrid Donalies

Astrid Donalies ist Diplom-Ökotrophologin und staatlich anerkannte Diätassistentin. Sie arbeitet bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (Referat Öffentlichkeitsarbeit) und beantwortet im Team mit ihren Kolleginnen täglich viele Fragen von Medien rund um Wissenschaft und Praxis des Essens und Trinkens.

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