Experten( )Wissen: Nach der Schatzsuche-Aktion von Joko und Klaas: Was man zu Stammzellenspenden wissen sollte

Julia Ducardus von der DKMS im exklusiven Interview

Mit ihrer Aktion “Joko & Klaas Live: Die Schatzsuche“ haben Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf nicht nur einen Zuschauer um eine Million Euro reicher gemacht, sondern auch ein wichtiges Thema in den Fokus gerückt: Stammzellenspende. Warum eine Registrierung so wichtig ist und wie einfach man damit Leben retten kann, erzählt Julia Ducardus von der DKMS im Interview mit Yahoo Life:

Wissenschaftlerin im Labor
Welche*r potenzielle Spender*in für eine Stammzellspende infrage kommt, wird im Labor genau gecheckt. (Foto: Getty)

Wer benötigt überhaupt eine Stammzellenspende?

Julia Ducardus: Eine Stammzellenspende benötigen Menschen mit Erkrankungen am Blut bildenden oder lymphatischen System, bei denen eine klassische Therapie wie beispielsweise eine Chemotherapie alleine nicht mehr greift. Die bekannteste Erkrankung am Blut bildenden System ist eine Leukämie. Manchmal geht es auch um Stoffwechselerkrankungen oder um Gendefekte, weshalb auch neugeborene Babys betroffen sein können. Mithilfe einer Stammzellenspende, also dem Austausch des Immunsystems, können sie aber wieder gesund werden.

Wie findet man eine*n passende*n Spender*in?

Bei uns heißt das: Mund auf, Stäbchen rein, Spender sein. Man gibt also Wangenschleimhautgewebe ab. Dieses Gewebe wird bei uns im Labor auf die Gewebemerkmale, die sogenannten HLA-Merkmale, untersucht. Das sind Eiweißbausteine, die auf unseren Zellen sitzen und dafür verantwortlich sind, dass sie eigenes von fremdem Gewebe unterscheiden. Die Zellen erkennen, wenn wir einen Infekt bekommen und wehren ihn im besten Fall ab. Bei Blutkrebspatient*innen funktioniert das nicht mehr und diese Eiweißbausteine müssen bei Spender*innen und Empfänger*innen nahezu zu 100 Prozent übereinstimmen. Man sucht also sozusagen die Nadel im Heuhaufen.

Wie oft findet sich denn ein Match?

Das passiert zum Glück recht oft. Über 80 Prozent der suchenden Patient*innen finden ihr passendes Match. Alleine bei der DKMS Deutschland spenden von Montag bis Freitag täglich 15 Stammzellenspender*innen und schenken damit eine Lebenschance. Tatsächlich vermitteln wir Stammzellen in 57 Ländern, darunter den USA, Polen, UK, Chile, Indien und Südafrika. Weltweit sind es 21 Spenden pro Tag.

Wie kann man sich registrieren?

Die meisten Menschen lassen sich online registrieren. Wann immer man Zeit hat, kann man auf unsere Webseite www.dkms.de gehen, klickt auf “Spender werden“, füllt online eine Maske aus und kriegt innerhalb von drei Werktagen ein Registrierungsset nachhause geschickt. Da sind drei medizinische Wattestäbchen drin, eine Einverständniserklärung und eine Erklärung, wie der Wangenschleimhautabstrich funktioniert. Das dauert 10 bis 15 Minuten. Danach ist man registriert und bleibt das auch bis zu seinem 61. Geburtstag.

Wie viele Menschen sind in Deutschland und wie viele weltweit registriert?

Bei der DKMS sind weltweit mehr als 12 Millionen potenzielle Spender*innen registriert, bis heute haben davon mehr als 110.000 Menschen Stammzellen gespendet. Bei der DKMS Deutschland sind es alleine über 7 Millionen Registrierte. Insgesamt sind auf der Welt über 40 Millionen Menschen als potenzielle Spender*innen registriert. Wenn man bedenkt, dass nur 1 Prozent aller Registrierten jemals als Spender*in in Frage kommt, gibt es für uns aber noch mehr zu tun.

Gibt es Menschen, die nicht als Spender*innen geeignet sind?

Wichtig ist, dass man bei der Registrierung zwischen 17 und 55 Jahre alt ist. Und man sollte keine chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma, starke Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder starkes Übergewicht haben. Das wird aber alles in dem Fragebogen abgefragt. Außerdem wird jede*r Spender*in vor der Spende noch einmal gründlich untersucht. Danach weiß man, dass man rundum gesund ist.

Wie läuft eine Stammzellenspende auf der Seite des Spenders ab?

Wenn man der passende Mensch ist, ist es in 90 Prozent der Fälle so, dass man ambulant in einem Blutwäsche ähnlichen Verfahren spendet. Man wird also über eine Armvene an einen Stammzellenseparator angeschlossen, das Blut zirkuliert durch die Maschine, die benötigten Blutstammzellen, die bei jedem Menschen in den Hohlräumen der Knochen gebildet werden, werden herausgefiltert und gesammelt. Das dauert mehrere Stunden und im Vorfeld wird ganz genau ausgerechnet, wie viele Blutstammzellen der Patient oder die Patientin benötigt.

Schatzsuche von Joko und Klaas: Dieser Mann gewinnt die versteckte Million

In 10 Prozent der Fälle spendet man im Krankenhaus unter Vollnarkose Knochenmark aus dem Hüftknochen. Welche Variante greift, hängt von den Bedürfnissen des Patienten ab. Es gibt Krankheiten, bei denen die behandelnden Ärzt*innen eher für die Knochenmarkspende plädieren, weil dann die Chancen, dass das Ganze anwächst und der Patient wieder gesund wird, besser sind. Wichtig ist für uns, dass Spender*innen für beide Varianten offen sind.

Und auf Patient*innenseite?

Die Patient*innen kommen im Vorfeld auf eine isolierte Station und bekommen eine besonders hoch dosierte Chemotherapie, durch die das noch bestehende Immunsystem komplett zerstört wird. Am Tag der Transfusion werden die Stammzellen des Spenders direkt transfusiert, die Stammzellen tropfen also in den Körper. Dann braucht es eine Weile, bis das Ganze anwächst, plus minus 100 Tage.

Bei der Schatzsuche von Joko & Klaas wurde nach 10.000 Neuregistrierungen bei der DKMS der Code für ein Zahlenschloss bekanntgegeben, das einen Koffer mit einer Million Euro schützte. Wie wichtig war diese Aktion und was hat sie konkret gebracht?

Wir freuen uns natürlich über solche gigantischen Möglichkeiten wie bei Joko & Klaas und die großartige Gelegenheit. Wir brauchen dringend Spendernachwuchs, weil wir alleine in diesem Jahr aus Altersgründen 125.000 Spender*innen aus der Kartei verlieren. Darum ist es superwichtig, den Spender-Pool aufzufüllen. Bis zum Ende der Schatzsuche hatten wir über 38.000 Neuregistrierungen, wobei durch die Nachberichterstattung weitere Tausende dazukommen.

Tipp: Junge Krebspatientin trifft Lebensretter

Das ist wirklich einzigartig und das schätzen wir und natürlich alle Betroffenen, die gerade auf eine Stammzellenspende warten, enorm. Am Ende werden viele Menschen davon profitieren, die unsere Hilfe dringend benötigen. Wir sind gespannt, was noch kommt!

Von wie vielen Menschen sprechen wir denn?

In Deutschland erhält alle 12 Minuten ein Mensch die Diagnose Blutkrebs. Weltweit sind es sogar alle 25 Sekunden. Das heißt nicht, dass alle immer sofort eine Spende brauchen, denn die ist die letzte Konsequenz, wenn Chemotherapie etc. nicht mehr greifen. Aber es sind viele und vor allem auch viele Kinder. Man kann sich ausrechnen, dass bei dem einen Prozent der Spender*innen, die in Frage kommen, vielleicht schon im nächsten Jahr der oder die erste Spender*in aus der Aktion hervorgehen.

Können Spender*innen und Empfänger*innen Kontakt zueinander aufnehmen?

Das ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt. Manche Länder erlauben den Kontakt nicht oder nur anonym, aber viele stimmen, sofern das nach zwei Jahren von beiden Seiten erwünscht ist, einem Adressaustausch zu. Wir freuen uns immer riesig, wenn wir bei persönlichen Treffen zwischen Spender*innen und Empfänger*innen dabei sein dürfen. Oft begleiten die sich dann weiter und der Spender oder die Spenderin wird zum Beispiel Trauzeug*in bei der Hochzeit. Wir hatten sogar einmal ein Paar, wo sich beide ineinander verliebt und dann auch geheiratet haben. Solche Geschichten mitzuerleben ist wirklich toll!

Julia Ducardus ist Public Relations Managerin bei der DKMS. (Foto: Bert Spangemacher)
Julia Ducardus ist Public Relations Managerin bei der DKMS. (Foto: Bert Spangemacher)

Unsere Expertin: Julia Ducardus

Julia Ducardus ist Public Relations Managerin und arbeitet seit über 15 Jahren bei der DKMS. Wiederkehrendes Highlight ihres Jobs sind die besonders bewegenden Momente, in denen sich Spender*innen und Empfänger*innen zum ersten Mal persönlich begegnen.