Für 19 Euro bei -120 Grad frieren, um länger zu leben? Ich habe eine Kältekammer getestet und war vom Ergebnis überrascht

Schon direkt nach der Behandlung konnte ich die ersten Effekte der Kryotherapie spüren. - Copyright:  AIVA Institut für Vitalität und Ästhetik / Grafik: Dominik Schmitt
Schon direkt nach der Behandlung konnte ich die ersten Effekte der Kryotherapie spüren. - Copyright: AIVA Institut für Vitalität und Ästhetik / Grafik: Dominik Schmitt

Sportler kennen sie schon, Longevity-Fans entdecken sie immer mehr für sich: die Kryotherapie. Bei dieser Form der Kältetherapie wird der Körper in speziellen Eiskammern extrem niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Das soll mit verschiedenen gesundheitlichen Vorteilen verbunden sein, auf die auch Stars wie Will Smith oder Jennifer Aniston schwören. Unter anderem sollen Kryotherapien gegen Muskelschmerzen helfen, Stresshormone senken und das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Was an diesen Versprechungen dran ist, konnte ich vor Kurzem selbst erleben. Denn ich hatte die Gelegenheit, eine Kryokammer in Berlin auszuprobieren. Wie mein Besuch ablief und welche Effekte die eisige Kälte auf mich hatte, lest ihr hier.

Für den Besuch in der Kryokammer musste ich Schutzkleidung anziehen

Vor einigen Wochen besuchte ich das Arona-Institut für Vitalität und Ästhetik (Aiva) – eine etwa 1400 Quadratmeter große Longevity-Klinik auf dem Gesundheitscampus in Berlin-Biesdorf. Sie bietet ihren Kunden verschiedene Gesundheits- und Schönheitsbehandlungen.

Während in der ersten Etage des Aiva hauptsächlich Behandlungs- und OP-Säle sind, dient die zweite Ebene als "Longevity-Center" und Zentrum für regenerative Medizin. Genau dort, zwischen Räumen mit Fitnessgeräten und einer Sauerstoffdruckkammer, befindet sich auch die Kryokammer. Normalerweise kostet das Probetraining in der Aiva-Kältekammer 19 Euro. Ich durfte als Journalistin die Anwendung kostenlos testen.

Bevor es für mich in die Kältekammer ging, besprach ich zunächst meinen gesundheitlichen Zustand mit einem der Mitarbeiter. Bei dem Gespräch prüfte er, ob ich Erkrankungen wie etwa schwere Herzrhythmusstörungen habe, die gegen eine Kryotherapie sprechen könnten. Da das bei mir nicht der Fall ist, brachte er mich anschließend in die Umkleidekabine.

Dort lag ein Outfit für mich bereit: ein kurzärmeliges, dunkelgrünes T-Shirt, schwarze Shorts, eine weiße Mütze, Socken, Handschuhe und ein Mundschutz. Der Mitarbeiter erklärte mir, dass die Therapie am effektivsten ist, wenn möglichst viel Haut frei ist. Gleichzeitig sollte ich jedoch meine Extremitäten vor der Kälte schützen, um eine Erfrierung zu verhindern. Also zog ich mich um und lief dann in meinem Halb-Beach-Halb-Bergsteiger-Look Richtung Kryokammer.

Zuerst kam ich in eine Vorkammer, um meinen Körper langsam an die eisigen Temperaturen zu gewöhnen

Als ich die Kältekammer von außen sah, wurde ich ein wenig nervös. Plötzlich schossen mir Bilder davon in den Kopf, wie ich mich als kleines Kind einmal aus Versehen in einer Tankstellen-Toilette eingeschlossen hatte und panisch um Hilfe rief, weil ich die Tür nicht mehr öffnen konnte. Jetzt in dem riesigen Kühlschrank vor mir eingesperrt zu werden, kam mir schlagartig wie eine ganz schlechte Idee vor. Aber der Mitarbeiter beruhigte mich und versicherte mir, dass er mich die ganze Zeit von außen beobachten und für meine Sicherheit sorgen würde. Ich atmete noch einmal tief durch und trat dann in die Kälte.

Zuerst kam ich in eine Vorkammer, in der eine Temperatur von -60 Grad Celsius herrschte. Hier sollte ich eine Minute verbringen, um meinen Köper auf die eisigen Temperaturen in der eigentlichen Kryokammer vorzubereiten. Doch obwohl schon die Vorkammer deutlich kälter war als ein typischer Berliner Winter, merkte ich den Temperaturunterschied zur Umkleidekabine kaum. Ich fühlte mich eher so, als würde an einem warmen Sommertag die Klimaanlage laufen.

Anfangs fühlte ich mich ruhig und entspannt

Fast schon etwas enttäuscht, betrat ich nach Ablauf der Zeit die Hauptkammer mit einer frostigen Temperatur von -120 Grad Celsius. Hier spürte ich sofort einen Unterschied, wenn auch keinen extremen. Es war in etwa so, als würde ich im Winter kurz ohne Jacke rausgehen, um den Müll wegzuschmeißen. Ich hatte Gänsehaut und fror zwar leicht, aber es war gut auszuhalten – zumindest während der ersten von drei Minuten.

Außerdem hatte ich das Gefühl, dass mein Körper langsam zur Ruhe kommt und sich entspannt. Laut der Ärztin Evelyne Bischof, mit der ich im Anschluss an die Therapie sprach, ist das eine gängige Reaktion auf Kältetherapien. Denn in der Kryokammer "sinkt die Sensibilität der Nervenzellen". Dadurch werde man "taub" gegenüber äußeren Einflüssen und das Gehirn begebe sich "direkt in einen Entspannungszustand", erklärte sie.

Nach etwas über einer Minute fing ich aber an, zu zittern. Erst dann wurde mir wirklich bewusst, was für eine Herausforderung solche Temperaturen für unseren Körper sind. Durch das Zittern bei extremer Kälte versucht unser Körper nämlich, seine Temperatur zu regulieren.

Mit der Zeit wurde das Zittern immer stärker und so schwenkte auch meine anfängliche Entspannung langsam wieder in eine innere Unruhe um. Plötzlich war mir so kalt, dass ich anfangen musste, mich zu bewegen. Ich lief in der Kammer hin und her, verzog vor Kälte mein Gesicht und versuchte, meine Arme wieder warm zu rubbeln. Auch meine Zähne fingen an, zu klappern.

Nach einer Weile spürte ich Schmerzen in den Beinen

Doch die dritte und damit letzte Minute war noch extremer. Denn jetzt fingen auch noch meine Beine an, vor Kälte wehzutun. Vor allem in meinen Oberschenkeln spürte ich einen stechenden Schmerz. Bischof zufolge liegt das daran, dass sich die Schmerzrezeptoren des Körpers aktivieren, "wenn man über längere Zeit starker Kälte ausgesetzt ist."

Spätestens dann wusste ich, dass ich es nicht mehr lange in der Kryokammer aushalten würde. Ich wollte aber auch nicht aufgeben und die Therapie vor Ablauf der Zeit abbrechen. Also biss ich die Zähne zusammen, starrte sehnsüchtig auf die Uhr und hoffte, dass der Countdown dadurch schneller enden würde. Und kaum war die Zeit abgelaufen, riss ich die Tür hinter mir auf und flüchtete über die Vorkammer zurück "in die Freiheit".

Schon direkt nach der Behandlung fühlte ich mich wacher und voller Energie

Sobald ich wieder draußen war, atmete ich auf. Der Mitarbeiter erzählte mir, dass viele Anfänger nicht die gesamten vier Minuten in der Kryokammer aushalten. Deshalb machte es mich einerseits stolz, dass es mir offensichtlich gelungen war. Andererseits wollte ich einfach nur so schnell wie möglich in einen dicken Pulli schlüpfen und mich wie eine Eidechse in die Sonne legen. Das schien auch der Mitarbeiter zu merken, denn er führte mich gleich im Anschluss an die Kryotherapie in einen Sportraum. Dort trat ich zum Warmwerden für acht Minuten auf einem Fitness-Bike in die Pedale.

Während ich auf dem Fahrrad saß und sich mein Körper langsam von dem Kälteschock erholte, spürte ich auch schon die ersten Effekte der Kryotherapie. Plötzlich fühlte ich mich total wach und deutlich energiegeladener als zuvor. Ich hatte das Gefühl, Bäume ausreißen zu können und ertappte mich dabei, wie ich ambitionierte Sportpläne für den Rest des Tages machte, obwohl ich um diese Uhrzeit normalerweise nur noch an eine entspannte Zeit auf dem Sofa denke.

Auch das sei Evelyne Bischof zufolge "physiologisch nachvollziehbar". Sie erklärt: "Nach der Kryotherapie erlebt der Körper eine Art 'Wiederbelebung', da der plötzliche Temperaturwechsel die Blutzirkulation ankurbelt und den Stoffwechsel anregt." Doch auch die "Freisetzung von Adrenalin und anderen Stresshormonen" infolge der Kältetherapie könnten "zu einem Gefühl von erhöhter Wachheit und Energie" führen.

Nach der Kryotherapie hatte ich Probleme beim Einschlafen

Die Glücksgefühle nach meinem Besuch in der Kältekammer hielten bei mir bis in die späten Abendstunden an. Ich war fit, wollte mich bewegen und stundenlang quatschen. Aber was sich so gut anfühlte, erwies sich letztendlich auch als kleiner Nachteil. Ich wurde nämlich einfach nicht müde, obwohl der Rest meiner Familie schon längst im Bett war. Verzweifelt legte ich mich schließlich ebenfalls hin, weil ich nicht wusste, was ich mitten in der Nacht noch mit dieser überschüssigen Energie anstellen sollte.

Der Ärztin zufolge war der Grund für meine Probleme beim Einschlafen "die Stimulation des sympathischen Nervensystems" infolge der Kryotherapie. "Sobald sich der Körper jedoch beruhigt, kann der Tiefschlaf ohne Unterbrechungen auftreten, da der Körper gut erholt ist und die Erholungshormone wie Melatonin effektiver wirken", sagte sie. Und tatsächlich: Ich las noch Nachrichten auf meinem Handy, starrte eine Weile an die Decke und letztendlich gelang es mir auch, zwei Stunden nach meiner üblichen Schlafenszeit tief einzuschlafen.

Lohnt sich eine Kryotherapie?

Insgesamt bin ich mit meinem Besuch in der Kryokammer sehr zufrieden. Ich hatte zwar anfangs keine großen Erwartungen, war dann aber positiv davon überrascht, wie effektiv die Behandlung war. Vor allem der Energieschub nach der Therapie tat mir wirklich gut – zumal ich seit Frühlingsbeginn mit starker Müdigkeit zu kämpfen habe. Außerdem war es eine spannende Erfahrung, mich selbst zu überwinden und in dieser Extremsituation auszuharren – auch wenn es "nur" wenige Minuten waren. Ich fühlte mich nach der Kryotherapie sowohl körperlich als auch geistig gestärkt. Deswegen könnte ich mir vorstellen, in Zukunft öfter eine Kryokammer zu nutzen.

Auch die Ärztin Evelyne Bischof sagt, dass eine Kryotherapie positiven Einfluss auf die Gesundheit haben kann. Unter anderem könne sie "Entzündungen reduzieren, die Erholungszeit nach dem Sport verkürzen und das allgemeine Wohlbefinden verbessern". Euch weitere Lebensjahre schenken, wie einige Longevity-Gurus behaupten, kann sie jedoch wahrscheinlich nicht. Zumindest konnten bisherige Studien noch keine Effekte spezifisch für die Langlebigkeit belegen. Bischof zufolge ist es außerdem wichtig, die Kryotherapie "nur unter fachkundiger Anleitung" durchzuführen. Anderenfalls bestehe das Risiko einer Erfrierung.