Fakten vs. Mythen: Ist Blut eigentlich blau?
Die Annahme, dass Blut nicht rot, sondern blau sein könnte und sich erst durch den Kontakt mit Sauerstoff farblich verändert, klingt so logisch wie altbekannt. Die Frage ist nur: Was ist dran am Mythos vom blauen Blut?
Der Glaube, dass zumindest manche Menschen blaues Blut haben könnten, ist schon Jahrhunderte alt. Genauer gesagt gibt es ihn seit dem Mittelalter, als zum ersten Mal der Begriff des "blauen Blutes" in Bezug auf Adelige fiel: Sie hätten blaues Blut, das durch die edle Blässe der Haut durchschimmerte, hieß es. Eine Probe aufs Exempel – also Beobachtungen, wie sich ein solch "Blaublütiger" aus Versehen in den Finger schnitt – ist aus dieser Zeit nicht überliefert. Das heute erwartete Ergebnis – ein roter Blutstropfen, trotz der adeligen Herkunft – könnte einer aktuellen Annahme allerdings in die Hände spielen: Der zufolge nämlich soll jedes Blut, das durch einen menschlichen Körper fließt, erst mal blau sein. Erst mit der Interaktion mit Sauerstoff färbt sich das blaue Blut der Theorie zufolge rot. Kann das stimmen?
Faktencheck: Ist Blut eigentlich blau – und färbt sich nur durch den Kontakt mit Sauerstoff rot?
So viel ist sicher: Auf bestimmte Tiere trifft die Annahme, sie seien "blaublütig", tatsächlich zu. Weichtiere und Gliederfüßer, darunter Tintenfische, die meisten Schnecken, Spinnen, Skorpione und viele Krebse, haben statt rotem blaues Blut. Die Ursache: Hämocyanin, ein blaues Kupferprotein, das unter anderem von den Instituten für Zoologie und molekulare Biophysik der Uni Mainz erforscht wurde und das frei gelöst im Blut von zum Beispiel Vogelspinnen und Weinbergschnecken den Sauerstoff transportiert. Und tatsächlich färbt sich Kupfer bei der Reaktion mit Sauerstoff nicht rot, sondern grünlich-blau.
Hämocyanin färbt das Blut grünlich-bläulich – bei Weichtieren
Doch natürlich gibt es Unterschiede zwischen Schnecken, Tintenfischen und uns Menschen: unter anderem die Tatsache, dass für die Farbe von menschlichem Blut nicht Hämocyanin, sondern Hämoglobin verantwortlich ist. Die beiden Blutfarbstoffe sind chemisch zwar ähnlich aufgebaut, das zusätzliche Kupferatom – entscheidend für die Blaufärbung bei Sauerstoffkontakt – fehlt im menschlichen Blut jedoch bzw. ist durch Eisen ersetzt. Ganz grob gesagt ist das enthaltene Eisen – ein Stoff, der bekanntlich beim Kontakt mit Sauerstoff rostet, also rot wird – verantwortlich für die rote Farbe des menschlichen Bluts. Es unterstützt zudem den Sauerstofftransport und trägt zur Bildung von Hämoglobin sowie den roten Blutkörperchen – auch Erythrozyten genannt – bei.
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Die Theorie, dass auch wir Menschen über blaues Blut verfügen, das sich lediglich bei der Reaktion mit Sauerstoff rot färbt, ist damit widerlegt. Und doch stellen sich weitere Fragen, denn das Farbspektrum von menschlichem Blut hat durchaus Spielraum. Wie kommt das?
Warum ist Blut nicht immer gleich rot?
Wie rot menschliches Blut aussieht, ist unter anderem vom Sauerstoffgehalt des Bluts abhängig. Mit Sauerstoff angereichertes Blut ist heller und kräftiger gefärbt als sauerstoffarmes Blut, bestätigt das Deutsche Rote Kreuz: "Wenn die Hämgruppe (Anteil des Hämoglobins, der Sauerstoff bindet, Anm. d. Red.) Sauerstoff aufnimmt, vollzieht sie eine Konformationsänderung. Dabei ändert das Eisen seine Position und das Licht wird anders absorbiert. Eine Farbänderung von dunkel zu hell ist die Folge."
Ob – beispielsweise nach einem Schnitt, bei dem Blut fließt – besonders helles oder dunkles Blut fließt, kann also auch davon abhängig sein, ob eine Vene oder eine Arterie verletzt wurde. Während die Körperschlagadern sauerstoffreiches, hellrotes Blut vom Herzen in die Organe und Extremitäten führen, leiten die Lungenschlagadern sauerstoffarmes, dunkelrotes Blut vom Herzen zurück zur Lunge.
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Auch Medikamente können in Einzelfällen die Farbe des Blutes verändern. So wird bei Sumatriptan – einem bereits lange untersuchten Wirkstoff aus der Gruppe der Triptane, die zur Behandlung akuter Migräneanfälle eingesetzt werden – in sehr seltenen Fällen von einer Verfärbung des Blutes ins Grünlich-Schwarze berichtet. Auch Schwefelwasserstoffvergiftungen können zu einer solchen Sulfhämoglobinämie genannten Verfärbung führen.
Optische Täuschung? Warum Blut manchmal blau wirkt
Zurück zum blauen Blut – und den dunkelhäutigen maurischen Herrschern, die im Mittelalter überrascht über das "azurblaue Blut" der germanischen Westgoten waren. Hierbei handelt es sich schlicht und einfach um eine optische Täuschung.
Schon 1996 untersuchten Forscher, warum blutführende Gefäße wie Adern oder Venen in menschlichem Gewebe blau erscheinen können. Demnach wirkt die Haut wie ein Filter, der nur blaues Licht durchlässt.
Wird eine Ader, die etwa zwischen einem halben und zwei Millimetern unter der Haut liegt, durch die Haut hindurch betrachtet, wird bei Tageslicht also das kurzwellige blaue Licht stärker reflektiert, während der langwellige, rote Anteil des Blutes absorbiert wird. Das gilt für alle Hauttypen, kommt aber bei "vornehmer Blässe" besonders zur Geltung.
Es gibt jedoch Unterschiede – denn nicht jede Blutbahn wirkt durch die Haut hindurch gleich blau oder rot: "Das rote Licht dringt tiefer in die Haut und wird vom Blut absorbiert. Übrig bleiben vor allem die blauen Anteile des Spektrums, die reflektiert werden und die wir sehen. Deshalb erscheinen Adern (nur) in dieser Gewebetiefe blau", heißt es in einem erklärenden Beitrag des Wissenschaftsmagazins Spektrum.
Mit moderner Technik hätten die Mauren aus dem Mittelalter die optische Täuschung leicht enttarnen können. Bei Spektrum heißt es nämlich weiter: "Leuchtet man hingegen mit einer starken Taschenlampe durch die Hand, so zeigt sich wieder die wahre Farbe des Bluts: Es ist und bleibt rot."