Filmtipp: „Drei Töchter“ mit Natasha Lyonne, Carrie Coon und Elizabeth Olsen ist ein berührendes Drama, das lange nachhallt
Die Zeichen stehen beim Film „Drei Töchter“ nicht unbedingt vielversprechend, betrachtet man das Setting der Handlung. Rund 90 Prozent vollzieht sich in den beengt wirkenden Räumen der New Yorker Wohnung, die der gemeinsame Vater der drei Schwestern Katie, Christina und Rachel bewohnt. Die anderen vielleicht sieben Prozent auf einer Parkbank vor dem Haus, auf die sich Rachel zum Kiffen flüchtet. Und ein Prozent in einen Kiosk ums Eck, in dem sie Nachschub besorgt. Oder war es doch Dosenbier? Egal. Jedenfalls gelingt es es dem Regisseur Azazel Jacobs trotzdem oder vielleicht genau aufgrund dieser filmischen Basis, mit seinem Werk so viel inhaltliche Tiefe anzurühren, dass rund hundert Minuten gewiss nicht langatmig wirken. Sondern vielmehr zur bereichernden emotionalen Erfahrung für die Menschen auf und abseits des Bildschirmes werden.
„Drei Töchter“ auf Netflix: Davon handelt der Film
Mit dem Film „Drei Töchter“ (Originaltitel: „His Three Daugthers“) greift Azazel Jacobs eine sehr tragische Realität auf, die viele Menschen rund um den Globus kennen oder bereits einmal durchlebt haben. Der Vater der titelgebenden drei Töchter ist schwer an Krebs erkrankt und liegt im Sterben, im heimischen Bett und unter Einfluss von schmerzlinderndem Morphium. Seine Ärzt*innen sind sich sicher, dass die Zeichen auf Ende stehen und Vincent (Jay O. Sanders) nicht mehr lange leben wird. Aus diesem Anlass kehren die Schwestern Katie (Carrie Coon) und Christina (Elizabeth Olson) in die New Yorker Wohnung ihres Vaters zurück. Dort treffen sie auf Rachel (Natasha Lyonne), ihre Stiefschwester einer anderen Mutter und streng genommen auch nicht biologische Tochter von Vincent. Ihr Vater starb, als sie vier Jahre alt war, sie kennt nur Vincent als Vaterfigur. Und betrachtet ihn deshalb auch, absolut nachvollziehbar, als ihren einzigen Vater.
Charakterlich wie auch in ihren Lebenswegen könnten die drei Frauen auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Eine Tatsache, die sich im Laufe der Handlung bemerkbar macht und in zunehmenden Spannungen entlädt. Da ist Katie, die in Brooklyn lebt und sich dort mit ihrer rebellischen Teenagertochter herumschlagen muss. Und Christina, die mehrere tausend Kilometer entfernt wohnt, wo genau, wird nicht erwähnt, mit ihrer dreijährigen Tochter Mirabella und ihrem Mann David. Und in Erwähnungen der anderen immer als etwas hippieesk dargestellt wird: Sie singt an Vincents Bett gerne Lieder der „Grateful Dead“, praktiziert Yoga und wirkt mental oft mehr ab- als anwesend. Und zuletzt Rachel, die gemeinsam mit Vincent in der Wohnung lebt. Und erstaunlich viel Zeit damit verbringt, Joints zu rollen und zu konsumieren. Die außerdem ihr Geld mit Sportwetten verdient, wie man erfährt, und diese Leidenschaft mit Vincent teilt. Sich aber vornehmlich in ihr Zimmer zurückzieht, während Christina und Katie abwechselnd am Bett des Vaters wachen oder Vorkehrungen für die Zeit nach seinem Tod zu treffen versuchen. Nun also müssen diese drei Menschen auf engstem Raum Zeit verbringen, die gezählt ist.
Der Film „Drei Töchter“ ist nah an der Realität vieler und deshalb so berührend
Manche Fragestellungen, die der Film aufwirft, werden konkret von den Schwestern thematisiert. Allen voran die wohl größte: Was wird die drei nach dem Tod des Vaters noch verbinden, wo sie gegensätzlicher kaum sein könnten? Wie geht es dann mit ihnen weiter? Und wird es das überhaupt? Zugleich aber greift die Handlung unterschwellig weitere Themen auf, die wohl viele Menschen in ähnlichen Situationen kennen, bei der es um die Pflege und letzte Begleitung einer geliebten Person geht. Vor allem solche, die einer Familie abseits des klassischen Rollenbildes gehören. Etwa: Was macht Familie zu Familie? Und wer hat das Recht, über einen anderen Menschen zu entscheiden, die biologischen Kinder oder die nicht-biologischen, die sich aber hingebungsvoll kümmerten? Und wieso überhaupt müssen derartige Fragen ausdiskutiert werden, während die Zeit des Vaters doch so tragisch gezählt ist? Sollte man die wenigen Momente in Beisammensein nicht anders nutzen?
Immens bereichert wird der Film von der Performance der drei Hauptdarstellerinnen. Carrie Coon, Elizabeth Olsen und Natasha Lyonne sind eine klug gewählte Besetzung für einen Film über gegensätzliche Schwestern: Allen drei ist gemein, dass ihre Filmcharaktere so authentisch ausgeformt sind, dass sie selbst in unangenehmen Momenten nahbar wirken und man sich mit ihnen und ihrem Kummer identifizieren kann. Und alle drei tragen mit ihrer schauspielerischen Leistung dazu bei, dass die ausgesprochenen wie auch nicht ausgesprochenen Themen tief ins Mark gehen. So viel sei an dieser Stelle gesagt, ohne den weiteren Handlungsverlauf vorwegzunehmen: Wer emotional in keiner guten Verfassung ist, sollte den Film vermutlich ein andermal ansehen. Für alle anderen ist „Drei Töchter“ eine klare Empfehlung, wenn Sie einen Film suchen, der Sie noch lange nach seinem Ende zum Nachdenken anregen wird. Und vielleicht sogar dazu inspiriert, Missverständnisse und Streitthemen aus dem eigenen Leben anzugehen und aus der Welt zu schaffen. Denn unsere Zeit auf dieser Erde ist gezählt, das macht „Drei Töchter“ auf erschütternde wie berührende Weise deutlich.
Der Film „Drei Töchter“ ist ab sofort bei Netflix zum Streaming verfügbar.