Öffentliche Liebeserklärungen – süß oder eine unangebrachte Begleiterscheinung unserer Zeit?

Sind öffentlich Liebesbekundungen in den Soziale Medien süß oder zu viel

Viele Liebeserklärungen werden heutzutage nicht mehr mit der Hand geschrieben, sondern auf Social Media veröffentlicht. Ist das noch süß – oder eher unangebracht?

Getty Images, George Marks

„An die unglaublichste Ehefrau und Mutter. Die Stärke, die Du im letzten Jahr gezeigt hast, ist bemerkenswert. George, Charlotte, Louis und ich sind so stolz auf Dich. Herzlichen Glückwunsch, Catherine. Wir lieben Dich. W“, gratuliert Kronprinz William seiner Frau rührend, aber doch sehr persönlich auf dem offiziellen Instagram-Account von ihm und Prinzessin Catherine.

Ob an die eigenen Eltern, Kinder oder eben Partner*innen – öffentliche Gratulationen und Liebeserklärungen sind sehr en vogue in den Sozialen Medien. Ist das noch süß oder einfach zu viel? Drückt man so wirklich seine Liebe oder Zuneigung aus, oder möchte man damit schlicht Aufmerksamkeit erregen? Ich versuche mich im Folgenden an einer Einordnung.

Öffentliche Liebesbekundungen: Was man darunter alles versteht

In Amerika heißen öffentliche Liebesbekundungen „PDA“. Hinter der Abkürzung stehen die Worte „public display of affection“was übersetzt das öffentliche Zeigen von Zuneigung bedeutet. Darunter fallen zum Beispiel Küssen, Kuscheln und Händchenhalten, sich etwas Intimes ins Ohr zu flüstern, aber auch Liebeserklärungen auf Sozialen Plattformen wie Instagram. Um Letztere soll es in diesem Text gehen.

Liebesbekundungen an den Partner oder die Partnerin findet man auf fast jedem größeren Instagram-Profil. Ziemlich „in“ sind neben persönlichen Gratulationen an die Liebste oder den Liebsten aber auch jene an die Kinder, ob nun zum ersten oder zwölften Geburtstag, spielt dabei keine Rolle. Es werden hierbei die Charaktereigenschaften des Kindes hervorgehoben („Deine Sanftheit und Stärke beeindrucken uns täglich“), wie toll der Nachwuchs dieses oder jenes macht („Du bist sooo klug und kreativ“) und wie unglaublich stolz man als Eltern ist („Mami und Papi sind unendlich froh, Dich zum Kind zu haben“), wird ebenfalls mindestens einmal hervorgehoben. Oft lese ich diese Textchen und bin eine Mischung aus gerührt und irritiert über das, was ich lese. Irritiert vor allem deshalb, weil ich mich doch frage, für wen diese Zeilen in Wahrheit geschrieben worden sind. Und selbst dann, wenn der Adressat oder die Adressatin bereits lesen kann – wäre es nicht sinnvoller, die Worte direkt an die Person zu richten? Genau hier beginnt das Problem meiner Meinung nach.

An wen sich öffentliche Liebeserklärungen in den Sozialen Medien oft richten

Manchmal passiert Folgendes: Ich lese eine überschwängliche Liebeserklärung von Content Creatorin XY an ihren Partner (#couplegoals, #lyouaremyeverthing, #team) und komme nach ein wenig Überlegen zum Schluss, dass meine Partnerschaft nicht annähernd so liebevoll/leidenschaftlich/harmonisch ist. Ich vergleiche mich also. Da kann diese oder jene Content Creatorin selbstverständlich nichts direkt dafür, denn für meine Gedanken bin ausschließlich ich verantwortlich, aber: Es ist anzunehmen, dass man sich heutzutage darüber bewusst ist, dass auf Social Media ein Vergleich stattfindet. Dass man also, vor allem dann, wenn man eine größere Anzahl an Follower*innen hat, eine Art Vorbild ist. Und ja, dass sich Menschen mit einem selbst messen.

Seine Zuneigung öffentlich machen, soll jede*r, der oder dem danach ist, verstehen Sie mich nicht falsch. Sofern man allerdings regelmäßig und ausschließlich die Makellosigkeit der eigenen Beziehung zum Partner oder den Kindern hervorhebt, um vor allem sich selbst damit zu schmücken oder ein bestimmtes Bild abgeben zu wollen, finde ich das in den Sozialen Medien problematisch (im echten Leben übrigens auch). Wenn heute noch das perfekte Familienleben und die wunderbare Partnerschaft hochgelobt werden und überübermorgen die Trennung bekanntgegeben wird oder alle Pärchen-Fotos urplötzlich aus dem Feed verschwinden (was ja durchaus nicht selten vorkommt), wird deutlich, dass man auf Plattformen wie Instagram vor allem eines sieht: nur einen Teil der Wahrheit. Es macht Sinn, sich das immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn man zeilenlange, öffentliche Liebeserklärungen liest. Was da steht, muss nicht falsch sein, das möchte ich natürlich niemandem unterstellen – aber es zeigt eben nur eine Seite. In fast jeder Beziehung, sei es nun die zwischen Eltern oder Eltern und Kindern, gibt es Konflikte, nur sieht oder liest man von diesen öffentlich oft nichts.

Öffentlich die Liebe gestehen – ja oder nein?

Ob die als persönliche Gratulation formulierten Worte von Prinz William an seine Frau Prinzessin Catherine hätte sein müssen? Meiner Meinung nach nicht, die Worte tun allerdings auch keinem weh. Für meinen Geschmack hätte man den Text besser so formuliert, dass er sich nicht direkt an die Adressatin richtet (wofür gibt es schließlich Grußkarten?!), aber vielleicht ist das auch Geschmacksache.

Ich persönlich finde es immer noch am schönsten, wenn man seine Zuneigung einzig und allein an die Person richtet, der sie gilt. Gerade sehr intime Liebeserklärungen, die über eine Gratulation hinausgehen, würde ich niemals öffentlich posten. Und generell darf man sich, wie ich finde, künftig besser einmal mehr als zu wenig fragen, warum man dieses oder jenes Detail mit der Öffentlichkeit teilen möchte. Mag man damit einzig seine Freude oder seinen Stolz zeigen oder hat die Botschaft einen Mehrwert für andere? Könnte man jemanden verletzen, mit dem, was man vorhat, zu teilen? Meine Tochter wird Ende des Monats vier Jahre alt und natürlich ist sie in meiner Welt das aller tollste Mädchen. Die Geburtstagsglückwünsche von meinem Partner und mir an sie teile ich trotzdem nur mit ihr. Handgeschrieben und in Form einer Geburtstagskarte, versteht sich. Damit sie vielleicht eines Tages wirklich lesen kann, was ihre Eltern ihr zum vierten Geburtstag gewünscht haben.