Frau erhält Jobabsage, weil sie im Vorstellungsgespräch ungeschminkt ist

Melissa Weaver bekam den erhofften Job nicht, weil sie sich Im Vorstellungsgespräch bei ihrem Aussehen „nicht genug Mühe“ gegeben hatte (Symbolbild: Getty).
Melissa Weaver bekam den erhofften Job nicht, weil sie sich Im Vorstellungsgespräch bei ihrem Aussehen "nicht genug Mühe" gegeben hatte. (Symbolbild: Getty).

Die Suche nach einem Job kann sehr anstrengend sein. Man bemüht sich, und wenn die Anstrengungen am Ende nicht belohnt werden, ist die Enttäuschung verständlicherweise sehr groß. Bei Melissa Weaver aus New York lief das Vorstellungsgespräch richtig gut - als sie dann die Begründung für ihre Absage hörte, war der Frust der 30-Jährigen aber umso größer. Sie teilte ihre Erfahrung schließlich auf Tiktok. Denn der Grund für die Absage war laut der Personalerin, dass sie sich nicht genug Mühe mit ihrem Äußeren gegeben habe.

Aber der Reihe nach: Weaver hatte sich für eine Stelle als "vice president" der Personalabteilung bei einem Tech-Unternehmen beworben, nachdem sie im Dezember von ihrer vorherigen Stelle entlassen worden war. Sie war begeistert, als sie tatsächlich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekam, das ihrer Einschätzung nach auch noch richtig gut lief.

Jobabsage wegen Aussehen? "Ich war wirklich enttäuscht"

Sie sagt in ihrem Tiktok-Video: "Auf jede Frage, die sie mir stellte, hatte ich eine gute Antwort." Schließlich habe sie früher selbst in der Personalvermittlung gearbeitet: "Ich weiß, wie man ein Vorstellungsgespräch führt." Doch als die Bewerberin erfuhr, dass sie nicht in die nächste Runde gekommen war, konnte sie das nicht nachvollziehen. Sie erzählt: "Ich war wirklich enttäuscht, weil ich den Job wirklich wollte und ich war auch sehr verwirrt." Melissa Weaver bat deshalb per Mail um Feedback, um die Gründe der Absage besser verstehen zu können.

Als sie eine Antwortmail der HR-Abteilung erhielt, konnte sie kaum fassen, was diese als Grund der Absage angaben. "Mein Hintergrund stimmt genau damit überein, was sie suchen, meine Erfahrungen passen genau zu dem, was sie für die Position brauchen, meine Ziele stimmen mit denen des Unternehmens überein", so Weaver. Dennoch hätte die Personalerin Bedenken, weil sie nicht genügend Mühe in ihr Aufsehen gesteckt hätte und das nicht zur Position passe, für die sie sich beworben hat.

Als sie erfuhr, dass also ihr Aussehen ein Grund für die Ablehnung gewesen sein soll, schloss Weaver für daraus, dass man von ihr offenbar erwartet habe, Make-up zu tragen. "Ich habe meine Haare geföhnt, ich hatte ein schönes Oberteil an, einen Blazer, ein paar Ohrringe, aber ich habe nur Lipgloss aufgetragen, ich hatte kein Make-up", gab sie zu, "ich trage nicht wirklich viel Make-up, ich will nicht schrullig sein, ich mache das einfach nicht." In einem Follow-up-Video erläuterte sie, dass das Tragen von Make-up ihre Augen und ihre Haut reizt, weshalb sie es möglichst vermeidet.

Zum Schluss des Videos fragt sie die Community: "Wenn Frauen zu Vorstellungsgesprächen kein Make-up tragen, erweckt das den Anschein, dass sie sich nicht genügend Mühe geben für den Job?"

"Ist das legal?": Nutzer reagieren fassungslos

Nachdem sie auf TikTok geschildert hatte, wie das Job-Interview abgelaufen ist, ging ihr Clip schnell viral und darunter sammelten sich mehr als 5000 Kommentare. Viele User äußerten sich schockiert über ihre Schilderungen und teilten ähnliche Erfahrungen. "Ist das legal?!", fragte eine Person. Eine Nutzerin kommentierte: "Wird Männern ein Job verweigert, weil sie kein Make-up tragen?... Es ist absolut lächerlich, dass man von uns erwartet, dass wir unser Gesicht buchstäblich FÄRBEN, um als 'gepflegt' oder 'professionell' zu gelten... Ich kann nicht glauben, dass sie das schriftlich festgehalten hat...".

Gegenüber "Business Insider" brachte Weaver ihre Enttäuschung zum Ausdruck und erklärte: "Wenn ich lese, dass im Jahr 2024 unser Aussehen in irgendeiner Weise mit unserer Fähigkeit zusammenhängt, unsere Arbeit zu erledigen, ist das sehr entmutigend. Viele Menschen benutzen Make-up, um ihre Gesichtszüge zu verschönern. Aber die Vorstellung, dass das eine Voraussetzung ist, ist irgendwie verrückt." Sie fuhr fort: "Tatsache ist, dass Make-up nur für Frauen gilt. Von Männern wird nicht erwartet, dass sie sich schminken oder konturieren oder was auch immer. Aber dass sich etwas Geschlechtsspezifisches irgendwie auf eine Rolle auswirken kann, ist nicht gut."

"Pretty Privilege": Haben hübsche Menschen bessere Jobchancen?

Einige Nutzer verwiesen in den Kommentaren unter Weaver's Tiktok-Clips auf den Hashtag #prettyprivilege, der das Phänomen beschreibt, das Menschen oft Vorteile haben, wenn sie als "hübsch" angesehen werden - und oftmals werden geschminkte Frauen als "hübscher" angesehen. Auch beim Thema Jobsuche und Verdienst in der Berufswelt spielt das Thema Aussehen eine Rolle: Dass Attraktivität im Job und anderen Lebenssituationen Vorteile bringen kann, haben Forschende mehrfach bewiesen. In einer Studie mit dem Titel "Why Beauty matters" fanden Markus Mobius und Tanya Rosenblatt (2006) etwa heraus, dass als physisch attraktiv geltende Mitarbeiter*innen mehr Geld verdienen als ihre weniger attraktiven Kolleg*innen.

Auch Daniel Hamermesh, Arbeitsökonom und Professor, hat sich in den letzten 30 Jahren mit dem Thema beschäftigt und seine Erkenntnisse in dem Buch "Beauty Pays: Why Attractive People Are More Successful" veröffentlicht. Demnach verdienen "gutaussehende" Männer im Durchschnitt zehn Prozent mehr, bei den Frauen liegt der Verdienst im Vergleich etwa fünf bis acht Prozent höher. Objektiv gutaussehenden Menschen würden außerdem bessere soziale, geistige und kommunikative Fähigkeiten zugeschrieben.

Doch wie eine weitere Studie zeigt, muss das nicht zwingend ein Vorteil sein: Denn wie die israelischen Forscher Bradley J. Ruffle von und Ze'ev Shtudiner herausgefunden haben, haben als "gutaussehend" geltende Frauen im Bewerbungsprozess generell sogar eher Nachteile und werden insgesamt deutlich seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen als attraktive männliche Mitbewerber oder Frauen mit einem durchschnittlichen Äußeren. Die Forscher erklären sich das unter anderem mit dem Neid von Frauen auf andere schöne Frauen und mit der allgemeinen negativen gesellschaftlichen Wahrnehmung gutaussehender Frauen.