Gebrauchte Handys kreativ nutzen: Praktische Tipps und App-Empfehlungen

In fast jedem Haushalt schlummern ausgemusterte Smartphones vor sich hin. Das ist schade, denn die alten Geräte können oft noch sinnvoll eingesetzt werden.

Person mit iPhone 6
Person mit iPhone 6

Die Idee eines zweiten Lebens für eigentlich ausgemusterte Hardware lässt sich inzwischen schon an den Preisen der neueren Oberklasse-Smartphones festmachen: Wer nicht gerade im Geld schwimmt oder den Leichtsinn als Lebensmotto pflegt, wird sein teures Gerät kaum auf einer Kanutour riskieren wollen oder es beim Mountainbiking an den Lenker klemmen. Für solche raueren Aktivitäten lohnt es, ein ausgemustertes Exemplar parat zu haben, das mit ein wenig gelegentlicher Aufmerksamkeit bei Bedarf dann auch einsatzbereit ist.

Der Aufwand, so ein Schubladengerät am Leben zu halten, ist überschaubar: Da die Akkus im ausgeschalteten Zustand nur eine geringe Selbstentladung aufweisen, reicht es aus, das Gerät alle halbe Jahre einmal anzuschalten und gegebenenfalls kurz nachzuladen. Für die Lagerung ist ein Akkustand bei etwa 50 Prozent optimal. Bei der Gelegenheit sollte man das Gerät dann auch mit dem WLAN verbinden, um zwischenzeitlich verpasste Updates aus dem App-Store nachzuladen.

Alte Hardware sinnvoll nutzen

Viele Geräte sind aber zu schade, um sie als Reserve herumliegen zu lassen. Erfahrungsgemäß passiert es oft, dass man unnötigerweise über die Anschaffung irgendeines Geräts nachdenkt und vergisst, dass ein Handy oder Tablet den gewünschten Zweck ebenso erfüllen kann.

Kamera

Ein typisches Beispiel wäre der Einsatz als Webcam neben einem Monitor, z.B. mit der App »DroidCam«. Die App bietet eine Anbindung zum PC per USB oder WLAN und ist einer kommerziellen Webcam damit ebenbürtig; per OBS-Standard können auch Bildschirminhalte/Präsentationen geteilt werden. Ebenfalls für den Einsatz als IP-Überwachungskamera ist »DroidCam« gut geeignet – aus dem banalen Grund, dass die IP-Adresse bzw. die URL der Kamera nicht erst auf dem Router ermittelt werden muss, sondern als Erstes in der App angezeigt wird. Aber es geht noch einfacher: Wer nur zwei Smartphones im WLAN als Sender und Empfänger konfigurieren möchte, sollte »Remote Video Camera« von Ivo Zivkov (nur Android) ausprobieren.

Für den Zugriff von außen via Internet bietet sich eine Reihe von Apps an, teils mit spezifischer Ausrichtung, die aber durchweg kostenpflichtig sind: »Barkio« ist eine Haustierkamera für den Hund, mit der das Tier nicht nur live beobachtet, sondern auch aus der Ferne angesprochen werden kann. Die Preise des Komplettpakets liegen zwischen 3,69 Euro pro Woche und 39,99 pro Jahr: Dafür gibt es Bild-Benachrichtigungen über Aktivitäten, und per Videochat kann man das Tier beruhigen. Zur allgemeinen Überwachung mit Fernzugriff ist »Alfred« sehr beliebt; sogar der Einsatz als Babyfon ist möglich. Die App kostet im Jahresabo 29,99 US-Dollar (ca. 27 Euro).

Tipp: Für die sporadische Nutzung kann man sich mit einer flexiblen Saugnapfhalterung fürs Auto und einem Teller ein Stativ basteln.

Wetterdisplay

Beim Thema Wetter nerven Werbebanner und oft auch Prognosen mit einem regional recht groben Raster. Empfehlenswerte Apps für kurzzeitige Vorhersagen sind »OpenWeather«, »Windy« und »Weather Underground«. Wegen der besseren Übersicht sind dafür alte Tablets besonders gut geeignet.

Smartphone-Steuerung

Ein weiterer Einsatzzweck für Tablets ist die Nutzung als Smarthome-Zentrale, etwa mit »Home Assistant«; aber selbst einfache Smarthome-Lösungen auf Basis von Amazon Alexa, Google Nest, Philips Hue oder Ledvance Smart+ sind oft Grund genug, ein Zweitgerät zur Bedienung vorzuhalten.

Kiosk-Modus für professionelle Anwendungen

Die oben genannten Einsatzmöglichkeiten als Wetterstation oder Smarthome-Steuerung, aber etwa auch eine Live-Ansicht mehrerer Überwachungskameras kommen professioneller daher, wenn das Gerät im Kiosk-Modus betrieben wird. Damit läuft die gewünschte App (oder eine Website im Browser) stets im Vordergrund, der Zugriff auf andere Apps kann z.B. erst nach Eingabe einer PIN gewährt werden.

So lässt sich übrigens auch verhindern, dass der Nachwuchs mit dem Gerät herumdaddelt. Getestet und für gut befunden haben wir die App »Fully Kiosk Browser & Lockdown«, die auf Wunsch auch mehrere Apps zum Start anbietet und ansonsten flexibel konfiguriert werden kann. Etwa ob ein »Aufwachen« des Geräts bei Bewegungserkennung oder durch Antippen erfolgen soll oder wann bzw. wie oft eine Website neu geladen werden soll, um neue Daten zu holen. Wer sich einen Rahmen für sein Tablet bastelt und das Ladegerät an eine schaltbare Steckdose hängt, hat eine vorzeigbare Lösung. Die App ist kostenlos und kann ausgiebig getestet werden; es lohnt aber, einmalig 7,90 Euro auszugeben, um sämtliche Funktionen freizuschalten.

Nützliche Apps für unterwegs

Beim Einsatz außerhalb der Wohnung bietet sich vor allem Navigation an. »Google Maps« ist Standard, benötigt an vielen Stellen aber eine Datenverbindung. Für eine Nutzung eines Zweitgeräts ohne SIM-Karte lassen sich auch Offline-Karten herunterladen, allerdings hat sich bei längeren Touren »ins Blaue« gelegentlich herausgestellt, dass der frei wählbare Kartenausschnitt doch zu knapp gesetzt wurde. Insgesamt gefiel uns als kostenlose Offline-Navigationslösung (Auto, Rad, Fußgänger) die App »Here WeGo« am besten: einerseits weil sie nicht überfrachtet ist, andererseits weil ganze Bundesländer oder auch eine komplette Deutschlandkarte geladen werden kann. Die Karten werden laufend aktuell gehalten und lassen sich kostenlos updaten.

Wandern und Radfahren

Für Outdoor-Aktivitäten bietet sich vor allem »Komoot« an, weil die App außer Navigation auch detaillierte Tourenvorschläge bietet. So hat man Inspiration und findet neben Wegstrecke und Dauer auch Hinweise zu Sehenswürdigkeiten. Ein Wermutstropfen sind die zunächst etwas happig wirkenden Preise der Offline-Karten, und auch das »Premium«- Abo für 4,99 Euro/Monat erscheint für Gelegenheitsnutzer vielleicht etwas teuer. Angesichts des gebotenen Gegenwerts ist »Komoot« aber eine Empfehlung, zumal man sich davon gratis überzeugen kann: komoot.com

Unterhaltung

Beim Thema Medienwiedergabe steigt das Risiko, in Beliebigkeit abzurutschen, daher in Kürze: Selbst die ältesten Smartphones taugen immer noch als MP3-Player und haben obendrein häufig ein UKW-Radio an Bord, das für den Empfang aber kabelgebundene Kopfhörer als Antenne voraussetzt. E-Book-Reader gibt es ebenfalls zuhauf, jedoch möchten wir »ReadEra« empfehlen, weil die App werbefrei ist, mit vielen Formaten zurechtkommt und ein tolles Ordnungssystem bietet.

Tipp: Abseits von Lyrik und Prosa können Sie hier auch die Betriebsanleitungen technischer Geräte im PDF-Format ablegen. Bildungsbürgerlichen Lesestoff (auch auf Deutsch) gibt es gratis u.a. auf der Website gutenberg.org.

Filme und Serien

Amazon Prime, Netflix und auch die Mediatheken von ARD und ZDF erlauben mit Anmeldung das Herunterladen von Inhalten, die dann auch offline genutzt werden können. Auf langen Fahrten besteht so eine ideale Möglichkeit zur Kinderbespaßung.
Ein Wort zu ganz alter Hardware

Wer ein mehr als zehn Jahre altes Gerät aus der Schublade kramt, wird unter Umständen feststellen, dass trotz funktionierender WLAN- oder Mobilfunkdatenverbindung kein Internetzugang mehr möglich ist. Das liegt meist daran, dass mangels Aktualisierung keine Sicherheitszertifikate mehr vorliegen bzw. die Browser und abgekündigte Betriebssysteme nicht mehr unterstützt werden.

Trost: Es bleibt die Option der Offline-Nutzung einiger vorhandener Apps, vielfach lassen sich Dateien wie E-Books oder MP3-Files noch per Bluetooth oder USB-Kabel übertragen. Über das in Deutschland noch laufende 2G-Netz sind Telefonate und SMS möglich, sofern man eine SIM-Karte einsetzt. Achtung: Notrufe ohne SIM-Karte sind seit 2009 nicht mehr möglich.

Bei der Suche nach alten, lauffähigen Apps hilft z.B. auf reddit.com die Gruppe r/androidafterlife; über Seiten wie apkmirror.com lassen sich Apps für alte Android-Versionen gezielt herausfiltern. Einen Versuch ist es allemal wert.