George Best: Der erste Popstar des Fußballs

Nicht nur seine Mähne war wild: George Best

Ein Bonmot von George Best kennen Sie auf jeden Fall - wenn auch nicht bewusst oder sogar falls Ihnen der legendären Fußballer überhaupt nicht bekannt ist: "Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst." Zugegeben, einen Artikel über Best mit diesem, seinen wohl bekanntesten Zitat, zu beginnen, ist wenig originell. Doch zeigt es deutlich was Best war und wofür er geliebt wurde. Er war ein Lebemann. Ein Charaktertyp. Und ein überragender Fußballer.

Damit unterscheidet er sich von vielen Fußball-Stars der heutigen Zeit, die gute Kicker sein mögen - aber oft, überspitz formuliert, langweilige Typen sind. Solche Spieler wie ihn gibt es im Mainstream-Kommerz-Fußball-Geschäft heute kaum noch. Okay, Zlatan Ibrahimovic oder Francesco Totti haben auch Klasse, aber die eines Best? Können Sie sich vorstellen, dass Mario Götze später einmal solch einen Satz über sein Leben sagt? Oder dass der menschgewordenen Phallus Cristiano Ronaldo die Beliebtheit eines Bests erreicht, weil die Menschen in ihm einen der ihren erkennen?

Der Schienbeinsurfer

Das Seltsame ist, dass, wenn heute Menschen jüngeren Semesters über die Frage sinnieren, wer der beste Fußballer überhaupt war, Namen wie Pelé, Maradona oder Cruyff fallen. Spieler, die sie allesamt nicht mehr live spielen haben sehen, weil deren Karriere schon beendet war. Selten fällt hier der Name Best, obwohl selbst vom großen Pelé folgende Aussage überliefert ist: "Er war der beste Spieler, besser als ich." An anderer Stelle wird Best als "Schienbeinsurfer" betitelt - vom Fußball-technischen Gesichtspunkt her sicher die richtige Bezeichnung für Best.

Allerhöchste Zeit also, solch einem Genie am Ball eine ausführliche deutsche Biographie zu widmen. Und wer wäre dafür besser geeignet als Dietrich Schulze-Marmeling, der Grandseigneur des deutschen Fußball-Journalismus? Auf gut 250 Seiten versucht Schulze-Marmeling uns den Fußballer und Menschen George Best näher zu bringen. In "George Best. Der ungezähmte Fußballer" erfahren wir, warum Best der "fünfte Beatle" genannt, sein Leben neben dem Fußball vor allem vom Alkohol geprägt und er zum Liebling der Massen wurde.

Nachtclubs anstatt Kirchen

Interessant ist die Biografie, weil Schulze-Marmeling zwar auf die Alkohol-Problematik eingeht, im Vordergrund jedoch die fußballerischen Fähigkeiten stehen. Dazu erklärt der Autor parallel zum Leben des Fußball-Genies die politischen Auseinandersetzungen seiner Heimat, von Belfast in Nordirland, den Troubles. Er zeigt auf, wie verworren die Lage dort war und wie unversöhnlich sich Katholiken und Protestanten jahrelang in dem kleinen Land gegenüberstanden. Einig ist man sich nur bei George Best: Er ist ein Idol über Konfessionsgrenzen hinaus. Doch die politische Dimension interessierte Best nicht, wie eine seiner Schwester sagte.

Schulze-Marmeling zeigt parallel Biographien prominenter Nordiren auf, um so Bests Karriere einzuordnen. Der Autor geht dabei chronologisch vor, pickt sich interessante Episoden heraus. Als Leitfaden dienen dabei die Spielzeiten der Fußballklubs von Best. Schulze-Marmeling zeichnet so das kurze, aber pralle Leben von "Bestie" gut nach: Seine Ausschweifungen in den Swinging Sixties, das Verhältnis zur Manchester-United-Trainerlegende Matt Busby, seine Verbindung zum nordirischen Konflikt und natürlich sein Alkoholproblem.

Ein Tempodribbler - auf dem Platz, wie auch im Leben

Bemerkenswert sind vor allem das Vorwort und der Epilog, in denen Schulze-Marmeling darauf eingeht, dass Best genau das Element des Spiels war, das heute vielen Mannschaften fehlt. Damit schlägt er den Bogen zum heutigen Fußball, was insbesondere für jüngere Leser interessant sein könnte. Seine These: Das Anarchische, das Individuelle geht vielen Teams heute ab. Denn "das Spiel benötigt nicht nur Soldaten und glatt gebügelte Akademie-Absolventen, die brav den diktierten und einstudierten Laufwegen folgen. Das Spiel benötigt Individualisten. Spieler, die mit einem Schuss Eigensinn die gegnerische Ordnung zum Einsturz bringen, indem sie die eigene für einen Moment ignorieren. Spieler, die auch mal ohne Netz und doppelten Boden und ohne Absicherung durch das System mal etwas wagen."

Best war so: Die pure Lust am Spiel war sein Antrieb. Die konnte und wollte er nie einem Kollektiv opfern oder sich unterordnen. Wenn seine Mannschaft von ihm profitierte: gut. Falls nicht, auch gut. Damit würde er heute sicher bei vielen Trainern anecken. Doch gleichzeitig würde er eben perfekt ins heutige Anforderungsprofil passen, zum Beispiel als Spieler für den Trainer-Guru Pep Guardiola. Best war von kleiner Statur, mit einer überragender Technik gesegnet, spielte Gegenpressing, war offensiv variabel einsetzbar. Ob Guardiola es allerdings tolerieren würde, dass ein Spieler nicht zum Training kommt oder in angetrunkenem Zustand?

Erster Popstar des Fußballs

Seine alles überragenden fußballerischen Fähigkeiten wurden im negativen Sinn darin gespiegelt, dass er nicht im Ansatz fähig war, privat ein geordnetes Leben zu führen. Auch weil Best wie ein Popstar lebte. So wurde er nach seinem Durchbruch in der ersten Mannschaft von Manchester United zum Epizentrum des Partylebens von Manchester. Später besaß er eine eigene Boutique, schwänzte Trainings, hatte Affären mit zahlreichen Misses, wurde verurteilt wegen Körperverletzung, bei Klubs immer wieder rausgeschmissen, fiel mit Trunkenheit am Steuer auf, wurde wegen Diebstahls verhaftet, trank trotz Leberschadens, war wohl depressiv und "ließ Mädels aus aller Welt einfliegen", nur um zu beweisen, dass er es konnte.

George Best genoss sein Leben in vollen Zügen. Ohne Bedauern. Deswegen wird er vielen immer in Erinnerung bleiben. Und weil er ein alles überragender Fußballer war.