Ich habe schon die Trauerrede für meine eigene Beerdigung geschrieben

Die Autorin (nicht im Bild) schrieb die Trauerrede für ihre Beerdigung selbst. - Copyright: Dougal Waters/Getty Images
Die Autorin (nicht im Bild) schrieb die Trauerrede für ihre Beerdigung selbst. - Copyright: Dougal Waters/Getty Images

Kürzlich verlor ein guter Freund unerwartet seinen erwachsenen Sohn. Auch die Vorbereitungen für die Beerdigung und das Schreiben der Trauerrede machten ihm zu schaffen.

Um meinem Freund zu helfen, bot ich an, ihn bei den Vorbereitungen und der Trauerrede zu unterstützen. Während er Erinnerungen sammelte und die Abschiedsrede für ein Leben schrieb, das zu früh endete, fühlte ich mich auf eine seltsame Weise inspiriert. Mir wurde klar, dass ich meine Trauerrede selbst schreiben wollte, das Leben ist schließlich kurz. Ich setzte das Vorhaben in die Tat um. Daraus wurde eine interessante Übung, die mir einen neuen Blick auf mein Leben verschaffen hat.

Wie will ich in Erinnerung bleiben?

Zunächst überlegte ich, wie sich andere an mein Leben erinnern würden. Dann stellte ich mir selbst ein paar Fragen, um die Antworten schriftlich festzuhalten. Ich fragte mich: Was ist wahrscheinlich das Erste, was meinen Freunden, Familienmitgliedern und Bekannten in den Sinn kommt, wenn sie an mich denken? Dazu gehören die guten, die schlechten und die hässlichen Seiten. Alles, was mir in den Sinn kam, habe ich aufgeschrieben.

Die Antwort auf diese Frage fand sich im ersten Absatz meiner Trauerrede wieder: "Sie lebte. Sie liebte. Sie hat ihre Spuren hinterlassen. Sie teilte ihre Weisheit. Sie folgte ihrem Herzen und verfolgte ihre Träume. Sie blieb neugierig und lernte ihr ganzes Leben lang. Wenn die Chancen gegen sie standen, was häufig der Fall war, blieb sie standhaft – wenn auch nur für einen Moment – und kämpfte weiter um ihr Leben. Es gab Zeiten, in denen es sie alles kostete, auf dieser Erde zu bleiben. In diesen Momenten rief sie nach zusätzlicher Unterstützung. Sie suchte in ihrem Inneren nach einem noch stärkeren Willen. Schließlich lernte sie, auch diesen Teil von sich zu akzeptieren und zu integrieren."

Als Nächstes entwarf ich einen Einzeiler, der zusammenfasste, wie ich in Erinnerung bleiben wollte: "Sie war eine Kämpferin, die alles daran setzte, ihr Leben zu verändern und anderen dabei zu helfen, dasselbe zu tun."

Die wichtigste Beziehung in meinem Leben

Als Nächstes habe ich mich gefragt: Wer waren die wichtigsten Menschen in meinem Leben? Und wie würden sie über meine Rolle in ihrem bisherigen Leben sprechen?

Meine Überlegungen inspirierten mich zu folgendem Text: "Sie war eine liebevolle Mutter für alle, die ein bisschen mehr Liebe brauchten. Ihre Beziehung zu ihrem Sohn Johnathan war ihr größter Stolz. Sie war sich bewusst, dass sie als alleinerziehende Mutter nicht perfekt war – ja, sogar einige Fehler gemacht hatte – aber sie achtete sehr darauf, persönliche Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen und an sich zu arbeiten. Sie und Johnathan kamen sich im Laufe der Jahre immer näher und inspirierten sich gegenseitig dazu, ihre Träume zu verwirklichen. Außerdem zeigte sie, dass man quer durch das Land ziehen kann, um sein Glück zu finden. Darauf war sie sehr stolz."

Es war Zeit, meine großen Wünsche anzugehen

Ich wusste, dass ich meine verbleibenden Jahre planen wollte – auch ohne die Zukunft zu kennen. Dabei stellte ich mir vor, dass ich endlich meinen Lebenspartner finden würde. Das wollte ich in meiner Grabrede feiern.

Also schrieb ich: "Während wahre und beständige Liebe erst spät Einzug in Melissas Leben hielt, kam ihr göttlicher Partner genau zum richtigen Zeitpunkt, damit sie die zweite Hälfte ihres Lebens gemeinsam genießen konnte. Nachdem sie so viel Zeit allein verbracht hatte, konnte sie die wahren Geheimnisse der bedingungslosen Liebe verinnerlichen: Wertschätzung, Respekt, Ehre und Gnade. Sie war endlich an dem Punkt, an dem sie einen besten Freund wirklich zu schätzen wusste, der mit der gleichen Intensität, und Tiefe liebte, wie sie es während der Prüfungen ihres Lebens gelernt hatte."

"Ihre Liebe war wie ein frischer Wind. Ein tiefes Ausatmen, das jeden tröstete, mit dem sie in Kontakt kamen. Sie und ihr Mann spielten wie Kinder. Die beiden lachten, als ob sie eine Comedy-Show moderierten, tanzten wie Rockstars, segelten auf dem Meer, reisten wie digitale Nomaden und küssten sich leidenschaftlich, als ob das aus der Mode käme."

Die Übung war sehr aufschlussreich

Während ich schrieb, stellte ich fest, dass der Prozess viel mehr beinhaltete als eine reine Schreibübung. Die Trauerrede ermöglichte es mir, meine Erfolge zu feiern. Außerdem entwickelte ich Mitgefühl für die Teile von mir, die sich schwertaten, mir selbst und anderen zu vergeben. Schließlich half es mir, zu erkennen, was ich vor meinem Lebensende noch manifestieren und erreichen will. Als ich es meinem Sohn zeigte, sagte er: "Das bist ja wirklich du".

Ich empfehle diese Übung sehr. Ihr könnt sie allein oder mit einer Gruppe machen. Für mich war sie wie eine Vision für ein gut gelebtes Leben.

Dieser Text wurde von Susanne Ködel aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.