Herbst-Rhabarber: Frische Ernte bis Oktober

blühender Herbst-Rhabarber
Herbst-Rhabarber kann man bis Oktober frisch aus dem Garten genießen Lubera

Der Rhabarber ist eine der beliebtesten Pflanzen im Nutzgarten. Mit Herbst-Rhabarber hat man die Möglichkeit, bis in den Oktober hinein von einer frischen Ernte zu zehren. Wir erklären, wie die besonderen Sorten entstanden sind.

Rhabarber bildet normalerweise seine rosaroten Stängel im frühen Sommer – etwa im gleichen Zeitraum, in dem auch die Erdbeeren reif werden. Als Stichtag für das Ende der Rhabarber-Ernte gilt seit jeher der Johannistag am 24. Juni. Herbst-Rhabarber wie 'Livingstone' bieten jedoch einen viel längeren Erntezeitraum: schon ab Mitte April über den gesamten Sommer bis in den Herbst hinein. ‘Livingstone’ kann bereits im ersten Jahr beerntet werden, weil die Sorte so stark wächst.

Bei den herkömmlichen Sorten sorgt eine innere Uhr dafür, dass sich nach der Sommersonnenwende das Wachstum einstellt. Die Herbst-Rhabarber bilden hingegen weiterhin neue Triebe und liefern im Herbst sogar die höchsten Erträge. So lässt sich das Gemüse kulinarisch ganz neu kombinieren – anstatt mit Erdbeeren entstehen Kreationen mit frischen Aprikosen, Kirschen, Pflaumen. Dass Gartenbesitzer sich über die durchgehende Rhabarber-Ernte freuen können ist alles andere als selbstverständlich. Die Geschichte des Herbst-Rhabarbers ist nämlich von Höhen und Tiefen gezeichnet und führt einmal um den ganzen Erdball.

Die Geschichte der Herbst-Rhabarber beginnt in Australien

Herbst-Rhabarber ist keineswegs eine Erfindung unserer neuheitenverliebten Moderne. Bereits 1890 führte ein gewisser Mr. Topp aus dem australischen Buninyong den 'Topp’s Winter Rhubarb' ein, der sich vor allem in Australien und Neuseeland schnell verbreitete. Im dortigen Klima legte der Rhabarber während des heißen, trockenen Sommers eine Wachstumspause ein. Der Herbstregen belebte ihn aufs Neue, was noch eine späte Ernte ermöglichte. Durch den Einsatz von Bewässerungssystemen konnte man Anfang des 20. Jahrhunderts die Trockenperiode überbrücken und monatelang ernten.

Junge hinter Herbst-Rhabarber
Rhabarber legt bei guter Pflege mit jedem Standjahr an Größe zu und liefert von Jahr zu Jahr höhere Erträge Lubera

Die ersten Sorten entstanden in Kalifornien

Der passionierte amerikanische Züchter Luther Burbank, der um die vorletzte Jahrhundertwende fast ein Star der Pflanzenzüchtung war, wurde auf die Rhabarber-Neuheit aus Down Under aufmerksam. Nach zwei gescheiterten Versuchen gelang es ihm 1892, einige Rhizome zu ergattern. Diese pflanzte er in seiner Heimat, dem kalifornischen Santa Rosa, aus, brachte sie zum Blühen, säte die Samen aus, selektionierte und wiederholte diesen Prozess mehrmals. 1900 brachte er schließlich den 'Crimson Winter Rhubarb' als nie gesehene, absolute Neuheit auf den Markt.

Burbank war damals offenbar schon ein trickreicher Marketing-Profi. Er feierte seinen Triumph und konnte sich einige Seitenhiebe auf seine Konkurrenten nicht verkneifen. 1910 schrieb er: ”Alle mühen sich ab, Rhabarber zu züchten, die ein oder zwei Tage früher sind als andere Sorten. Mein neuer 'Crimson Winter Rhubarb' liefert einen vollen Ertrag sechs Monate früher als alle anderen Rhabarber.“ Rechnet man vom April sechs Monate zurück, landet man im November. Im kalifornischen Klima ist es durchaus denkbar, dass zu dieser Zeit noch ein Ernteertrag erzielt wurde.

In England verliert sich die Spur

Wir bestaunen und beschimpfen heute gerne die Globalisierung, aber es gab sie in der Welt der Pflanzenzucht auch schon vor 100 Jahren. Sowohl der 'Topp’s Winter Rhubarb' als auch der 'Crimson Winter Rhubarb' von Burbank kamen bald nach Europa und starteten ihren Siegeszug in England. Hier hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das wohl größte Rhabarberanbaugebiet der Welt entwickelt: das ”Rhubarb Triangle“ in West Yorkshire. Baumschulen boten den 'Topp’s Winter Rhubarb' im Jahr 1900 erstmals auch für den Hausgarten an.

Danach verliert sich die Spur des Wunderstängels. Der Obstzüchter Markus Kobelt, Inhaber der Gärtnerei Lubera vermutet, dass dies auf eine weitere Eigenschaft des Rhabarbers zurückzuführen ist: "Er braucht eine Winterkälte unter zwei Grad Celsius, um im Frühling neu zu starten. Das könnte in einigen Regionen Kaliforniens in manchen Jahren ein Problem gewesen sein.“ Da dies nicht überliefert ist, lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass das australische Erbgut dank einer Laune der Natur auch dieses Kältebedürfnis abgelegt hat. Letztlich weiß niemand, warum der so hoch gelobte Herbst-Rhabarber in Kalifornien so schnell wieder verschwand.

Rote Stängel des Herbst-Rhabarber
Die Rhabarberstängel sollten bei der Ernte nicht abgeschnitten werden, sondern müssen herausgerissen werden Lubera

Herbst-Rhabarber für den Hausgarten

Es liegt nahe, dass das neuerliche Auftauchen von Herbst-Rhabarber-Sorten auf die über 100 Jahre alte Geschichte des interkontinentalen Rhabarber-Transfers zurückzuführen ist. Wahrscheinlich haben einige Sorten oder deren Abkömmlinge in privaten oder öffentlichen Rhabarber-Sammlungen überlebt und sind nun ganz einfach wiederentdeckt worden. ”Jede Generation wählt sich ihre Obst- und Gemüsesorten auch aufgrund der sozioökonomischen Umstände aus“, erklärt Kobelt. ”Der zeitweilige Erfolg des Herbst-Rhabarbers um 1900 lässt sich auf drei Faktoren zurückführen: auf die große Bedeutung des professionellen Anbaus, auf die fehlende Tiefkühltechnik und auf den Versuch, den Ertrag und damit letztlich die Profite zu maximieren."

Die Tatsache, dass der Herbst-Rhabarber heute wieder an Popularität gewinnt, insbesondere im Hausgarten, hängt mit dem Wunsch nach Frische und dem bewussten Verzicht auf Konservierung zusammen. Es geht um die Lust, das süß-saure Gemüse dauerhaft direkt im eigenen Garten ernten zu können.