Hidden Headlines: Sind Lebensmittelverpackungen gefährlich? Das sagt eine neue Studie

Eine aktuelle Untersuchung bringt Weichmacher und Frühgeburten in einen Zusammenhang. Damit bestätigt sie frühere Studien zu dem Thema.

In vielen Plastikverpackungen sind Weichmacher. Manche können, das legt eine neue Studie nah, die Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt steigern. (Symbolbild: Getty Images)
In vielen Plastikverpackungen sind Weichmacher. Manche können, das legt eine neue Studie nah, die Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt steigern. (Symbolbild: Getty Images)

Verpackungen, Kleidung, Spielzeuge: Sie alle enthalten oft Weichmacher, um sie weich, flexibel und weniger zerbrechlich zu machen. Zu den chemischen Stoffen zählen vor allem sogenannte Phthalate. Eine aktuelle Studie bekräftigt nun Ergebnisse früherer Untersuchungen: Phthalate könnten für eine große Zahl an Frühgeburten verantwortlich sein.

Was man herausfinden wollte

Ein Forscherteam aus den USA hat diese Woche eine Untersuchung im Journal The Lancet herausgebracht. Sie haben sich dafür 20 Phthalate genauer angeschaut. Sie wollten wissen: Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Weichmachern und der steigenden Zahl an Frühgeburten in den Vereinigten Staaten. Frühgeburten sind in diesem Fall Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche.

Dafür haben die Mediziner*innen bestehende Daten von über 5.000 Müttern und ihren Babys analysiert. Sie haben einerseits Urinproben der Mütter auf Phthalat-Rückstände untersucht und andererseits das Gewicht, die Schwangerschaftsdauer, die Größe und das Gewicht der Babys bei der Geburt.

Das sind die Ergebnisse

In ihrer Publikation schreiben die Forschenden: "Wir können zeigen, dass eine höhere Belastung mit Phthalaten mit einer geringeren Schwangerschaftsdauer und höherem Risiko für eine Frühgeburt einhergeht."

In einem Interview mit CNN wird der Hauptautor der Studie, Leonardo Trasande, konkreter: "Wir haben festgestellt, dass vier der Chemikalien für fünf bis zehn Prozent aller Frühgeburten [in den USA] im Jahr 2018 verantwortlich sein könnten." Das würde rund 57.000 Frühgeburten entsprechen.

Zusätzlich hat das Team um Trasande auch die Kosten für das Gesundheitssystem berechnet, die dadurch ungefähr entstehen. Denn nicht nur müssen Babys, die zu früh auf die Welt kommen, oft lange und aufwendig in Krankenhäusern unterstützt und behandelt werden. Im höheren Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit für viele Erkrankungen von Hör- und Sehproblemen über Entwicklungsstörungen bis hin zu psychischen Folgen wie Depressionen. So sind die Forschenden auf Kosten von beinahe vier Milliarden US-Dollar gekommen – umgerechnet rund 3,7 Milliarden Euro, die durch die Frühgeburten allein im Jahr 2018 für die Betroffenen, aber auch für die Allgemeinheit, entstanden sind.

Welche Chemikalien wurden untersucht?

Großen Zusammenhang zwischen der Konzentration an Phthalaten und Frühgeburten fanden die Forschenden bei DEHP(Bis(2-ethylhexyl)phthalat), noch größer war er nur bei DIDP, DnOP und DiNP.

Die drei letztgenannten wurden auf den Markt gebracht, um DEHP zu ersetzen und die Verwendung sicherer für Konsument*innen zu machen. Hersteller verändern dafür oft nur leicht die chemische Struktur eines bestehenden Moleküls. Damit kreieren sie einen neuen Stoff, der nicht mehr unter bestehende Beschränkungen oder gar Verbote fällt. Nur: Diese Vorgehensweise macht neue Chemikalien nicht zwingend sicherer. Dazu erklärt die Toxikologin Alexa Friedman bei CNN: "Warum sollte eine sehr kleine Änderung am Molekül dafür sorgen, dass der Körper nicht mehr auf die gleiche Weise reagiert?"

In diese Richtung weist nun auch die aktuelle Lancet-Stude. Denn DIDP, DnOP und DiNP stellten sich dort als "noch gefährlicher" heraus als DEHP. In diesem Fall bedeutet das: Kleinere Mengen reichten aus, um vermutlich eine Frühgeburt wahrscheinlicher zu machen. Wichtig: Hier geht es um Korrelationen, keine kausalen Zusammenhänge.

Das sind die Hintergründe

Phthalate kommen in Duschvorhängen vor, in Kinderspielzeug, in Lebensmittelverpackungen und vielen anderen Produkten. Weil sie relativ leicht ausgewaschen werden, können sie auf Lebensmittel gelangen oder über die Luft eingeatmet werden. Bei einigen handelt es sich um hormonstörende Chemikalien, sogenannte endokrine Disruptoren, die auf unterschiedliche Weise die Gesundheit beeinträchtigen können.

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Vor zwei Jahren schrieb die Deutsche Apothekerzeitung, dass der breite Einsatz von Phthalaten dazu geführt habe, dass in reicheren Ländern bei fast allen Menschen Abbauprodukte von Phthalaten im Urin nachweisbar seien. Der Text stammt aus dem Jahr 2022 und behandelt ebenfalls eine Studie zum Zusammenhang zwischen Phthalaten und Frühgeburten. Sie zeigte damals, dass "ein Anstieg der Urinkonzentrationen mit einem Anstieg der Frühgeburten um 12 bis 16 Prozent verbunden war".

Dem Branchenverband European Plasticisers zufolge werden jedes Jahr weltweit rund 8,4 Millionen Tonnen Phthalate und andere Weichmacher verarbeitet.

Geschätzte Aufnahme von Mikroplastik durch den Verzehr gängiger Lebensmittel und Getränke (Partikel pro Woche / Quelle: WWF; Institute of Health and Society)
Geschätzte Aufnahme von Mikroplastik durch den Verzehr gängiger Lebensmittel und Getränke (Partikel pro Woche / Quelle: WWF; Institute of Health and Society)

Nicht nur Folgen für Schwangere

CNN hat zusammengetragen, was frühere Studien schon für Zusammenhänge zwischen Phthalaten und gesundheitlichen Folgen gefunden haben: Dazu zählen beispielsweise Fettleibigkeit bei Kindern, Asthma, Herz-Kreislauf-Problemen, Krebs und Fortpflanzungsproblemen bei Jungen, sowie niedrigen Spermienzahlen und Testosteronwerten bei erwachsenen Männern.

Immer wieder werden Weichmacher verboten. Doch das hält offenbar nicht alle Unternehmen ab, sie einzusetzen. Zuletzt war ein Abbauprodukt des Weichmachers DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat) in den Schlagzeilen. Die Tagesschau berichtete beispielsweise, dass das Umweltbundesamt im Urin zahlreicher Menschen in Deutschland Hinweise darauf nachgewiesen habe – obwohl DnHexP seit Jahren streng reglementiert und weitgehend verboten sei.

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