Du bist, was du isst! Fakten, Tipps und die wichtigsten Erkenntnisse von Deutschlands profiliertestem Ernährungsmediziner Prof. Andreas Michalsen

Ernährungsmythen und Tipps von Prof. Andreas Michalsen

Länger leben, gesund altern und viel mehr Energie im Alltag: Wer sich richtig ernährt, kann nur gewinnen. Prof. Andreas Michalsen hat Elle.de erklärt, wie das geht

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Macht Kalorien zählen dick? Beginnt die Verdauung wirklich im Gehirn? Warum muss gesundes Gemüse leiden? Und ist Hafermilch wirklich so ungesund? Es gibt beim Thema Ernährung so viele vermeintlichen Fachleute und selbsternannte Profis, dass wir kaum mehr durchblicken.

Höchste Zeit, sich von einem der führenden deutschen Ernährungsmediziner Prof. Andreas Michalsen seine besten Tipps und neusten Erkenntnissen erklären zu lassen. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Einfluss von Ernährung auf die Gesundheit und genießt international höchstes Ansehen.

15 wertvolle, leicht umsetzbare Tipps und Empfehlungen von Professor Andreas Michalsens für eine gesunde Ernährung

1. Obst aus Angst vor Fruchtzucker zu meiden, ist ein Irrtum

Obst in seiner natürlichen Form ist unbedingt zu empfehlen! Auch für Menschen mit Diabetes Typ 2. Die sekundären Pflanzenstoffe in der Schale, die Vitamine und Ballaststoffe sind einfach zu gesund! Und der darin ebenfalls enthaltene Fruchtzucker fällt nicht mehr negativ ins Gewicht. Anders ist das bei Fruchtsäften. Beispiel: Ein Glas Orangensaft (0,25 Liter) enthält über 25 Gramm Zucker. Damit ist der Tagesbedarf an Zucker praktisch erreicht. Würde man hingegen drei ganze Orangen essen, so viel, wie in dem Glas Saft enthalten sind, wäre das nicht weiter schlimm, denn wir würden gleichzeitig viele Ballaststoffe zu uns nehmen.

2. Fisch ist stark Schadstoff belastet

Im Meer gefangener Fisch ist zunehmend mit Schwermetallrückständen, vor allem aber mit Mikroplastik verseucht. Noch ist gar nicht klar, was Mikroplastik im Körper anrichtet, aber es wird immer wahrscheinlicher, dass es zur Arterienverkalkung beiträgt. Aquakulturen sind, wenn nicht Bio, Massentierhaltung mit allen Nachteilen: Medikamentenrückstände, schlechte Qualität des Fleisches … Die Empfehlung: verzichten oder nur Fisch aus zertifizierten Bio-Aquakulturen essen!

3. Die Micro-Intervallfasten-Methode „3 +1“

Ich bin ein großer Fan des Fastens. Aber für den Anfang ist die 3+1 Methode ideal. Das bedeutet: 3 Stunden vor dem Schlafengehen und in der 1. Stunde nach dem Aufstehen nichts essen und nichts Kalorisches trinken. So wird keine Nahrungsenergie zugeführt, wenn das Schlafhormon Melatonin im Körper ansteigt. Denn Melatonin stört die Insulinfunktion und umgekehrt. Sie werden viel besser schlafen und in der ersten Stunde nach dem Aufstehen haben die meisten doch ohnehin keinen Hunger.

4. Hafermilch hat zu Unrecht einen schlechten Ruf

Hafermilch ist eine hervorragende Alternative zu Kuhmilch. Kritisiert wurde lange der hohe Zuckergehalt. Inzwischen sind die meisten Haferdrinks aber zuckerärmer als die Kuhmilch selbst. Auch die Umweltbilanz von Hafermilch ist unschlagbar. Der Ernährungsexperte ist Hafermilch-Fan.

5. Je pflanzlicher die Ernährung, desto länger das Leben

Wurstwaren erhöhen das Risiko für fast alle chronischen Erkrankungen und laut WHO auch das Risiko für Krebs. Rotes Fleisch ist mit mehr Darmkrebs- und Herzrisiko verbunden als Hühnchen und Geflügel. Schweinefleisch halten viele für besonders ungesund, es nimmt sich aber nichts. Bei Geflügel aus Massentierhaltung sind die größten Gefahren Medikamentenrückstände und Infektionsrisiken. Darum: Essen Sie bitte viel Pflanzliches! Fünf Portionen pro Tag empfiehlt die DEG, manch raten zu sieben bis neun Portionen. Wichtig ist: Immer eine Portion Gemüse oder Salat auf dem Teller! Ideal: Das Gemüse vor den Kohlenhydraten essen! Vielfalt ist wichtig für das Mikrobiom. Und: Saisonales punktet durch mehr Vitamine und Mikronährstoffe! Besonders gesund: Kreuzblütler, alles Grünblättrige, Gewürze und Kräuter – und täglich etwas Hülsenfrüchte.

6. Niemand muss vor Fett Angst haben

Fett ist nicht gleich Fett. Ungesund sind die gesättigten Fettsäuren in Wurst, fettem Fleisch, Käse sowie in Palm- und Kokos­öl. Sehr gesund hingegen sind einfach ungesättigte Fettsäuren in Olivenöl, Avocados, Mandeln, Nüssen oder Sesamöl. Auch Omega-3-Fettsäuren sind gesund, besonders die pflanzliche Alpha-Linolensäure. Zu finden in Leinsamen, Lein- und Rapsöl, Walnüssen und in allem Grünblättrigen. Und dann gibt es noch die langkettigen Omega-3-Fettsäuren aus dem Meer. Hier empfehle ich, wie auch in Asien üblich, die Algen zu essen. Fisch ist heute einfach zu stark belastet.

7. Biogemüse hat mehr sekundäre Pflanzen- und Mikronährstoffe

Biogemüse und -obst ist gesünder als die reguläre Ware auf dem Markt. Weil es nicht gespritzt wird, muss es mehr „leiden“, um sich gegen Schädlinge, Pilze und ungünstige Lebensbedingungen (Dürre, Sonnenlicht …) zu schützen. Dabei entstehen mehr Schutzstoffe, also mehr sekundäre Pflanzenstoffe und Mikronährstoffe, die am Ende auch uns schützen. Außerdem sollte Gemüse und Obst immer mit Schale gegessen werden, sofern diese nicht gespritzt ist.

8. Kaffee ist nur gesund wenn …

… keine Kuhmilch dazugegeben wird. Das Lieblingsgetränk der Deutschen wird heute eindeutig als gesund bewertet. Er schützt vor vielen schwerwiegenden Erkrankungen: von Diabetes, Herzinfarkt und Lebererkrankungen bis hin zu Parkinson oder Gallensteinen. Die gesundheitsfördernde Wirkung des Kaffees reduziert sich allerdings erheblich, wenn wir ihn mit Kuhmilch trinken. Bei pflanzlichen Alternativen ist das nicht der Fall.

9. 50 Gramm Ballaststoffe pro Tag

Je mehr Ballaststoffe wir essen, desto besser für Herz, Gefäße, Darm und als Schutz vor Diabetes und Krebs. In Deutschland essen wir durchschnittlich nur 20 Gramm Ballaststoffe. Empfohlen werden mindestens 30 Gramm, besser noch 50 Gramm pro Tag. Wir Deutschen lieben Brot, daher sind Vollkornbrot und Vollkornpasta die einfachste Möglichkeit mehr Ballaststoffe (und auch Mineralien) zu essen. Gelegentlich ein Baguette ist sicher kein Problem, aber grundsätzlich ist jedes gegessene Weißmehlbrötchen eine verpasste Gelegenheit, Ballaststoffe und wichtige Mineralien und Mikro­nährstoffe zu sich zu nehmen.

10. An gesunde Ernährung muss sich der Körper gewöhnen

Essen wir mehr Hülsenfrüchte, passen sich die Darmbakterien, das Mikrobiom, an. Blähungen werden weniger. Auch Gewürze verbessern die Verdaulichkeit. Deshalb ist ein indisches Dal immer gut gewürzt. Wenn es ein Problem bleibt, kleinere Portionen essen und lieber mittags als abends.

11. Kalorien zählen ist nicht zeitgemäß

Die Abnehmmethode Kalorienzählen ist gescheitert. Das beweisen Studien. Wir verlieren das Gespür für das Essen, für die Sättigung, für die ausreichende Menge und die Freude am Essen. Und am Ende kommt es zum Jo-Jo-Effekt. Mit Kalorienangaben wiegt uns die Ernährungsindustrie in falscher Sicherheit. Ein Produkt mit wenig Kilokalorien wirkt gesund und scheint gegen Übergewicht zu helfen. Ein Trugschluss! Viel wichtiger: Auf wenig Zusatzstoffe sollten Sie achten. Und auf die Kombination der Nährstoffe. Werden Kohlenhydrate wie Stärke mit Ballast-, Faser- und sekundären Pflanzenstoffen kombiniert, werden weniger der darin enthaltenen Kalorien vom Körper aufgenommen. Bestes Beispiel: Nüsse. Sie enthalten reichlich Fett (und Kilokalorien), machen aber schnell satt. Und durch die vielen Ballaststoffe wird bei Weitem nicht alles Fett verdaut bzw. vom Körper aufgenommen.

12. Kauen macht schlank

Verdauung beginnt im Gehirn und wird dort auch gesteuert. Deshalb läuft uns zum Beispiel das Wasser im Mund zusammen, wenn wir Leckeres sehen oder riechen. Wer gut kaut und die Speisen so einspeichelt, hat eine gesunde Verdauung und nimmt weniger zu. Denn man nimmt dem Magen-Darm-Trakt schon etwa ein Drittel der Kohlenhydrat-Verdauung ab. So hat das Gehirn Zeit, Verdauungs- und Sättigungshormone auszuschütten. Langsames Essen führt zur Ausschüttung des GLP-1-Hormons, das auch von den Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy stimuliert wird. Die Verdauung steuert der größte Nerv im Körper, der Nervus Vagus. Weil Stress die Verdauung empfindlich stört, lieber in Ruhephasen essen.

13. Hochverarbeitete Lebensmittel sind ein No-Go

Sie enthalten alles, was ungesund ist. Gesättigte Fette, Salz, Zucker, künstliche Aromen … Und sie werden so produziert, dass wir zu viel essen. Nur ein halber Maiskolben? Kein Problem. Aber bei Taco Chips kann man nicht stoppen! Zusätze wie Weichmacher und Konservierungsstoffe schädigen die Darmbakterien und hebeln das Sättigungsgefühl aus. Und liefern nichts von dem, was wir wirklich brauchen: Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und gute Proteine.

14. Süßstoffe sind noch schlimmer als Zucker

Jahrelang wurden Süßstoffe gepriesen: keine Kalorien, weniger Blutzuckerspitzen. Aber die Wissenschaft zeigt, dass sie gesundheitlich bedenklich sind. Sie schaden dem Darm-Mikrobiom und erhöhen die Herz-Kreislauf- und Diabetes-Risiken. Lediglich Stevia ist tolerabel. Klar, normaler Haushaltszucker ist in größeren Mengen ungesund. Aber etwas Zucker (egal, ob braun oder weiß) schadet wohl nicht und ist letztlich die bessere Wahl. Die „natürlichen Süßungsmittel“ wie Agaven- und Ahornsirup haben einen zu hohen Fruktosegehalt, fördern eine Fettleber und sind oft nicht gut verdaulich. Ganz schlimm: Maissirup. Die beste Bilanz hat hier noch Honig.

15. Desserts sind erlaubt

Nascht man Süßes nach einer Mahlzeit als Dessert, steigt der Blutzuckerspiegel unwesentlich an. Essen wir die Schokolade aber drei Stunden nach dem Essen, kommt es zu einer neuen Blutzuckerspitze. Die Folge: erneute Stoffwechselbelastung. Und wenn der Spiegel wieder abfällt … große Müdigkeit.