Ist die Lippenbalsam-Sucht real? Das sagt ein Experte
Dermatologe Dr. Christoph Liebich im exklusiven Interview
Frisch mit einem Balsam gepflegt, fühlen sich die Lippen schön weich und geschmeidig an. Gerade im Winter, wenn der Wechsel zwischen kaltem Wind und trockener Heizungsluft unsere Haut strapaziert und für spröde Lippen sorgt, sind Lippenpflegestifte eine echte Wohltat und in jeder Jackentasche mit dabei. Doch das angenehme Gefühl bleibt oft nicht lange und schon greift man wieder zum Lippenbalsam. Unsere Mütter warnen uns daher vor der sogenannten Labello-Sucht. Aber gibt es die wirklich?
Ob man von den Produkten zur Lippenpflege wirklich abhängig werden kann und worauf man achten sollte, erklärt der Dermatologe Dr. Christoph Liebich im exklusiven Interview mit Yahoo Life.
Kann man im Fall von Lippenbalsam tatsächlich von einer Sucht sprechen?
"Eine Sucht ist das natürlich nicht. Das Problem ist, dass Lippenbalsam oft Duftstoffe enthält, die auch Geschmacksträger sind. Das finden manche Leute ganz prickelnd. Ein anderes Problem ist, dass wir mit unserer Zunge häufig über die Lippen gehen und damit die ganze Zone austrocknen. Im Speichel ist ja nicht nur Wasser, sondern auch Enzyme, die den Verdauungsvorgang starten und von denen die Lippe angegriffen wird. Wenn Leute den Lippenstift dann ablecken, weil er nach Kirsche oder Vanille schmeckt, müssen sie immer mehr nachschmieren. Darum würde ich dazu raten, zu einem Balsam ohne jegliche Geschmacksträger zu greifen."
Können zugesetzte Duftstoffe auch im Hinblick auf Allergien problematisch sein?
"Ja, das kann auch sein. Generell ist hier weniger immer mehr. Es sollten möglichst auch keine Pflanzenextrakte enthalten sein, weil Menschen mit empfindlicher Haut auch davon Allergien bekommen können. Der Balsam sollte hauptsächlich pflegende Grundsubstanzen enthalten."
Auf welche Inhaltsstoffe kommt es also an?
"Ganz wichtig ist Fett. Am besten nicht enthalten sein sollten Farb- und Konservierungsstoffe sowie Duftstoffe."
Was ist mit Sonnenschutz?
"Sonnenschutz ist tatsächlich wichtig, und zwar nicht nur im Sommer. Die Wintersonne ist nicht minder gefährlich. Sie enthält einen hohen UVB-Anteil, der auch zu Verbrennungen führt. Unsere Lippen sind sozusagen unsere Sonnenterassen, die der Sonne ständig exponiert sind, weshalb auch der Schutz extrem wichtig ist."
Würden Sie Lippenbalsam generell eher empfehlen oder nicht?
"Je nach Hauttyp macht das Sinn. Ich würde es auf jeden Fall Patienten empfehlen, die ohnehin eine trockene Haut haben und natürlich auch dann, wenn jemand extremer Kälte ausgesetzt ist. Ich verschreibe auch manchmal eine Augensalbe, die man bequem auftragen kann. Aber in der Regel sind diese ganzen Lippenpflegestifte in Ordnung."
Wie oft sollte man den Balsam denn auftragen?
"Wenn Sie sowieso eine trockene Haut haben, ist es wichtig, dass Sie nachschmieren und das auch regelmäßig. Wie oft, hängt von der Trockenheit ab. Das kann schon mehrfach am Tag sein, weil man ja auch spricht, trinkt und isst."
Hat es etwas mit der Jahreszeit zu tun?
"Wenn die Temperaturen unterhalb der 7 Grad sind, fährt der Körper die eigene Fettproduktion herunter und darum ist das Nachschmieren besonders bei Kälte wichtig."
Produzieren die Lippen weniger eigene Fette, wenn man mit Lippenbalsam künstlich nachhilft?
"Nein."
Unser Yahoo-Experte: Dr. Christoph Liebich:
Dr. Christoph Liebich ist Inhaber und ärztlicher Leiter der Hautarztpraxis Dermazent – Dermatologie im Zentrum in München. Die Praxis deckt nahezu das gesamte Spektrum von klassischer und operativer Dermatologie bis hin zur Ästhetik ab. In ausgelagerten Praxisräumen befindet sich die Abteilung für dermatologische Kosmetologie OVID- medical and beauty care.