Katharina Kreitz – ein Vorbild für junge Ingenieurinnen

Neulich telefonierte Katharina Kreitz mit einem Kunden. Ob es auf der Homepage von Vectoflow denn auch irgendwo ein Foto von ihr gebe, wollte der wissen. Auf Firmenwebseiten seien doch immer nur Bilder des Topmanagements zu finden.

Dass er mit der Geschäftsführerin und Mitgründerin sprach, war für ihn bei einem ingenieurgetriebenen Hightech-Unternehmen für Messtechnik, das vor allem für die Auto- und die Luft- und Raumfahrtbranche arbeitet, offenbar nur schwer vorstellbar.

Solche Anekdoten kann Kreitz viele erzählen. Auf ihrer Visitenkarte hat sie eigens „Diplom-Ingenieur“ dazugeschrieben, weil ihr viele Kontakte anfangs keine Fachexpertise zutrauten. „Die denken dann: Da kommt eine Frau, die ist bestimmt von der Sales-Truppe und stellen erst einmal ein paar fiese technische Fragen.“

Die 31-Jährige nimmt das gelassen. Bei den Kunden – von Airbus über BMW bis Siemens – ist Vectoflow inzwischen für seine Messsonden aus dem 3D-Drucker geschätzt. Die setzen zum Beispiel Autobauer im Windkanal ein, um die Aerodynamik ihrer Prototypen zu untersuchen. „Es gibt keinen europäischen Autobauer, der keine Sonde von uns hat“, sagt Kreitz.

Das Start-up aus Oberpfaffenhofen bei München sieht sich in einem noch jungen Wachstumsmarkt technologisch vorn. 2018 war der Umsatz bei schwarzen Zahlen erstmals siebenstellig, für das neue Jahr peilt Vectoflow drei bis vier Millionen Euro Umsatz an, sowie den Marktstart in den USA mit Niederlassung vor Ort.

Marktführer Aeroprobe stellt die Sonden noch auf konventionelle Weise her. Auf 600 Millionen Euro schätzt Kreitz den Weltmarkt – mit stark steigender Tendenz, weil die Anwendungsmöglichkeiten zunehmen. So können an Drohnen montierte Sonden heute Strömung und Windrichtung erfassen, so kann das Fluggerät rechtzeitig gegensteuern.

Kreitz hat Maschinenbau an der TU München studiert und sich auf die Luft- und Raumfahrttechnik konzentriert. Hier schon war sie oft ziemlich allein unter Männern, als Werksstudentin bei BMW war das nicht viel anders. Doch bei dem Autobauer im Windkanal gab es ein Problem: Die Sonden taugten nichts. „Wir haben viele Sonden kaputt gemacht, weil sie zu fragil waren“, erinnert sich Kreitz, „oft sind uns zudem welche verbrannt.“

Ihrem Mitgründer Christian Haigermoser erging es bei BMW ähnlich. Also beschlossen die beiden, es mit Sonden im 3D-Druck zu versuchen – und gehörten damit 2013 zu den Pionieren. Schnell waren Kontakte zum 3D-Druck-Weltmarktführer EOS geknüpft. EOS-Gründer Hans Langer ist über seine AM Ventures heute sogar an Vectoflow beteiligt.

Ingenieurin mit MBA

Für ein Exist-Gründerstipendium fehlte nur noch die betriebswirtschaftlich Expertise, also machte Kreitz den MBA in Paris. Danach gründete sie mit Haigermoser und Florian Wehner die Firma. Der Erfolg kam schnell. Nur eine Woche, nachdem die Internetseite von Vectoflow fertig war, meldete sich von selbst ein Formel-1-Team, das Sonden für seine Rennwagen brauchte.

Als der Zuschlag beim Kundentermin kam, mussten sich Kreitz und ihre Kollegen zusammenreißen, um nicht gleich vor Ort in Jubel auszubrechen. „Das hätte dann doch unprofessionell gewirkt.“ Erst im Auto brach sich die Freude Bahn. Inzwischen nutzen die meisten Formel-1-Teams Sonden von Vectoflow.

Kreitz sieht für Vectoflow enormes Wachstumspotenzial. Das Geschäftsmodell ist nicht einfach zu kopieren. Einige der Kunden haben erst einmal probiert, selbst Sonden zu drucken. Doch die Kombination aus dem Design der Sonden am Computer und dem anschließenden Druck ist eine große Herausforderung.

Übernahme abgelehnt

Auch Weltmarktführer Aeroprobe klopfte schon wegen einer Übernahme an. „Wir haben uns keck gesagt: Schauen wir erst einmal, wer hier wen kauft“, erinnert sich Kreitz. Einen späteren Verkauf wollen die Gründer zwar nicht ausschließen, doch erst einmal wollen sie die Firma selbst weiter aufbauen.

Unter den Gründern von ingenieurgetriebenen Start-ups ist Kreitz als Frau noch immer eher eine Ausnahme. Dies dürfte vor allem auch daran liegen, dass der Frauenanteil in den naturwissenschaftlichen Fächern noch immer unterdurchschnittlich ist.

„Vectoflow ist für mich ein tolles Beispiel für die Überführung langjähriger Forschungsarbeit“, sagt Carsten Rudolph, Geschäftsführer beim Netzwerk BayStartup. „Und Gründerin Katharina Kreitz ist ein tolles Vorbild, damit sich noch mehr junge Frauen für ein technisches Studium entscheiden.“

Kreitz selbst glaubt: „Grundsätzlich neigen Frauen zu weniger Risikobereitschaft.“ Männer seien da manchmal draufgängerischer. Für sie selbst gilt das keinesfalls. Kreitz hat sich eine Regel gesetzt: „Ich nehme mir vor, mich jeden Tag mindestens einmal zu blamieren.“