Künstliche Intelligenz und Musik: Welchen Einfluss KI zukünftig auf die Musik nehmen wird – und jetzt schon nimmt

Eine Art Terminator an den Decks: DJ Roboter, gelenkt von Künstlicher Intelligenz, legt auf.

Eine Art Terminator an den Decks: DJ Roboter, gelenkt von Künstlicher Intelligenz – ist das unsere Zukunft?

Getty Images, quantic69

Das Ausloten der Möglichkeiten und Gefahren von Künstlicher Intelligenz wird immer wichtiger, darüber gibt es keine zwei Meinungen. Allein der Umstand, dass Donald Trump kurz nach seiner erneuten Einführung ins Amt des US-amerikanischen Präsidenten, den Start des 500 Milliarden teuren KI-Prjekts Stargate postuliert hat, vermittelt einen guten Eindruck davon, wie wichtig das Thema zukünftig werden wird. Trump wird KI zwar mutmaßlich nicht nutzen wollen, um Musik zu machen (böse Menschen haben bekanntlich keine Lieder, wie Johann Gottfried Seume mal geschrieben hat), dennoch wird Künstliche Intelligenz auch in der Musik eine immer größere Rolle spielen.

Das sind die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in der Musik

Um verstehen zu können, in welchen Bereichen der Musik Künstliche Intelligenz zukünftig eine Rolle spielen kann, muss man erst einmal verstehen, was KI überhaupt kann. Grundsätzlich kann man Künstliche Intelligenz in vier verschiedene Bereiche einteilen, wobei die erste Art eine eher schwache, die vierte eine stärkere Künstliche Intelligenz ist – und zukünftig sogar stärker sein kann als das menschliche Gehirn.

Wichtig dabei zu wissen ist: Bisher gibt es lediglich die ersten beiden KI-Technologien. Aber Typ 3 und 4, da ist sich die Forschung sicher, werden kommen.

Kraftwerk live mit Die Roboter. So hat man sich Künstliche Intelligenz früher vorgestellt.

Kraftwerk live mit Die Roboter. So hat man sich Künstliche Intelligenz früher vorgestellt.

Getty Images, Jim Dyson

1. Reaktive Maschine (Reactive Machine)

Diesen Typ kann man als Basis-Typ von Künstlicher Intelligenz verstehen. Sie ist darauf programmiert, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, hat aber weder ein Gedächtnis noch ein Verständnis für den Kontext. Ein Beispiel dafür wäre zum Beispiel der Schachcomputer. Der kann den bestmöglichen Zug mithilfe von KI-Algorithmen errechnen – mehr aber auch nicht.

2. Begrenzte Speicherkapazität (Limited Memory)

Der zweite Typ hat begrenzte Speicherkapazität und ist dadurch nicht auf eine einzelne Aufgabe beschränkt. Man sollte sich vom missverständlichen Wording jedoch nicht täuschen lassen: Diese KI kann durchaus große Datenmengen verarbeiten und darauf basierend Vorgehensweisen entwickeln, sprich: Im Gegensatz zu Typ 1 kann Typ 2 über Machine Learning vergangene Erfahrungen nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel dafür sind Smartphone-Sprachassistent*innen wie Siri. Solche Assistent*innen können Daten aus dem Internet recherchieren, aber auch andere Apps verwalten oder den Kalender organisieren. Ein anderes Beispiel sind selbstfahrende Autos, die die grundsätzlichen Verkehrsregeln beherrschen, aber auch auf unerwartete Situationen reagieren können. Auch KI-gestützte Anwendungen wie ChatGPT gehören zu Typ 2.

Während Künstliche Intelligenzen des Typs 1 nur reagieren und nicht vorausplanen können, sind Künstliche Intelligenzen des Typs 2 in der Lage, bedingt Strategien zu entwickeln.

3. Theorie des Geistes (Theory of Mind)

Diese bisher noch nicht existente Kategorie von Künstlicher Intelligenz soll in der Lage sein, nicht nur Informationen zu verarbeiten (wie Typ 2), sondern sich auch selbstständig ein Bild von der Welt machen können, sprich: ein annähernd menschenähnliches Verständnis, Wissen und Bewusstsein entwickeln.

4. Selbsterkenntnis (Self Awareness)

Eine solche Künstliche Intelligenz wäre der des Menschen mindestens ebenbürtig, hätte ein umfassendes Verständnis von sich selbst und könnte sich selbstständig weiterentwickeln und über sich hinauswachsen – wäre also das, was man aus diversen utopischen Science-Fiction-Filmen kennt. Würde man dieser KI ein menschliches Äußeres verpassen, wäre sie von echten Menschen kaum noch zu unterscheiden.

Wenn man sich musizierende Künstliche Intelligenz als Frau vorstellt, könnte sie zum Beispiel so aussehen.

Wenn man sich musizierende Künstliche Intelligenz als Frau vorstellt, könnte sie zum Beispiel so aussehen.

Getty Images, Vladimir Vladimirov

Nun ist also die Frage, wie und in welcher Form Künstliche Intelligenz Einfluss auf die Produktion, den Konsum und die Verwertbarkeit von Musik nimmt. Und da gibt es, wie so oft bei derlei komplexen Themen, natürlich verschiedene Facetten. Wir stellen Ihnen hier die wichtigsten vor.

KI in der Musikproduktion

In der Musikproduktion kommt KI bereits regelmäßig zum Einsatz. Es gibt diverse KI-Programme wie Suno, Udio oder Amper, die bereits erfolgreich für verschiedene Bereiche der Musikproduktion genutzt werden: Für die Analyse musikalischer Merkmale wie Melodie und Rhythmus, zum Erstellen von Mashups, zum Erstellen ganzer Musikstücke – die Möglichkeiten sind vielfältig. Auch Gesang können derlei Programme generieren, was Produzent*innen dabei helfen kann, wenn sie einen Song für Sänger*in XY komponiert. Dann kann diese*r Produzen*int mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Gesangslinie mit der Stimme des späteren Interpreten/der Interpretin vorkomponieren um aufzuzeigen, wie der Song mit deren/dessen Stimme am Ende in etwa klingt. Das ist ein durchaus hilfreiches Feature, das in der Musikproduktion bereits regelmäßig genutzt wird.

Es gibt aber auch andere prominente Beispiele: So haben die (verbliebenen) Beatles vor einiger Zeit mit Hilfe solcher Programme des Machine Audio Learning John Lennons Stimme von alten Demos separieren können, um mit Now And Then ein letztes „echtes“ Lied der Beatles zu veröffentlichen – ohne Frage eine tolle Möglichkeit, KI in der Musikproduktion einzusetzen. Auch von Nirvana gibt es mit Drowned in the Sun einen Song, der durch Künstliche Intelligenz und den Einsatz eines Cobain-Coversängers entstanden ist. Und es wird sicher damit weitergehen, aus existierenden Aufnahmen alter, verstorbener Künstler Songs zu kreieren, die nicht fertiggestellt wurden. Auch in Deutschland gibt es dafür bereits Beispiele. So wurde im letzten Jahr beispielsweise ein neuer Song von Schlagersänger Udo Jürgens mithilfe von KI fertiggestellt und veröffentlicht: Als ich fortging.

TheBeatlesVEVOYouTube

KI-Musik in den Charts

Der erste KI-generierte Song, der es in die deutschen Charts geschafft hat, war Mitte letzten Jahres Verknallt in einen Talahon vom Produzenten Butterbro. Der nutzte dafür den Musikgenerator-Website Udio, um Melodie und Gesang zu seinem selbst geschriebenen Text erstellen zu lassen. Das Ergebnis: Immerhin Platz 48 in den deutschen Single-Charts, zwischen Beyoncé und Taylor Swift.

Butterbro - TopicYouTube

Und der Song ist nicht der einzige. So ist in den Niederlanden beispielsweise das Stück Zo Zomer gechartet, der zudem ein Hit auf TikTok und Spotify war.

Es gibt aber nicht nur auf KI basierende Songs, sondern auch ganze Künstler*innen. Einer davon ist Ben Gaya, der nichts anderes ist als ein von der deutschen Werbeagentur Construktiv erstellter Avatar. Der sieht nicht nur gut aus, sondern präsentiert sich auch so, als ob er seine Songs zuhause auf der Gitarre alle selbst schreiben würde und bringt daher wirklich alles mit, was man als aufstrebender Star auf Social Media so braucht. Allein dessen Song Sunshine Soul wurde auf Instagram 80.000 Mal angeklickt.

Spotify und KI

Der Konzern selbst, immerhin der wichtigste und meistgenutzte der Welt gibt sich offen für den Umgang mit KI. Personalisierte Playlisten werden beispielsweise mit Hilfe von KI-basierten Machine-Learning-Programmen ausgespielt – und das bereits seit 2018. Spotify besteht jedoch darauf hinzuweisen, dass solche Empfehlungen immer auch auf kulturellen Trends und menschlichem Gespür basieren. Und Spotify ist stolz darauf und führt an, dass 81% der Spotify-User*innen angeben, dass personalisierte Musikempfehlungen deren Lieblings-Feature auf Spotify seien.

Wenn man sich zu Karneval als auf Künstlicher Intelligenz beruhendes Musikprogramm verkleiden würde, könnte das so aussehen.

Wenn man sich zu Karneval als auf Künstlicher Intelligenz beruhendes Musikprogramm verkleiden würde, könnte das so aussehen.

Getty Images, Vladimir Vladimirov

Das US-Magazin Harper’s hat allerdings kürzlich aufgedeckt, dass hinter vermeintlichen Künstler*innen in Playlisten ein systematisches KI-Programm von Spotify steckt: Perfect Fit Content. Dafür soll Spotify mit einem Netzwerk von Produktionsfirmen arbeiten, die mit Hilfe von KI günstig Tracks produzieren, die dann in Playlists wandern, wovon Spotify finanziell profitiert. Wirft man einen Blick in Playlists wie Viral Top 50, findet man eine ganze Menge solcher Songs von KI-ünstler*innen wie AntonioVivald oder MelodAI.

KI und Urheberrecht

Eines der großen Themen innerhalb der Musikindustrie wird in diesem Jahr vor allem eine Frage sein: Wie verhält es sich mit den Urheberrechten bei der Nutzung von KI? Denn wenn mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Songs geschrieben werden, werden diese mit bereits bestehendem Songmaterial gefüttert – also mit Liedern und Texten, die allesamt menschliche Urheber haben. Bisher werden diese aber nicht vergütet. Die Rechtslage muss daher dringend geklärt werden.

Die Gema, also die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, die die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von über 90.000 Mitgliedern (Komponist*innen, Textdichter*innen und Musikverleger*innen) sowie von fast zwei Millionen Rechteinhaber*innen aus aller Welt verwaltet, hat bereits Klage eingereicht – und zwar sowohl gegen OpenAI, die Firma, die auch hinter ChatGPT steckt, also auch gegen Suno. Der Vorwurf: Der US-amerikanische KI-Musikanbieter soll sein System an geschützten Aufnahmen weltbekannter Songs trainiert haben, auf deren Basis die generative künstliche Intelligenz dann neue Songs „geschrieben“ hat – ohne dafür allerdings eine Vergütung zu zahlen. Auch in den USA haben sich die großen Plattenfirmen bereits vor einigen Monaten zusammengetan und gemeinsam geklagt – bisher jedoch noch ohne Ergebnis.

Komponist*innen sorgen sich daher durchaus zurecht um ihre finanzielle Zukunft. Denn insbesondere im Bereich sogenannter Gebrauchsmusik, also für Werbung, Serien, Filme, ist es durchaus wahrscheinlich, dass dafür zukünftig vermehrt KI zum Einsatz kommt – zum monetären Schaden menschlicher Musiker.

Derlei Klagen sind Musterverfahren, mit denen grundsätzliche Rechtsfragen geklärt werden sollen. Wobei unterstrichen werden muss, dass es der Gema nicht darum geht, KI-Dienste zu verbieten, sondern darum, ein sinnvolles Lizenzmodell zu entwickeln. Allerdings sind in der Regel nicht nur das nationale, sondern internationales Recht betroffen, was eine Verfolgung, Klärung und legale Umsetzung des Ganzen mehr als schwierig macht.