Kann Stress uns das Leben kosten?

Chronischer Stress kann den Blutdruck in die Höhe treiben, was zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen kann. [Foto: Getty]
Chronischer Stress kann den Blutdruck in die Höhe treiben, was zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen kann. [Foto: Getty]

Ob es Fristen bei der Arbeit sind, Schulden oder sogar Ärger und Wut beim Autofahren – wir sind alle hin und wieder mal gestresst.

Während dieses Gefühl bei den meisten von uns schnell wieder weg ist, werden manche vom Stress überwältigt und können nicht mehr richtig funktionieren.

Kurzfristig kann Stress dazu führen, dass wir uns ängstlich und weinerlich fühlen oder dass das Schlafen zum Problem wird.

Aber wenn man sich ständig wie unter Strom gesetzt fühlt, kann es irgendwann zu Herzinfarkten, Schlaganfällen oder sogar Selbstmordgedanken kommen.

„Die kurze Antwort ist ja, Stress kann uns töten“, sagt Dr. Diana Gall von Doctor4U gegenüber Yahoo UK.

„Es sind zwar nicht die stressigen Situationen an sich, die uns das Leben kosten können, aber die Art und Weise, wie wir mit Stress umgehen, hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit.“

Wenn wir eine stressige Situation erleben, schüttet unser Körper ein Hormon aus, das uns in den „Kampf oder Flucht“-Zustand versetzt.

Dabei kommt es laut Mayo Clinic zu einem Anstieg der Konzentration des Hormons Adrenalin im Blut, welches unser Herz schneller schlagen und unseren Blutdruck in die Höhe schießen lässt.

Dazu wird das „Stresshormon“ Cortisol ausgeschüttet, das Funktionen unterdrückt, die in einem Kampf-oder-Flucht-Szenario nicht wichtig sind. Dazu gehören das Immunsystem und die Verdauung.

Die Angriff-oder-Flucht-Reaktion kann uns helfen, denn der plötzliche Adrenalinschub bringt uns den Schwung, den wir brauchen, um eine eine wichtige Präsentation bei der Arbeit zu meistern, oder sogar um Gefahren zu entkommen.

Wenn die stressauslösende Situation vorüber ist, sollte unser Hormonspiegel wieder auf den Normalzustand sinken.

„Wenn diese Art von Stress Überhand nimmt oder über einen längeren Zeitraum anhält, kann es sich zu etwas entwicklen, was als „chronischer Stress“ bezeichnet wird“, sagt Dr. Daniel Atkinson, klinischer Leiter bei Treated.com, zu Yahoo UK.

Im vergangenen Jahr haben sich laut einer Umfrage der „Mental Healt Foundation“ fast drei Viertel (74%) der Menschen in Großbritannien so gestresst gefühlt, dass sie das Gefühl hatten, nicht mehr zurechtzukommen.

„Anstatt dass die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aktiviert wird und dann wieder abklingt, nachdem die nervenaufreibende Situation bewältigt ist, hält die Stressreaktion an und unsere Stresshormone werden andauernd ausgestoßen“, sagte Dr. Atkinson.

Die andauernde Aktivierung des Kampf-oder-Flucht-Systems führt dazu, dass sich ständig Cortisol in unserem Blutkreislauf befindet, was dazu führt, dass wichtige Funktionen des Körpers beeinträchtigt werden.

Mit der Zeit können Betroffene laut Mayo Clinic unter Verdauungsproblemen, Gewichtszunahme oder sogar Herzerkrankungen leiden.

Letzte Woche war „International Stress Awareness Week“. Dr. Atkinson sagt: „Eine permanente Aktivierung der Kampf-oder-Flucht-Reaktion kann Bluthochdruck auslösen, was uns anfälliger für Herzinfarkte und Schlaganfälle machen kann, wenn er nicht behandelt wird.“

Stress kann auch zu ungesunden Angewohnheiten führen. So gaben 46% der durch die Mental Health Foundation 4000 Befragten an, dass sie mehr oder mehr Ungesundes essen würden, wenn sie gestresst sind.

Mehr als ein Viertel (29%) gab chronischem Stress die Schuld daran, dass sie zu viel Alkohol tranken, während 16% sagten, sie würden dadurch mehr rauchen.

Stress kann auch unsere seelische Gesundheit beeinträchtigen.

Von den Befragten, die angaben, gestresst zu sein, sagten 61%, dass sie unter Angsstörungen litten und 51% waren an Depressionen erkrankt.

In schweren Fällen gaben 32% derjenigen, die sich schon einmal gestresst gefühlt hatten, zu, dass sie Selbstmordgedanken hätten.

„Es gibt Hinweise darauf, dass die Neurotransmitter des Gehirns und die Hormone, die an der typischen Stressreaktion beteiligt sind, durch traumatische Erlebnisse verzerrt werden“, sagte Dr. Atkinson.

„Dadurch erleben Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) so etwas wie „falschen Alarm“, denn der Mandelkern – der Teil des Gehirns, der für Angst zuständig ist – arbeitet überaktiv, was zu intensiven Panikattacken führen kann.

„Letztendlich bestätigt die Forschung, dass lang andauernder Stress uns töten kann.“

Was sind die Stresssymptome?

Stress kann uns laut NHS emotional, geistig und körperlich beeinträchtigen.

Viele fühlen sich emotional überwältigt, „wie unter Strom“ und voller Angst und Unbehagen.

Das Gefühl, hyperaktiv zu sein, kann außerdem einen Einfluss auf die Stimmung haben, so dass Betroffene nicht mehr dazu in der Lage sind, Freude zu empfinden. Sie fühlen laut der wohltätigen Organisation „Mind“ ständig ein drohendes Gefühl der Furcht und des Unbehagens.

Andere werden ängstlich und schreckhaft oder fühlen sich vernachlässigt und einsam.

Wenn wir Schwierigkeiten haben, mit stressigen Situationen umzugehen, kann das auch unser geistiges Wohlbefinden beeinträchtigen.

Viele kämpfen mit nicht enden wollenden Gedanken, die uns durch den Kopf schießen, sind permanent besorgt und haben Probleme damit, sich zu konzentrieren und Entscheidungen zu treffen.

Es überrascht also nicht, dass zu viel Stress wahrscheinlich auch Folgen für unseren Körper hat.

Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Erschöpfung oder übermäßiges Essen, bzw. gar kein Essen, sind alles Symptome von Stress.

In schweren Fällen kann es dazu kommen, dass Betroffene hyperventilieren, an Panikattacken leiden, mit den Zähnen knirschen, Schmerzen in der Brust spüren oder merken, wie ihr Blutdruck steigt.

Wie man sich weniger gestresst fühlt

Die guten Nachrichten sind, dass man Stress vorbeugen und behandeln kann.

Wenn du das Gefühl hast, dass der Stress dich überwältigt, empfiehlt der NHS Sport, um den Kopf freizubekommen.

„Sport führt nachweislich dazu, dass Endorphine ausgeschüttet werden. Diese Chemikalien im Gehirn sorgen dafür, dass unsere Stimmung besser wird und Stresshormone reduziert werden“, sagt Dr. Atkinson.

Deine Probleme werden sich vielleicht auch besser zu bewältigen anfühlen, wenn du dich einer geliebten Person anvertraust oder dir Zeit für Unternehmungen nimmst, die dir Freude bereiten.

„Ein starkes unterstützendes Netzwerk aus Freunden und Familie kann dir generell dabei helfen, Lösungen zu finden und deine Perspektive zu ändern“, sagt Dr. Atkinson.

Und obwohl es verlockend sein kann, zur Flasche zu greifen, zu rauchen oder Kaffee zu trinken, um die Nerven zu beruhigen, warnt Atkinson davor, dass das keine dauerhafte Lösung sein sollte.

„Neue Hobbies wie das Erlernen einer Fremdsprache oder einer neuen Sportart können für deinen Geist eine hilfreiche Ablenkung bieten. Nebenbei wird sich dein Selbstbewusstsein verbessern, denn du siehst, dass du selbst etwas zum Besseren verändern kannst“, sagte er.

Sowohl der NHS als auch Dr. Atkinson empfehlen Achtsamkeit, damit Menschen, die unter Stress leiden, ein Gefühl der Kontrolle entwickeln können.

„Achtsamkeit bedeutet, deinen Gedanken und Gefühlen, sowie deiner Umgebung im gegenwärtigen Moment mehr Aufmerksamkeit zu schenken“, sagte Dr. Atkinson.

„Es hilft dir, den „Autopilot“-Modus zu unterbrechen, in den man leicht im Alltag gerät.

„Und die bewusstere Wahrnehmung unserer Gedanken und Gefühle kann uns besser darauf vorbereiten, frühzeitig zu bemerken, wenn sich Anzeichen von Stress zeigen.“

Dr. Gall empfiehlt einen Arzt aufzusuchen, wenn diese Art von „Selbsthilfe“ dir nicht bei der Bewältigung deines Stresses helfen kann.

“Wenn du dich fragst, ob der Stress, dem du ausgesetzt bist, „zu viel Stress“ ist, ist ein Gespräch mit dem Arzt oder einem Experten für geistige Gesundheit die beste Lösung“, sagt sie.

Zu den Warnzeichen gehören Schwierigkeiten bei der Arbeit oder in der Schule, wenn man es schwierig findet, seinen Alltag zu bewältigen, wenn man zu Drogen oder Alkohol greift oder unter Schlaflosigkeit, Depressionen oder sogar Selbstmordgedanken leidet, fügt Dr. Gall hinzu.

Alexandra Thompson