In dieser Longevity-Klinik wollen Ärzte euer Leben verlängern – wie das funktionieren soll und was die Behandlungen kosten
Ob Amazon-Gründer Jeff Bezos, OpenAI-Chef Sam Altman oder Meta-CEO Mark Zuckerberg: Sie alle investieren Millionen von Dollar in Technologien und Forschungen, die uns ein längeres Leben ermöglichen sollen. Schließlich ist der Wunsch, jung und gesund zu bleiben, nicht nur eine persönliche Angelegenheit. Er bietet auch das Potenzial für lukrative Geschäfte.
Dem Marktforschungsbericht von Precision Reports zufolge wird der globale Markt für Langlebigkeitstherapien in den nächsten Jahren um durchschnittlich 8,1 Prozent pro Jahr wachsen. Bis 2028 könnte er sogar einen Wert von 566,4 Millionen US-Dollar (etwa 530 Millionen Euro) erreichen. Kein Wunder also, dass auch in Deutschland immer mehr Unternehmen etwas vom Kuchen abhaben wollen. Dazu gehört auch die Upwind Holding, die im November 2023 eine Longevity-Klinik in Berlin eröffnete.
Welche Leistungen die Klinik für ein längeres, gesünderes Leben bietet und was diese Therapien kosten, hat sich Business Insider genauer angeschaut.
Die Longevity-Klinik will Gesundheit und Ästhetik miteinander verbinden
Das Arona-Institut für Vitalität und Ästhetik (Aiva) befindet sich auf dem Gesundheitscampus in Berlin-Biesdorf. Dort werden die Kunden auf etwa 1400 Quadratmetern von einem 20-köpfigen Team versorgt – darunter Dermatologen und Sportwissenschaftler. Leiter der Longevity-Klinik ist Andrea Caletti, Facharzt für plastische Chirurgie. Er erklärt: „Wir fördern die innere und äußere Schönheit von Menschen, damit sie jung, fit und vital bleiben.“
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Klinik auf einen "ganzheitlichen Einsatz am Menschen". Das heißt: Statt mehrere Artpraxen besuchen zu müssen, sollen die Aiva-Kunden in einem Haus all ihre Beschwerden ansprechen können und eine "maßgeschneiderte Therapie" erhalten, so Caletti. Ergibt die Blutuntersuchung des Patienten zum Beispiel, dass ihm bestimmte Nährstoffe fehlen, bereitet das Team eine "Infusion mit individuellen Mikronährstoffen vor, um die Defizite auszugleichen." Hat er hingegen Schmerzen im Nacken, kann mit einem speziellen Rückentraining geholfen werden.
Besonders beliebt ist laut dem Klinikleiter aber die Kryokammer. Hier können Kunden bei eisigen Temperaturen von -120 Grad Celsius ihre Durchblutung anregen und das Immunsystem stärken. Außerdem haben Aiva-Besucher die Möglichkeit, ihr biologisches Alter testen zu lassen oder ein spezielles Sauerstoff-Training zur "Verbesserung des Energiestoffwechsels" zu machen, heißt es auf der Website.
Doch nicht allen Aiva-Besuchern geht es nur um ihre Gesundheit. Eine große Zahl von Kunden gelange auch "über die ästhetische Schiene" in die Klinik – insbesondere "wegen kleiner Fältchen", erzählt Caletti. Ihmzufolge stehen Botox-Behandlungen daher hoch im Kurs. Allerdings warnt der plastische Chirurg: „Die Behandlung von Fältchen allein bremst den Alterungsprozess nicht wirklich. Man kann sie zwar kaschieren, aber man muss auch etwas tun, damit das Kollagen wieder aufgebaut wird und damit die Zellen jung bleiben.“
Beim Botox ist in der Klinik jedoch noch längst nicht Schluss. Fett absaugen, Schamlippen verkleinern, Brüste straffen – all das ist im Aiva-Institut ebenfalls möglich. Behandlungen wie diese verlängern das Leben der Patienten zwar nicht, trotzdem gehört auch die Möglichkeit, sich jünger, schlanker oder schöner zu schummeln, zum Konzept der Klinik dazu.
Wer gesund und fit sein will, muss entsprechend zahlen
„Unser Angebot richtet sich an Menschen, die bereit sind, in ihre Gesundheit zu investieren“, sagt Caletti. Und „investieren“ ist hier ein treffendes Stichwort, denn das Aiva-Institut ist eine reine Privatklinik. Wer sich eine Behandlung leisten möchte und das Geld dafür hat, zahlt hier pro Besuch hohe zwei- bis dreistellige Summen. Allein für das Anamnesegespräch berechnet die Klinik mindestens 120 Euro, ebenso wie für Nährstoff-Infusionen an der sogenannten "Drips Bar". Ein Gesichtspeeling gibt es ab 80 Euro, einen Schnuppertermin in der Sauerstoffkammer ab 45 Euro.
Im Gegensatz zu anderen Kliniken geht es dem Aiva-Institut laut eigenen Angaben aber nicht nur um einmalige Behandlungen. Vielmehr sei das Institut an langfristigen Beziehungen interessiert. Das Konzept sieht vor, dass sich ein Kunde regelmäßig in der Klinik untersuchen und dauerhaft betreuen lässt. Dadurch sollen die Beschwerden des Patienten bekämpft, seine Laborwerte konstant auf einem möglichst guten Niveau gehalten und schnell auf neue körperliche Bedürfnisse reagiert werden können.
Klinikleiter Caletti erklärt das so: "Es hilft wenig, wenn man nur einmal zu uns kommt, wir zum Beispiel einen Mangel an Kalzium und Magnesium feststellen und der Patient dann nicht mehr wiederkommt. Bei der Anwendung einer Therapie muss ich auch kontrollieren können, ob sie eine positive Wirkung hatte. Dazu müssen wir regelmäßig die Ergebnisse des Patienten messen und gegebenenfalls die Therapie anpassen." Ähnliches gelte für Behandlungen wie das Sauerstoff-Training oder die Kältekammer. Um positive Ergebnisse zu erzielen, seien auch hier mehrere Sitzungen und Kontrolltermine notwendig.
Doch was sinnvoll für die Gesundheit oder zumindest das eigene Wohlbefinden sein mag, ist natürlich auch ein cleveres Geschäftsmodell. Denn wer regelmäßig kommt, zahlt im Endeffekt auch mehr. Caletti ist sich aber sicher: „Wenn man die positiven Effekte einer Behandlung merkt, ist man auch motivierter, weiter in seine Gesundheit zu investieren. Dann weiß man, dass es gut investiertes Geld ist.“
Die Datenlage zu den Behandlungen steht zum Teil auf wackeligen Beinen
Die Höhe der Preise wirkt sich auch auf den Kundenstamm des Longevity-Instituts aus. „Jüngere Menschen benötigen aufgrund ihres Alters oft weniger Behandlungen. Dazu kommt, dass sich Studierende und Berufsanfänger oder Berufsanfängerinnen auch oft weniger leisten können“, gesteht Klinikleiter Andrea Caletti. Dabei müsse man sich schon als junger Mensch um seine Gesundheit kümmern, um bis ins hohe Alter fit zu bleiben. Dieses Problem ist auch Caletti bewusst. „Deshalb sind wir im regelmäßigen Austausch mit der Politik und dem Gesundheitssystem, um Longevity zu demokratisieren“, sagt er.
Doch Gespräche allein machen die Behandlungen für die Patienten nicht günstiger. Ziel des Klinikleiters sei daher, "dass die Krankenkassen mehr Longevity-Behandlungen übernehmen." Ganz so einfach ist das aber nicht. Denn die Krankenkassen "benötigen Studien, die die positiven Effekte der Therapien beweisen", so Andrea Caletti. Und genau hier hapert es noch. Die meisten dieser Studien werden nämlich an Tieren durchgeführt "und das bedeutet, dass es momentan oft noch keine gute Datenlage zu positiven Effekten auf den Menschen gibt", erklärt er.
Ein weiteres Problem: Ob die Behandlungen tatsächlich dazu führen, dass sich die gesunden Lebensjahre der Patienten verlängern, sei noch unklar. „Wir haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 75 Jahren. Also wenn man zum Beispiel mit 40 Jahren anfängt, Longevity-Therapien einzusetzen, muss man mindestens 30 Jahre warten, bevor man beurteilen kann, ob sie wirklich eine positive Wirkung hatten“, erklärt der Leiter der Klinik. Und das hört der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung festlegt, ungern.
Gesetze regeln nämlich, dass Kassenleistungen "wirksam", "wirtschaftlich erbracht" und "nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen" werden sollen. Vor allem in puncto Wirksamkeit fehlt es jedoch an Beweisen. "Uns ist keine Methode im Zusammenhang mit Longevity bekannt, die eine ausreichende Evidenz aufweist, um als wissenschaftlich anerkannter 'Behandlungsansatz' zu gelten", kommentiert etwa die Krankenkasse Barmer auf Anfrage von Business Insider. Auch die DAK-Gesundheit schreibt, dass sie "derzeit keine Kosten für spezifische Longevity-Behandlungen wie etwa sogenannte 'Longevity-Infusionen'" übernimmt.
Anders ist es hingegen bei der Hyperbaren Sauerstofftherapie, die das Aiva-Institut ebenfalls anbietet. Diese ist zwar im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten, aber die Kosten dafür werden laut Aussagen der Techniker Krankenkasse (TK) nur "in Einzelfällen" übernommen.
Auch Kleinigkeiten helfen, länger zu leben
Nichtsdestotrotz werden sich die Krankenkassen laut Andrea Caletti mit Longevity-Behandlungen auseinandersetzen müssen. Denn die deutsche Bevölkerung werde zwar immer älter, aber nicht unbedingt gesünder. Der Arzt befürchtet daher, dass ab 2050 ein Versorgungsnotstand drohen könnte. „Deshalb müssen wir jetzt schon Geld in die Prävention investieren“, erklärt er. Und eine Longevity-Klinik wie das Aiva-Institut sei schließlich „nichts anderes als ein Zentrum für erweiterte Präventivmedizin.“
Caletti betont aber, dass man "nicht sofort mit irgendwelchen Behandlungen anfangen muss". Gerade als junger Mensch brauche man ohnehin nicht viele. Allerdings könnten dem Arzt zufolge schon Kleinigkeiten dabei helfen, länger und gesünder zu leben. „Es reicht schon, sich mehr zu bewegen und darauf zu achten, wie man sich ernährt“, sagt der Leiter der Longevity-Klinik. „Das sind Sachen, die wir als Ärzte schon seit Jahren sagen, aber kaum ein Mensch achtet darauf.“
Calettis persönliche Empfehlung lautet daher, beispielsweise die Treppe statt des Fahrstuhls zu benutzen, weniger Fleisch und dafür mehr Gemüse zu essen und mithilfe von Laboruntersuchungen regelmäßig seinen Gesundheitszustand zu prüfen. So lasse sich der Alterungsprozess zwar nicht vollständig stoppen, aber wenigstens "ein bisschen bremsen."