Mai Thi Nguyen-Kim bei Luisa Neubauer: "Bei der Klimakrise ist das Ziel eine Revolution"

Mai Thi Nguyen-Kim, unter anderem bekannt durch die ZDF-Sendung "Maithink X - Die Show" machte ihrem "Frust über diese Informationskrise" zur Zeit der Coronakrise Luft. (Bild: ZDF / Svea Pietschmann / Dirk Staudt)
Mai Thi Nguyen-Kim, unter anderem bekannt durch die ZDF-Sendung "Maithink X - Die Show" machte ihrem "Frust über diese Informationskrise" zur Zeit der Coronakrise Luft. (Bild: ZDF / Svea Pietschmann / Dirk Staudt)

Wohin geht der Weg in der Corona-Pandemie? Welche Parallelen gibt es zur Klimakrise? Und wie fühlen sich Wissenschaftler im Spannungsfeld zwischen Heilsbringer und Buhmann? Diesen Fragen von Luisa Neubauer hat sich Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim im Klima-Podcast "1,5 Grad" gestellt.

Seit die Corona-Pandemie vor zwei Jahren die Welt überrollt hat, hat sich nicht nur unser Alltag tiefgreifend verändert, sondern auch der Blick auf die Wissenschaft. Forschende erreichen eine bis dato nicht gekannte Öffentlichkeit - so auch Mai Thi Nguyen-Kim, eines der prominentesten Gesichter aus der Wissenschaft. "Alles, womit ich mich beruflich beschäftige, ist sehr geprägt von der Pandemie und dieser neuen Bühne, auf der Wissenschaft jetzt steht", bestätigte die Wissenschaftsjournalistin nun im Klima-Podcast "1,5 Grad" von Luisa Neubauer.

Noch vor einem Jahr, als sie an ihrem Buch geschrieben habe, habe sie im Vorwort die Frage aufgeworfen, ob "die Pandemie die beste oder schlechteste Zeit für das Verständnis von Wissenschaft" sei. Mit der Erfahrung der letzten Monate denke sie nun: "Je mehr Zeit vergeht, desto pessimistischer werde ich." Außerdem zog Nguyen-Kim eine Parallele zwischen Corona-Pandemie und Klimakrise: "Der Frust der Forschenden wird ja oft nicht gerne gehört, zum Beispiel von politischen Entscheidungsträgern, aber auch von der Öffentlichkeit, wenn es schlechte Nachrichten bringt."

In der neuen Folge ihres Klima-Podcasts: "1,5 Grad" begrüßt Luisa Neubauer (Bild) die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. (Bild: Getty Images / Joshua Sammer)
In der neuen Folge ihres Klima-Podcasts: "1,5 Grad" begrüßt Luisa Neubauer (Bild) die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. (Bild: Getty Images / Joshua Sammer)

Mai-Thi Nguyen-Kim beklagt "Frust über diese Informationskrise"

Dennoch macht die Grimme-Preis-Trägerin ("maiLab") einen entscheidenden Unterschied zwischen Corona- und Klimakrise aus. Bei der Klimakrise hätten sich die Menschen noch nicht von Vornherein "den Mund fusselig geredet", wohingegen bei der Coronakrise der "Erkenntnisgewinn quasi live mitgetickert" werde. Das habe bei vielen Menschen zu dem Schluss geführt: "Ach so, das ändert sich ja jeden Tag. Dann brauche ich auch erst gar nicht auf die Wissenschaft zu hören."

Anders als bei Corona, wo vieles noch im Unklaren sei, gestalte sich die Lage bei der Klimakrise, wo der Forschungsstand laut Luisa Neubauer "keine Fragen offen" lasse. Mai Thi Nguyen-Kim klagte, sie verspüre "Frust über diese Informationskrise". Während ihrer Zeit in den USA habe Donald Trumps Ex-Beraterin Kelly Ann Conway den Begriff der "alternative facts" erstmals benutzt, erinnerte sich die 34-Jährige: "Das Gefühl hält man körperlich nicht aus, das ist ganz schlimm."

Auch wenn sie einräumte, es habe in der Pandemie Phasen gegeben, in denen sie "den Fernseher wirklich nicht anschalten konnte", urteilte Nguyen-Kim: "Ich habe das gute Gefühl, dass ich nicht tatenlos zusehen muss, wie Wissenschaft beliebig ideologisch oder politisch verzerrt wird, sondern ich kann selbst was dazu beitragen."

"Je mehr Zeit vergeht, desto pessimistischer werde ich": Zuversichtlich zu bleiben, fällt Mai Thi Nguyen-Kim nicht immer leicht. (Bild: Getty Images / Tristar Media)
"Je mehr Zeit vergeht, desto pessimistischer werde ich": Zuversichtlich zu bleiben, fällt Mai Thi Nguyen-Kim nicht immer leicht. (Bild: Getty Images / Tristar Media)

Mai-Thi Nguyen-Kim zieht Medien und Politik in die Verantwortung

Es sei jedoch fatal, die "Pandemie als Blaupause zu nehmen für alle Krisen, auch für die Klimakrise". Das sei wegen offensichtlicher Unterschiede "einfach falsch und gefährlich". Beim Kampf gegen Corona sei das Ziel, "auszuharren, durchzuhalten, zu überleben, um irgendwann in den Zustand zu kommen, wie es vorher war". Ganz anders sei die Lage bei der Klimakrise, wie Mai Thi Nguyen-Kim erklärte: "Bei der Klimakrise ist ja das eigentliche Ziel ein ganz anderes, nämlich eine Revolution." So sei der Weg in eine "lebenswertere Welt" möglich.

In die Verantwortung zog die Moderatorin gleichermaßen Politik und Medien. Politiker, die einen Imageverlust bei unpopulären Entscheidungen fürchten, warf sie vor: "Das ist das Gegenteil von Leadership." Außerdem forderte Nguyen-Kim von den Medien, nicht den Lautesten die Bühne zu überlassen, denn: Ein großer Teil der Bevölkerung sei "genauso wütend und frustriert, macht dem aber nicht so laut Luft". Wichtig sei auch ein starker Wissenschaftsjournalismus, der "die Schnittstelle herstellen" könne.

Mit ihrem YouTube-Format "maiLab" avancierte Mai Thi Nguyen-Kim zu einer der einflussreichsten Stimmen aus der Wissenschaft während der Coronakrise. (Bild: YouTube / funk)
Mit ihrem YouTube-Format "maiLab" avancierte Mai Thi Nguyen-Kim zu einer der einflussreichsten Stimmen aus der Wissenschaft während der Coronakrise. (Bild: YouTube / funk)