Mein Mann und ich waren 45 Jahre verheiratet – jetzt bin ich Witwe und trauere auch drei Jahre nach seinem Tod noch

Die Autorin war 45 Jahre mit ihrem Mann verheiratet, bevor er starb. - Copyright: Courtesy of the author
Die Autorin war 45 Jahre mit ihrem Mann verheiratet, bevor er starb. - Copyright: Courtesy of the author

Ich bin Witwe – das ist meine neue Bezeichnung. Im Juni dieses Jahres hätten ich und mein Ehemann Steve unseren 48. Hochzeitstag gefeiert. Stattdessen bleibt unsere Ehe am 45. Jahrestag stehen.

Sowohl mein Alltag, als auch meine Identität, änderten sich mit seinem Tod schlagartig. Ich war mein Leben lang entweder Mutter, Hundebesitzerin, Tochter, Schwester, Tante, Cousine, Enkeltochter oder Freundin – und nun bin ich seit drei Jahren Witwe. Das muss mir erstmal klarwerden.

Neuer Alltag, neue Identität

Steve wird immer mein Mann sein – wie könnte das sich auch jemals ändern? Auch wenn man ein Bein verliert, spürt man, den Studien zufolge, weiterhin ein „Phantombein“. Manchmal fühle ich mich so, als hätte ich sogar einen „Phantommann“. Ich spüre Steve in unserer Wohnung, sobald ich Angst habe oder etwas nicht finden kann. Aber auch, wenn ich eine Antwort auf eine Frage brauche, traurig oder einsam bin.

Allerdings ist es nicht mehr unsere Wohnung. Es gibt kein unseres mehr – nur noch ich. Als Steve starb, dachte ich mir: „Ich kann die Wohnung ja streichen.“ Das wollte ich bereits seit Jahren tun, doch die Mühe und der Geruch wären ihm zu viel gewesen, da er an Atemwegserkrankungen litt. Ich habe immer noch nichts gestrichen.

Unser Hund starb vor Steve

Unser Hund Cassie gehörte zu unserer Familie. Sie starb kurz vor meinem Mann. Als Steves Gesundheit sich weiter verschlechterte, sehnte ich mich nach dem Hund besonders. Anschließend fand Steve einen neuen für uns, jemand, der mir beistehen sollte, falls ich ihn auch verliere. Da es während der Corona-Pandemie passierte, war das Finden eines neuen Hundes wie im Lotto zu gewinnen.

Steve fand jemanden online, der in unserer Nähe neue Welpen erwartete. Die sogenannten Mini-Golden-Doodle-Hunde wurde eine Woche vor dem Tod meines Mannes geboren. Steve zeigte seinen Krankenschwestern noch Fotos von den süßen Hunden – alle freuten sich darüber. Ich traf Romeo an meinem Geburtstag – erst zwei Wochen nach Steves Tod. An unserem Hochzeitstag brachte ich den Welpen mit mir nach Hause.

Ich brauche noch Zeit, mich an die Umstände und das Leben als Witwe zu gewöhnen

Es braucht noch eine Weile, bis ich mich richtig in Romeo verlieben kann. Der Hund ist nicht wie Cassie, und Steve ist auch nicht mehr hier. Manchmal fühle ich mich so, als wäre ich in einem anderen Universum. Es ist so, als würde ich auf den Moment warten, der mich wieder zurück dorthin bringt, wo ich sein soll.

Dass ich in Therapie gehe und mit Freunden und Familie kommuniziere, hilft mir sehr. Doch die führen auch ihr eigenes Leben und sind der Meinung, mir sollte es jetzt schon besser gehen. Auch traf ich mich mit einem Nachbarn auf Dates. Wir reisten und aßen in teuren Restaurants. Wir machten Dinge, die wir mit unseren verstorbenen Partnern nicht tun konnten, als sie noch krank Zuhause waren.

In der Vergangenheit leben

Der Nachbar beschwerte sich jedoch darüber, dass ich immer noch so viele Fotos von Steve und Cassie besitze. Er fragte mich: „Wenn du noch so sehr in der Vergangenheit steckst, wofür lebst du überhaupt?“ Danach brich der Kontakt zwischen uns ab.

Mein Herz leidet weiterhin. Es sind Kleinigkeiten, die mich immer wieder stören und daran erinnern. Zum Beispiel, das Lied „Something“ von The Beatles – unser Hochzeitslied damals. Auch macht mich Steves blaues Hemd, das er früher zur Arbeit trug, emotional. Ich sehe es in seinem Kleiderschrank hängen und denke sofort wieder an seinen Augen, die die gleiche Farbe hatten. Dasselbe gilt für das Bild von Steve und Cassie beim Wandern.

Ich habe mal gelesen, dass Trauer zwischen sechs Monate und bis zu zwei Jahre andauern kann. Einige kommen über ihr Leid allerdings gar nicht mehr hinweg. Ich nehme jeden Tag, so wie er kommt, mit Romeo an meiner Seite. Er tröstet und knuddelt mich gerne. Ich habe sogar angefangen, die Wohnung zu streichen.

Eine Freundin sagte mir mal: „Ann, sei gut zu dir selbst. Tu das, was dich glücklich macht.“ Und ja, ich versuche es. Zumindest, so gut es als Witwe geht.

jn

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