Neueste Erkenntnisse: So fühlt sich der bevorstehende Tod an

Wie fühlt sich der nahende Tod an? Sehen wir tatsächlich ein Licht am Ende eines Tunnels, den eigenen sterbenden Körper oder zieht das Leben noch einmal vor dem inneren Auge vorbei? Davon berichten Menschen – einhellig. Forscher erkunden seit Jahren, was dem zugrunde liegen könnte. Nun gibt es neueste Erkenntnisse, was im Gehirn passiert, wenn einem der Tod bevorsteht.

Tod: Forschende untersuchten die Hirnaktivitäten von sterbenden Menschen. (Symbolbild: Getty Images)
Forschende untersuchten die Hirnaktivitäten von sterbenden Menschen. (Symbolbild: Getty Images)

Über die wissenschaftliche Erklärung für Nahtoderfahrungen wird in Wissenschaftskreisen seit Längerem diskutiert. Eine Ursache könnte ein im Augenblick des Sterbens hyperaktives Gehirn sein. Das legt zumindest die Studie eines US-Forschungsteams unter Leitung von Hirnforscherin Jimo Borjigin von der University of Michigan nahe, deren Ergebnisse im Fachblatt "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) veröffentlicht wurden.

Wissenschaftler warnen: Immer mehr Menschen werden kurzsichtig

Dabei wurde schon früh die Hirnaktivität kurz vor dem Tod untersucht, die kurz vor dem Eintreten anders zu sein schien. Vor zehn Jahren hatte Borjigins Forschungsteam mit Versuchen an Ratten gezeigt, dass in den ersten 30 Sekunden nach einem Herzstillstand bei den Tieren auffällig synchrone Muster ganz bestimmter Hirnwellen messbar waren. Anhand der damaligen Studie schlossen die Wissenschaftler, dass das Gehirn im frühen Stadium des klinischen Todes zu gut organisierter elektrischer Aktivität fähig ist.

Neue Studie an sterbenden Menschen liefert weitere Erkenntnisse

In der neuen Arbeit berichtet das Team nun von ähnlichen Signaturen in den Gehirnen von sterbenden Menschen, die ebenfalls einen Herzstillstand erlitten. Konkret untersuchten die Forschenden vier komatöse Patienten, die im Sterben lagen, und zeichneten die Hirnaktivitäten per Elektroenzephalografie (EEG) auf.

Ein Elektroenzephalogramm (EEG) macht Hirnstromwellen sichtbar. Sie entstehen, wenn Neuronen durch elektrische Impulse miteinander kommunizieren. Je nach Bewusstseinszustand schwingen verschiedene Hirnstromwellen in unterschiedlichen Frequenzbereichen: Im Tiefschlaf sind die Delta-Wellen besonders stark und schwingen mit einer Frequenz von ein bis drei Hertz pro Minute, während die schnellen Gamma-Wellen eine Frequenz zwischen 25 und 140 Hertz aufweisen.

Hirnaktivitäten wie bei Träumen, Meditation oder Erinnerung

Die oben genannten Gamma-Wellen zeigten zumindest bei zwei der Patienten auffällige Muster: Bei ihnen löste das Absetzen der Beatmungsgeräte einen vorübergehenden und umfassenden Anstieg der Gamma-Wellenaktivitäten aus, wie auch einen Anstieg der Herzfrequenz. Gamma-Schwingungen sind beim gesunden Hirn mit erhöhter Aufmerksamkeit und Konzentration, Informationsverarbeitung und dem Abrufen von Erinnerungen verbunden. Darüber hinaus sind sie beim Träumen und während tiefer Meditation messbar.

Strom aus der Luft: Wissenschaftler entdecken Enzym zur Erzeugung sauberer Energie

Im letzten Jahr wurde in einem wissenschaftlichen Journal namens "Frontiers in Aging Neuroscience" über eine Studie berichtet, bei der die Gehirnaktivitäten eines einzigen Patienten während der 15 Minuten um seinen Tod herum aufgezeichnet wurden. Dieser Patient hatte nach einer Kopfoperation plötzlich epileptische Anfälle.

Auch bei den zwei Patienten, die in der aktuellen Studie untersucht wurden und eine erhöhte Gamma-Wellenaktivität zeigten, traten zuvor Anfälle auf. Allerdings traten diese Anfälle nicht in der Stunde vor ihrem Tod auf. Zusätzlich wurden bei ihnen Aktivitäten in einem bestimmten Bereich des Gehirns festgestellt, der bereits mit Träumen, visuellen Halluzinationen bei Epilepsie und veränderten Bewusstseinszuständen in Verbindung gebracht wurde.

Studien als Grundstein weiterer Forschung

Zusammenfassend lässt ihre Studie darauf schließen, dass das menschliche Gehirn während eines Herzstillstands aktiv sein kann und somit den Grundstein für die weitere Erforschung des menschlichen Bewusstseins legt, erklären die Autorinnen und Autoren.

Allerdings warnen sie aufgrund der geringen Anzahl an untersuchten Fällen davor, pauschale Aussagen über die Bedeutung der Ergebnisse zu treffen. Zudem ist es unmöglich zu wissen, was die Patienten erlebt haben, da sie verstorben sind. In dem Forschungspapier wird betont: "Wir können nicht ausschließen, dass der Anstieg der Gammawerte ein Anzeichen für einen pathologischen Prozess ist, der nur während der Sterbephase auftritt und nichts mit bewusster Verarbeitung zu tun hat."

Sauerstoffmangel führ zu Veränderungen im Gehirn

Der durch den Tod verursachte Sauerstoffmangel führt tatsächlich zu vielen Veränderungen im Gehirn, die es schwierig machen, klare Anzeichen von Bewusstsein zu erkennen. Wenn der Blutkreislauf stillsteht, unterbricht das Gehirn die Kommunikation zwischen den Nervenzellen, bestimmte elektrische Rhythmen im Gehirn verschieben sich und die Zellen zeigen eine letzte elektrische Aktivität.

Forscher entdecken seltenen Koboldhai: doch etwas scheint "nicht richtig"

Bereits im Jahr 2018 beschrieben deutsche und US-amerikanische Neurologen in der Zeitschrift "Annals of Neurology", dass dies in Form einer sich ausbreitenden Entladungswelle geschieht. Dennoch sind die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse spannend und bieten einen neuen Rahmen für unser Verständnis des verborgenen Bewusstseins beim Sterben, wie von Mitautorin und Neurologin Nusha Mihaylova betont.

Nahtoderfahrungen seien ein wissenschaftliches Paradoxon

Die Nahtoderfahrung stellt ein "neurowissenschaftliches Paradoxon" dar, wie Koautor George Mashour, Gründungsdirektor des Michigan Center for Consciousness Science, betont. Es bleibt fraglich, wie lebendige Erfahrungen aus einem gestörten Gehirn während des Sterbeprozesses entstehen können. Die Studie trägt dazu bei, die zugrunde liegenden neurophysiologischen Mechanismen besser zu verstehen.

Größere, multizentrische Studien mit EEG-überwachten Intensivpatienten, die einen Herzstillstand überlebt haben, wären hilfreich. Sie könnten dringend benötigte Daten liefern, um festzustellen, ob die Ausbrüche der Gamma-Aktivität ein Beweis für ein verborgenes Bewusstsein in unmittelbarer Nähe des Todes sind.

VIDEO: Maschinelles Lernen: Wissenschaft entdeckt, dass gestresste Pflanzen Töne von sich geben