Oliver Bierhoff, was ging dir durch den Kopf, als du das entscheidende Tor im EM-Finale geschossen hast?

Oliver Bierhoff weiß nicht mehr genau, warum er sich im Rausch der Freude sein Trikot ausgezogen hat. - Copyright: picture alliance / SvenSimon | SVEN SIMON / COllage: Dominik Schmitt
Oliver Bierhoff weiß nicht mehr genau, warum er sich im Rausch der Freude sein Trikot ausgezogen hat. - Copyright: picture alliance / SvenSimon | SVEN SIMON / COllage: Dominik Schmitt

Es war dieser eine Schuss, der Oliver Bierhoff zur Legende machte: der Golden-Goal-Treffer im Finale der Fußballeuropameisterschaft.

Am 30. Juni 1996 spielte die deutsche Nationalmannschaft im Wembley-Stadion um den Siegespokal bei der EM. Der Gegner: die tschechische Republik.

Bierhoff war kein Stammspieler

Die deutsche Nationalmannschaft 1996: Bierhoff ist die Nummer 20. - Copyright: picture alliance / augenklick/firo Sportphoto | firo Sportphoto/Jürgen Fromme
Die deutsche Nationalmannschaft 1996: Bierhoff ist die Nummer 20. - Copyright: picture alliance / augenklick/firo Sportphoto | firo Sportphoto/Jürgen Fromme

Anfangs ein träges Spiel, stand die deutsche Mannschaft nach der 59. Minute unter enormen Druck – die Tschechen haben einen Elfmeter verwandelt und führten 1:0.

Zehn Minuten später wurde Bierhoff eingewechselt, erst wenige Monate zuvor debütierte der damals 28-Jährige erstmals für die Nationalmannschaft.

Er war kein Stammspieler, kein Star der Mannschaft – doch er sollte der Held des Spiels werden.

„Ein Finale ist eine Situation, in der du weißt, dass alles passieren kann“, sagt Bierhoff in unserem Podcast „Business Class“. „Wenn ich die Bilder sehe, wirke ich fast ein bisschen gelangweilt“, so Bierhoff.

„Es gibt Momente, da siehst du schon auf halbem Weg, dass das dein Ball ist. Der Ball kam und ich konnte frei zum Kopfball kommen.“ Das war der Ausgleich in der 73. Minute, der zur Verlängerung führte.

„Ich habe nicht gedacht, dass ich noch das entscheidende zweite Tor schießen würde.“

Beim zweiten Tor seien beide Mannschaften müde gewesen, erinnert sich Bierhoff, es ging Richtung Elfmeterschießen – doch soweit sollte es nicht kommen.

„Ein langer Ball wurde rausgeschlagen. Jürgen (Klinsmann, Anmerkung der Redaktion) hat geflankt und ich stand mit dem Rücken zum Tor. Ich wollte eigentlich auf meine rechte Seite gehen, aber von hinten war dann Marco Bode da. Er hat gerufen "Hierhin, hierhin", er wollte wohl den Ball haben. Stattdessen habe ich mich in die andere Richtung gedreht und einfach blind abgezogen. Ich wusste natürlich, wo das Tor steht und konnte hören, wo der Torwart steht. Dann ist der Ball reingekullert.“

Die Minibar wurde leergeräumt

„Oliver Bierhoff, was ging dir durch den Kopf, als du das entscheidende Tor im EM-Finale geschossen hast?“, haben wir ihn gefragt.

„Ich weiß es nicht mehr. Es war ein unglaubliches Feuerwerk im Kopf. Ich habe das Trikot ausgezogen, obwohl ich das weder vorher noch danach in meiner Karriere gemacht habe. Es war wahrscheinlich das Realisieren, dass das Spiel aus ist.“

Denn ein Golden Goal ist eine Regel im Fußball, die besagt, dass das erste Tor, das in der Verlängerung eines Spiels erzielt wird, das Spiel sofort beendet und die Mannschaft, die dieses Tor erzielt hat, zum Sieger erklärt wird.

Als der Ball reingerollt ist, sei Bierhoff sich zunächst nicht sicher gewesen, ob Stefan Kuntz den Ball noch berührt hatte. „Nachdem ich gesehen hatte, dass Marco Bode kurz geschaut hat, ob der Linienrichter Abseits angezeigt hat und das nicht passiert ist, war nur noch Freude da. Ich habe meine Kollegen auf mir liegen oder springen gesehen und wir haben einfach nur geschrien.“

Bierhoff (oben ohne) wird von seinen Kameraden gefeiert.  - Copyright: picture-alliance / Rolf Kosecki | Rolf Kosecki
Bierhoff (oben ohne) wird von seinen Kameraden gefeiert. - Copyright: picture-alliance / Rolf Kosecki | Rolf Kosecki

In dem Moment habe er gar nicht realisiert, was das für seine Karriere und sein Leben bedeuten kann. „So richtig realisiert habe ich es erst am Morgen, als ich um fünf nach der Party aufs Zimmer kam.“ Bis dahin habe man sich einfach mit der Mannschaft gefreut.

„Ich weiß, dass wir Spieler alle aufs Zimmer gegangen sind, die Minibar leergeräumt haben und uns irgendwo in den Gängen hingesetzt haben.“

Vom Torschützen zum Vermögensberater

Heute, 28 Jahre nach seinem legendären Golden Goal, hat Oliver Bierhoff einen bleibenden Einfluss auf den deutschen Fußball.

Nach seiner aktiven Spielerkarriere war er als Manager und später Direktor der Nationalmannschaft maßgeblich an der Organisation und strategischen Ausrichtung beteiligt, die 2014 zum Weltmeistertitel führte.

2022 trennten sich der DFB und Bierhoff, jetzt ist der einstige Fußballstar Chairmann bei dem Family Office Finvia.

Doch egal was er machen wird, in der deutschen Fußballgeschichte wird er vor allem für diesen einen Schuss in Erinnerung bleiben.

Hier könnt ihr das ganze Interview als Video sehen: