Reality made for Instagram: Wie Museen sich mit inhaltsleeren Ausstellungen an Millennials reich verdienen

Das “Museum of Icecream” gilt als eine der beliebtesten Instagram-Kulissen New Yorks. Foto: Getty Images / Kena Betancur

Dass Instagram eine Scheinwelt ist, in der längst nicht mehr nur hübsche Mäuschen schicke Filter über belanglose Bilder legen, sondern professionelle Influencer sich als Marken positionieren und viele Stunden Arbeit am Tag darauf verwenden, das richtige Bild zu finden – ja, das ist inzwischen den meisten klar. Neu ist: In den USA, aber auch langsam in Deutschland entstehen immer mehr Räumlichkeiten, die einzig und allein dazu dienen Realitäten für Instagram zu schaffen. Der Hype um die inhaltsleeren Museen boomt.

Sharing is caring – das dachte sich vermutlich auch die Gründerin des Eiscreme-Museums in San Francisco Maryellis Bunn. 2016 öffnete sie dort die Pforten zu einer wunderbaren Traumwelt, die laut Webseite angelehnt ist an Bunns Kindheitsträume, aber auch von all jenen Produzenten, Kreativen und Designern inspiriert ist, die gern an Eiscreme denken.

Dass Museum in San Francisco ist kein normales Museum. Es beschreibt sich selbst und das, was es als Input seinen Besuchern mitgibt, folgendermaßen: “Wir glauben, dass Erfahrung der beste Lehrer ist und dass man geben muss, um etwas zu bekommen. Geben Sie Ihren Träumen eine Chance, lassen Sie Ihr inneres Kind ‘raus, treffen Sie einen Fremden … und lassen Sie Ihre Sorgen draußen.

Ein Bad in der Menge, äh den Streuseln. Kannst du mal ein Bild von mir machen? Foto: Getty Images / Kena Betancur
Ein Bad in der Menge, äh den Streuseln. Kannst du mal ein Bild von mir machen? Foto: Getty Images / Kena Betancur

Bunn teilte nun also nicht nur ihre Kindheitsträume mit denjenigen, die ihr Museum besuchten, sondern die Besucher teilten auch ihre Museumserfahrungen mit ihrer Instagramcommunity. Denn, so scheint es, für nichts anderes ist das Museum da. 38 Dollar muss man berappen, um einen der begehrten Plätze in der Museumsschlange zu erhalten, denn einfach so hingehen und ‘reinlaufen, ist nicht. Du musst schon Online einen Termin vereinbaren. Nur so generiert man künstliche Exklusivität.

Im Inneren des Museum of Icecream erwarten einen dann alle Möglichkeiten, ein tolles Selfie in ungewohnter Umgebung zu schießen, beispielsweise in einem Bad, dass nur aus bunten Streuseln besteht. Wie cool ist das denn? Oder? Denn hatten Museen nicht irgendwo auch mal einen Bildungsauftrag. Egal, Hauptsache ‘ne gute Selfielocation, so scheint es der Millennial zu denken.

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Ice Cream Happiness! 😍😄💖

A post shared by Alycia Perino (@alyciaperino) on Oct 15, 2018 at 5:28pm PDT

Doch das Museum of Icecream ist keineswegs das einzige “Museum”, das mit dieser so genannten pop-up-experience eine Heidenkohle macht. So werden übrigens Ausstellungen bezeichnet, die nur vorübergehend sind, meist auf Visualität und die perfekte Oberfläche setzen, höchstens als Alibi einfache Inhalte vermitteln und in allererster Linie dafür da sind, als Selfie-Kulisse zu dienen.

Eine dieser horizonterweiternden und erfahrunggenerierenden Ausstellungen ist die colorfactory. Die stammt ebenfalls aus San Francisco, hat sich aber mittlerweile bis nach New York vorgearbeitet. Die Farbfabrik, die sich laut eigenen Aussagen durch Kuriosität, Verspieltheit und Entdeckungsmöglichkeiten auszeichnet, war geplant als einmonatige Ausstellung und – siehe da – daraus wurden acht ausverkaufte Monate. Kinder unter zwei Jahren dürfen übrigens kostenlos hinein.

Bestes Gimmick an der colorfactory: Ich muss nicht mal meine eigene Kamera mitnehmen. Überall im Museum sind Kameras installiert, die genau so eingestellt sind, dass sie den perfekten Instagram-Shot liefern können.

Die Colorfactory erfreut sich bei Instagram großer Beliebtheit. Ein schlaues Erfolgsmodell, die Nutzer selbst werben zu lassen, ist es allemal. Foto: Screenshot / Instagram
Die Colorfactory erfreut sich bei Instagram großer Beliebtheit. Ein schlaues Erfolgsmodell, die Nutzer selbst werben zu lassen, ist es allemal. Foto: Screenshot / Instagram

Ist das jetzt die neue Realität? Sicher war es schon immer eine Aufgabe von Instagram, dafür zu sorgen, dass ich selbst gut ankomme, weil ich besonders hübsch bin, weil ich an besonders tolle Orte reise, weil mein Essen für Foodies ein Augenschmaus ist, weil mein Hund so drollig ist und und und. Irgendwo hatte Instagram auch mal das Potenzial, Menschen wachzurütteln, weil man gut in die andere Richtung schlagen konnte, beispielsweise, in dem man Bilder zeigte von Menschen mit weniger makelloser Haut, mit Schwangerschaftsstreifen oder minimalen Kochkünsten. Doch das ist nur ein kleiner Teil.

Ein spritziges Bild bei Instagram abzuliefern wird mit den pop-up-experiences immer einfacher. Real ist an der ganzen Sache schon lange nichts mehr, aber jetzt muss man sich nicht mal mehr Mühe geben. Man braucht keine Zeit für die Suche nach einer Location verschwenden, muss keine stundenlangen Shootings über sich ergehen lassen und braucht auch nicht vor dem Rechner hocken, um nachzubearbeiten. Knips, und fertig!

Was für die einen das 2438. Bild in ihrer Timeline ist, ist für die Macher von Eiscreme- und Farbmuseen eine Goldgrube. Denn die Nutzer generieren die Werbung auch noch selbst. Durch ihr ständiges Teilen unter den verschiedenen Hashtags erreichten die Museen schnell einen riesigen Bekanntheitsgrad. Und ist der verbraucht, interessiert sich vielleicht plötzlich keiner mehr für Eiscreme, dann macht man eben ein neues Museum auf. Eins für Pizza steht schon in den Startlöchern.

Doch auch Marketingfirmen machen sich die Suche der Influencer nach der perfekten Shooting-Location zu Nutze. Im hippen New Yorker Stadtteil SoHo wurde nun ein Appartement eingerichtet, dass ganz im Sinne der Instagramcommunity funktioniert. 15.000 Dollar Miete kosten die 223 Quadratmeter im Monat. Zur Verfügung gestellt werden sie von der Firma Village Marketing.

Village Marketing weiß um die Not der Influencer, die im überteuerten und beengten New York nur selten den idealen Platz finden, um die besten Bilder zu schießen und sich teilweise in Möbelgeschäften aufhalten, um ihren Job zu erledigen.

Das Appartement ist in roségold, plüsch und pastellrosa gehalten – die Farben, die Millennials laut Village Marketing lieben. Eingerichtet wurde es von einer Möbelfirma, die sich nun in den vielen Tausend Bildern der Influencer wiederfindet und sich so eine ideale Werbeplattform geschaffen hat. Eine Hand vergoldet die andere.

Das einzige was es im SoHo-Appartement nicht gibt, ist Gerümpel von Menschen, die dort wohnen würden. Denn das tut keiner. Es steht dort kein schmutziges Geschirr, es läuft keine Waschmaschine, es liegen keine Zeitschriften herum. Zumindest keine, die nicht herumliegen sollen. Die Kulisse ist perfekt. Ganz genauso, wie das Bild das daraus entsteht. Eine Realität – gemacht nur für Instagram.

Übrigens: Wer jetzt denkt, dass er für ein einfaches Super-Selfie nach New York oder SanFran fliegen muss, der sei getröstet. In Köln gibt es noch bis Ende Dezember das Supercandymuseum – wenn die Ausstellung nicht verlängert wird. Dort kann man sich auch hierzulande in das obligatorische Bällebad stürzen, wie man es eben von Museumsbesuchen kennt.