Schöner Schein: Die Serie „La Maison“ blickt amüsant hinter die Kulissen eines Modehauses

La Maison
Tuscheleien im Atelier: Antoine Reinartz and Amira Casar in „La Maison“ Apple TV+,

„Hoppla, das kenne ich doch“, denkt man sich zu Beginn der neuen Apple TV+-Serie „La Maison“. Da geht ein Video des Modedesigners Vincent Ledu viral und löst einen Rassismus-Skandal aus, der das Ende des Maison LeDu bedeuten könnte. Das erinnert an John Gallianos antisemitische Äußerungen, die 2011 für sein kurzzeitiges Karriere-Ende sorgten.

So manche, weitere Déjà-vus begleiten durch die zehn Folgen: Denn „La Maison“ spielt als eine der wenigen Mode-Serien im Jetzt. Sie pendelt gekonnt zwischen Realismus und dramatischer Überzeichnungen. Es gibt amüsante Intrigen und Ränkeleien unter Familienmitgliedern. Mit traumhaften Haussmann-Palästen als Setting. Und modisch großartigen Looks, die zwischen schräg und „Quiet Luxury“ changieren. Kurz: „La Maison“ ist ein Mix aus „Succession“ und „Emily in Paris“ – und macht Spaß, ohne auf Dauer zu unterfordern.

La Maison

Der neue Stern am LeDu-Himmel: die Jung-Designerin Paloma Castel (Zita Hanrot)

Apple TV+,

Worum geht es in „La Maison“?

Ein Instagram-Video mit rassistischen Kommentaren des Chef-Designers Vincent Ledu (Lambert Wilson) könnte das Ende des Pariser Couture-Hauses LeDu bedeuten. Perle Foster, großartig dargestellt von der französischen Schauspiel-Ikone Amira Casar, ist die ehemalige Muse des Designers und inzwischen Geschäftsführerin der Maison. Sie handelt schnell und setzt auf einen Imagewandel: Die junge Nachwuchsdesignerin Paloma Castel (Zita Hanrot), die in ihren Kreationen auf Nachhaltigkeit vertraut, soll frischen Wind in die etwas verstaubten Ateliers bringen.

Kaum zur neuen Kreativ-Direktorin ernannt, weht Castel hier durch wie ein Orkan: Sie rüttelt die konservative, etwas wohlstandsverwahrloste Familie Ledu auf und so manches Familienmitglied fühlt sich in seinem Autorität bedroht. Allen voran das Nepo-Baby Robinson, der eigentlich auf den Designer-Thron spekuliert hatte und jetzt alles Mögliche versucht, Paloma zu sabotieren. Wobei ihm ausgerechnet die rivalisierende Familie Rovel helfen soll …

La Maison

Ein Modedesigner alter Schule: der Franzose Vincent Ledu (Lambert Wilson) muss nach einem Skandal die Maison verlassen

Apple TV+,

Geheimnisse und Intrigen

Kopf der Familie Rovel, die auch ein Mode-Imperium besitzt, ist die Patriarchin Diane Rovel (Carole Bouquet). Die Maison LeDu ist ihr verhasst, sie möchte sie aufkaufen. Warum, das kann man anfangs nur erahnen. Ein Familiengeheimnis scheint dahinter zu stecken. Und das ist nicht das Einzige: Schon der Vater von Paloma Castel, der inzwischen verstorben ist, war Designer bei LeDu und die rechte Hand von Vincent Ledu, bis etwas vorgefallen sein muss, dem Paloma nachforschen möchte.

Und sowieso scheinen alle Figuren durch Geheimnisse miteinander verbunden zu sein: Perle Foster hat eine Affäre mit Victor Ledu (Pierre Deladonchamps), der wiederum mit der Tochter von Diane Rovel verheiratet ist. Der neue Freund von Robinson Ledu (Antoine Reinartz) ist nicht so charmant wie er vorgibt, sondern soll ihn im Auftrag der Rovels ausspionieren. Und Diane Rovel hat Krebs, aber ihre ganze Familie weiß nichts davon.

La Maison

Einst Model, jetzt Geschäftsführerin eines Mode-Imperiums: Perle Foster (Amira Casar)

Apple TV+,
La Maison

Die Alte und die Neue: Victor Ledu (Lambert Wilson) und Paloma Castel (Zita Hanrot) merken nicht nur an der Schneiderpuppe, wie verschieden sie sind

Apple TV+,

„La Maison“ ist am Puls der Zeit

Diese Verstrickungen sind natürlich überzeichnet. Und die zwei sich bekämpfenden Familien erinnern an Romeo und Julia.  „La Maison“ verliert aber trotz all ihrem Drama nicht die Realität aus den Augen. Und thematisiert auch ernstere Themen der Modebranche: von Nachhaltigkeit und Überproduktion bis zum Generationenkonflikt, unter dem gerade altehrwürdige Modehäuser oft leiden. Es ist spannend zu beobachten, wie sich die verkrusteten Strukturen allmählich immer mehr auflösen und die Moderne bei LeDu einzieht.

Anders wie verträumte Retro-Serien à la „Christóbal Balenciaga“, „Becoming Karl Lagerfeld“ oder „The New Look“ rund um Coco Chanel und Christian Dior, führt „La Maison“ einen neuen Typus Modedesigner*in vor. Paloma Castel sitzt nicht in ihrem weißen Atelier wie in einem Elfenbeinturm, sondern setzt auf Teamwork. Die Serie zeigt, wie viele Kreative für eine Kollektion zusammenarbeiten. Der neue Modedesigner-Typus ist kein einsamer Maestro am Schreibtisch. Er ist ein Teamplayer mit großer Reichweite auf Instagram.

La Maison

Victor Ledu (Pierre Deladonchamps) und Perle Foster (Amira Casar) haben eine Affäre – und arbeiten für konkurrierende Modehäuser

Apple TV+,
La Maison

Die Grande Dame vom Modelabel Rovel: Diane Rovel (Carole Bouquet)

Apple TV+,

Zu schön, um wahr zu sein

Ganz wie es sich für eine Modeserie gehört, spielt natürlich Ästhetik und Optik auch eine große Hauptrolle in „La Maison“. Die Familien wohnen und arbeiten in spektakulären Lofts und Palais, mit Dachterrassen über ganz Paris. Sie reisen zur Jagd aufs Land sowie in die teuersten Hotels und Spas weltweit. Wie gleich zu Beginn die futuristische „Therme Vals“ des Architekten Peter Zumthor.

Auch die Mode ist je nach Charakter fein ausgewählt: Wir sehen wunderbar übertriebenes Power-Dressing im Stil der 1980er-Jahre, wie es Diane Rovel verkörpert. Vornehm zurückhaltende Looks mit viel französischem Schwarz und Dunkelblau, wie sie Perle Foster bei LeDu trägt. Und dann gibt es noch die junge Generation rund Paloma Castel, die auf einen eklektischen Vintage-Mix und Arts and Crafts setzt. So oder so, ganz klassisch Modeserie, ist das wichtigste Accessoire aber sowieso ein bissiger Humor, viel Dekadenz, Diven-Attitüde und, Vorsicht Klischee, französischer Snobismus. Die ideale Ablenkung an langen, grauen Herbsttagen.

La Maison

Geschwister und Rivalen: Marie Ledu (Anne Consigny) und Victor Ledu (Pierre Deladonchamps)

Apple TV+,