Schönheitstrends in Brasilien: Silikon im Po, Creme im Haar

image

Der schönste Po Brasiliens: Erika Canela ist Miss Hintern 2016. Foto: Cacau Oliver, Miss Bum Bum

Schönheit ist das Markenzeichen der Brasilianer, der Körper ihr Kapital. Der Hintern-Contest Miss Bum Bum machte den brasilianischen Hintern weltweit berühmt. Waren Brüste und Fettabsaugen lange die OP-Hits, macht sich seit einigen Jahren ein Trend im Tropenland breit: Silikon im Po. Doch die große Hoffnung der Beauty-Branche liegt bei den brasilianischen Männern.

Von Birte Fuchs

Ipanema und Copacabana, Sonne, Sand und das sanfte Schwingen schlanker Körper – der Ruf Brasiliens, der Traum vieler Männer. Brasilianerinnen zählen zu den schönsten Frauen der Welt, nicht zuletzt wegen der exotischen Mischung von Hautfarben und Haarmähnen: Dunkelhäutige mit grünen Augen und langen Locken, Blonde mit Bernsteinaugen und glänzend glatten Haaren, Frauen, mit blauen Augen und tiefschwarzem Haar. Corpo do violão, Gitarrenkörper, sagen die Brasilianer zu einem Körper, der nur ihren Frauen gehört und für sie ein Markenzeichen ihres geliebten Landes ist: Inklusive einem runden und festen Hintern, „único“, einmalig.

In Brasilen herrscht ein Körperkult: In kaum einer anderen Nation dieser Welt, wird nackte Haut so ungeniert, geradezu stolz nach außen getragen wie in Brasilien. Allen voran in der Hauptstadt der Träume: Rio de Janeiro. Während die ersten in Anzug den Cafezinho, übersüßten Kaffee, trinken, gehen andere in Bikini und Flipflops zum Strand. Die Sonne geht zwischen dem Corcovado, Zuckerhut und der Brücke zur Halbinsel Niterói auf. Schon bald wimmelt es im Sand hinter der breiten Promenade von knackigen Körpern: Männern, bei denen jeder Muskel ein Schattenspiel auf der Haut ist, Frauen ohne Speck, makellos, mit kugeligen Hintern unter feinen bunten Bändern Stoff. Kein Wunder: Brasilianerinnen standen stets ganz oben auf der Liste der heißesten Frauen der Welt.

Ein schöner Körper ist harte Arbeit – auch in Brasilien

image

Gisele Bündchen ist längt Vorbild für viele junge Brasilianerinnen geworden. Es gibt sogar Frauen, die sich Fett aus den Wangen nehmen lassen, um ein schmales Gesicht wie das Supermodel zu bekommen. Foto: Flickr, Dantadd

Aber das „brasilianische Gen“ ist ein Mythos: Wie in den USA oder Deutschland sind immer mehr Brasilianer übergewichtig und haben ihre knackigen Körper längst verloren. Für manche kann der Strandbesuch darum zum Alptraum werden. Das Streben nach einem perfekten Körper ist mit einem enormen Druck verbunden. Denn Brasilianer sind ein eitles Volk. Wenn es um die Schönheit geht, sind sie stolz: Um ihren weltweiten Ruf der schönen Körper zu wahren, legen sich immer mehr Brasilianer unter das Messer. Vor allem Frauen, aber auch die Männer holen auf. Mit 1,2 Millionen operativer Eingriffe ist Brasilien nach den USA das Land mit den meisten Schönheits-OPs weltweit, Brustvergrößerungen und Fettabsaugen sind die häufigsten. Dabei galten bis in die 1990er Jahre dicke Brüste in Brasilien eher als obszön statt begehrenswert, 90 Prozent der Brust-OPs waren damals Verkleinerungen. Das hat sich gewandelt: Mittlerweile wünschen sich immer mehr Brasilianerinnen XL-Cups.

Ein runder Po ist heiß begehrt

Noch wichtiger als die Oberweite ist das Hinterteil: Implantate im Po sind ein Trend unter brasilianischen Frauen. Unterhalb des Steißbeins werden Silikonpolster verschiedenster Form eingesetzt. Manche Chirurgen nutzen das am Bauch abgesaugte Fett und spritzen es in die Pobacke. Nach dem Spritzen ein bisschen formen, zwei Wochen in Bauchlage schlafen und – pronto, fertig ist die Wunderkugel.

In Brasilien boomt der TV-Contest „Miss Bum Bum“, die Wahl zur „Miss Popo“. Der Journalist und Geschäftsmann Ivo Oliveira de Souza aka Cacau Oliver hat die Show 2011 vom französischen Pendant „Show me your Sloggi“ abgeguckt. Jedes Jahr im August stellen 27 Kandidatinnen ihr wertes Stück zur Schau, eine für jede Region des Landes. Am Ende wählt das Volk Brasiliens besten Hintern. Bei Samba und auf allen Vieren präsentieren die Frauen ihre stolze Pracht. „In Brasilien ist der Hintern die nationale Leidenschaft“, sagt eine der Teilnehmerinnen und die Show eine Chance für Frauen, sich auszudrücken, meint eine andere.

Miss Bum Bum ist weit über das Land bekannt und der wichtigste Wettbewerb in Brasilien, behauptet Oliver. Was in Frankreich süße Popöchen in deckenden Slips sind, sind in Brasilien pralle Kugeln, die fast frei liegen unter dem knalligen Stoff. Voraussetzung: 100 Prozent natürlich, ohne Streifen und Dellen, ohne das geringste bisschen hängender Haut. Wie das geht? „Die Frauen trainieren hart“, sagt Oliver gegenüber Yahoo Deutschland und natürlich „die brasilianischen Gene“. Dass bei den glatten Rundungen nicht getrickst wird, ist schwer zu glauben. Mit Röntgenbildern wird überpüft, dass keine Polster den Po pushen. Wenn die Frauen jedoch mit körpereigenem Fett nachgeholfen haben, kann das nicht nachgewiesen werden. Doch natürlich hin oder her, die Wahl bringt Ruhm und Ehre.

Die Kosmetikbranche setzt auf Brasiliens Männer

image

Fußballer Neymar da Silva Santos Júnior ist bekannt dafür, dass er seine Frisuren wie Kleider wechselt. Färben, glätten und cremen gehören zu seiner täglichen Pflege. Foto: Doha Stadium Plus, Flickr

Männer treten beim Hintern-Contest nicht an – sie genießen die Zuschauerrolle. Doch tägliche Fitness, etwa Joggen und Fußball, sind für sie schon lange Pflicht. Aber Muskeln allein sind nicht genug: 43 Prozent der Brasilianer bezeichnen sich als ‘supereitel’, 54 Prozent besuchen regelmäßig Schönheitssalons und Herrenfriseure. Cremes und Haarpflegeprodukte werden auch unter Männern immer wichtiger. Frauen geben seit Jahren einen erheblichen Teil ihres Geldes für Kosmetik aus, selbst die, die kaum genug für Lebensmittel haben. Gerade unter Ärmeren sind geordnetes Haar und gepflegte Nägel beinahe ein Muss. Brasilien ist der zweitstärkste Absatzmarkt in der Kosmetikbranche nach den USA. Bald schon, so die Prognosen, wird das Tropenland an erster Stelle landen. Von 2014 auf 2015 ist der Absatz von Kosmetikprodukten für Frauen in Brasilien laut dem Marktforschungsinstituts Nielsen und der GTAI (Germany Trade & Invest) nach 23 Jahren zwar erstmals um acht Prozent gesunken. Doch die Herren sind die neue Hoffnung: Denn der Absatz von Kosmetikprodukten für Männer ist in der gleichen Zeit um 2,4 Prozent gestiegen.

Neben guter Haut und einem gepflegten Bart gehört für sie eines zum Pflichtprogramm: volles Haar. Haarimplantate, also Haarbüschelchen, in die kahle Kopfhaut gepflanzt, sind ein neuer Trend unter brasilianischen Männern. Stolze 3350 bis 12.000 Euro kostet diese Prozedur. Wer das nicht zahlen kann, muss auf gute Gene hoffen. Oder auf Geheimtipps: Im Internet tauschen sich die Männer über Mittelchen und die richtige Ernährung und Pflege aus, um ihre Haarpracht erhalten oder wiederherstellen zu können.

image

Auch in den ärmsten Regionen ist der Haarstyle wichtig. Hier ein Junge in Vila Valquiere, West Zone, Rio de Janeiro. Foto: In Pictures Ltd./Corbis via Getty Images, Phil Clarke Hill

Die Frauen hingegen vertrauen auf Glätteisen, Lockenstäbe, Kunsthaar zum Flechten und jede Menge Cremes, stark parfümiert, in großen Töpfen. Vor zehn Jahren noch verpönt, ist nun der Afro-Look wieder in. Aber die wilden Haare wollen gebändigt sein, die Locken definiert. Gerade in den Peripherien, wo die Zahl der Afro-Brasilianer hoch und das Geld knapp ist, kaufen die Frauen Mittel, die vor ein paar Jahren aus dem Handel genommen wurden – wegen gefährlicher Inhaltsstoffe. Die Reichen pflegen ihr Haar lieber mit teuren Naturpackungen.

Hintern oder Haare, Bauch oder Brüste – eines haben die Brasilianer gemein. Und das werden sie sich nie kaufen oder hinoperieren lassen können: die Sensualidade. Es ist diese besondere Sinnlichkeit, die immer auch erotisch ist, aber unaufdringlich und stolz. So weich wie das Wort schmiegt sie sich um jeden Körper, jeden Blick, jeden Griff ins Haar. Sie ist die wirkliche Schönheit der Brasilianer.