Schauspieler Lamin Leroy Gibba über alte Strukturen und neue Ideen in der Schauspielbranche

Lamin Leroy Gibba Interview

Schauspieler Lamin Leroy Gibba will neue Rollen schaffen und alte Strukturen aufbrechen

(Styling: Kamal Emanga, H&M: Olivia Nwachukwu)

PR, Alma Leandra

Manche Menschen sind wie für die Kamera gemacht, das wird schon wenige Sekunden nach Beginn des virtuellen Interviews mit Lamin Leroy Gibba klar. Der Hamburger studierte in New York Schauspiel, Theater und Film, wirkte an Theater-, Kino- und Fernsehproduktionen mit. Mittlerweile spielt er die Rollen seiner eigenen Drehbücher, produziert selbst Kurzfilme, ist Regisseur – und bringt eine wichtige Message mit. Denn für Lamin Leroy Gibba bedeutet das, Rollen eine Stimme zu geben, die bisher wenig bis kaum gehört wurden.

Seit dem 18. November ist seine neue Serie„Schwarze Früchte“in der ARD Mediathek zu sehen. Es geht um Dating, Karriere, Selbstbestimmung – und alles, was dazugehört. Im InStyle-Interview erzählt er von einem Wandel in der Schauspielbranche und die Bedeutung von Mode für die eigene Identität.

Lamin Leroy Gibba im Interview: „Dass eine Serie wie 'Schwarze Früchte' existiert, entspricht nicht der Norm“

InStyle: Schauspielern, Serien produzieren, Drehbücher schreiben: Was machst du am liebsten? 

Lamin Leroy Gibba: Für mich sind die drei miteinander verbunden: als unterschiedliche Arten, Geschichten zu erzählen. Es ist aufregend, in manchen Projekten alle drei gleichzeitig zu machen. Mit Schauspiel in Theaterstücken ging es bei mir auf jeden Fall schon im Kindergarten los. Ich habe in meiner Kindheit angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben und eigene Filme mit VHS-Kameras zu drehen. Mein Schauspielstudium später war dann an einer Uni, in der man auch Filmkurse belegen konnte – dort habe ich das Handwerk zum Drehbuchschreiben und zum Entwickeln eigener Projekte gelernt.

Wie kam es dazu, dass du auch Drehbücher schreiben wolltest?

Ich wollte aktiver und selbstbestimmter darin werden, was für Figuren ich spiele, anstatt nur darauf zu warten, spannende Rollenangebote zu bekommen. Ich hatte auch ziemlich spezifische Ideen für Figuren, die ich spielen und von Geschichten, die ich erzählen möchte.

Wie genau sahen diese Ideen denn aus? 

In meinem Schauspielstudium konnte ich alles spielen, aber in der tatsächlichen Film- und Fernsehbranche waren die Figuren, die mir als Queerer und Schwarzer Schauspieler angeboten wurden, sehr limitiert. Ich wollte komplexe Rollen schreiben und spielen, die im Zentrum ihrer eigenen Geschichte stehen. Gerade Queere oder Schwarze Figuren werden in Serien oder Filmen oft nur als Nebenfiguren sichtbar, die leider meist eindimensional geschrieben werden. Natürlich gibt es noch viele weitere marginalisierte Perspektiven, die bisher kaum Raum bekommen.

Gibt es Serien oder Filme, die du dir diesbezüglich zum Vorbild genommen hast? 

Es gibt so viele Filme und Serien, die mir künstlerische und persönliche Orientierungen gegeben haben, anders über die Welt und mich selbst darin nachzudenken. Ich hab immer viel nach Amerika und England geschaut. Weil es dort, bis heute, einfach ein viel größeres Angebot an Perspektiven gibt. Während meines Studiums in New York, wurde ich sehr inspiriert von der Arbeit Schwarzer Amerikaner*innen, mit denen ich zusammen studierte und unterrichtet wurde. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie Geschichten aus ihrer Perspektive erzählten und damit Raum einnahmen, war sehr empowernd für mich.

Du hast erst kürzlich beim renommierten Tribeca Film Festival in New York die Premiere deiner neuen Serie „Schwarze Früchte“ gefeiert. Und auch deinen Kurzfilm „Hundefreund“ hast du dort schon vorgestellt. Wie fühlt sich das an, wenn die eigenen Projekte in solch einem internationalen Rahmen gezeigt werden? 

Das war echt schön! Das Witzige war, dass das Festival direkt neben meiner früheren Uni in Downtown Manhattan stattfand, wo ich jahrelang zur Schule ging. Und die Screenings waren auch in Kinos, wo ich als Student oft war. Es war krass, meine Projekte dort auf der großen Leinwand zu sehen – aber auch grundsätzlich mit deutschsprachigen Projekten nach Amerika zu reisen und mit diesen so eine Resonanz zu bekommen.

Hast du das Gefühl, dass dieser Erfolg in der deutschen Filmbranche so anerkannt wird? 

Ich denke schon, dass er wahrgenommen wird. Aber die deutschsprachige Film- und Fernsehbranche bildet immer noch viel zu wenige Perspektiven unserer vielfältigen Gesellschaft ab. Da ist noch extrem viel zu tun – besonders hinter der Kamera. Dass eine Serie wie „Schwarze Früchte“ existiert, entspricht nicht der Norm. Ich hatte das Glück, mit den Produktionsfirmen Jünglinge Film, Studio Zentral und der ARD Mediathek zusammenzuarbeiten, denen es wichtig ist, neue Geschichten und Protagonist*innen zu erzählen und damit auch ein neues Publikum zu erreichen.

Lamin Leroy Gibba Interview

Die Norm verändern – das gelingt Lamin Leroy Gibba mit seinen eigenen Produktionen

(Styling: Kamal Emanga, H&M: Olivia Nwachukwu)

PR, Alma Leandra

Du warst im Februar 2021 einer von 185 Schauspieler*innen, die mit der #ActOut Kampagne der Süddeutschen Zeitung ihre Zugehörigkeit zur LGBTIQ+ Community öffentlich machten. Wie kam es zu der Entscheidung, ein Teil davon zu sein?

Es wurde viel größer, als ich erwartet hatte. Ich dachte zuerst, es wird einfach ein Artikel aus der Perspektive verschiedener LGBTQ+ Schauspieler*innen und dann war es plötzlich das Cover und aus vielen Teilen der Welt wurde darüber berichtet. Es ging darum, gemeinsam darauf aufmerksam zu machen, dass grundsätzlich mehr Teilhabe in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche geschaffen werden muss, neue Geschichten erzählt werden und über all das intersektional nachgedacht wird.

Hast du denn das Gefühl, die Kampagne hat etwas verändert? 

Ich glaube tatsächlich, dass das Manifest und die Sichtbarkeit dazu beigetragen haben, innerhalb der Branche neu darüber nachzudenken und darüber zu sprechen, wie die LGBTQ+ Community behandelt und abgebildet wird. Und natürlich ist es total wichtig, gleichzeitig darüber nachzudenken, wie strukturelle Veränderungen geschaffen und wie Fördergelder vergeben werden. Aktuell wird auch die Filmförderungs-Novellierung erarbeitet, wodurch neue Diversitäts- und Inklusions-Vorgaben geschaffen werden, die für langfristige Veränderungen sorgen könnten.

Wir reden gerade von einer sehr spezifischen Branche. Glaubst du, solche Kampagnen können auch eine Auswirkung auf die breite Gesellschaft haben?

Total. Nach der Veröffentlichung von #ActOut sind auch Manifeste von anderen Berufsgruppen entstanden. Zum Beispiel #TeachOut von Lehrer*innen. Es geht einfach darum, selbstverständlich über die eigene Sexualität oder Gender-Identität reden zu können, ohne dass es tabuisiert wird. Das ist in vielen Branchen, in vielen Jobs, immer noch ein Tabu und immer noch etwas, wofür sich Menschen schämen. Ich denke aber auch, dass hinter einem Coming Out oft die Dynamik steckt, dass alle Menschen, die nicht öffentlich über ihre eigene Sexualität oder Gender-Identität sprechen wollen, nicht wirklich frei sind. Dabei sollte jede Person selber entscheiden, wie sie über sich spricht, wie sie sich selbst bezeichnet und inwieweit sie das mit anderen Menschen teilen will.

Am 18. Oktober erscheint deine neue Dramedy-Serie „Schwarze Früchte“ in der ARD Mediathek. Worum geht es? 

Es geht um Lalo, der Mitte 20 ist, in Hamburg lebt und seinen Vater abrupt verloren hat. Daraufhin versucht er, sein Leben umzukrempeln. Er schmeißt sein Studium, sein Freund macht Schluss mit ihm und er überlegt sich spontan, Künstler zu werden. Wir verfolgen auch seine beste Freundin Karla, die in einem Investmentunternehmen Karriere macht und ihre Beziehung zu ihrer Arbeit und sich selbst im Laufe der Staffel neu verhandeln muss. Es geht ganz viel um Fremd- und Selbstwahrnehmung und wie beides miteinander verbunden ist. Und vor allem geht es um Freundschaft, Dating, Familie, Heartbreak und allem dazwischen.

Also eigentlich alles, was das Leben so ausmacht?

Ja, auf jeden Fall. Von der Tonalität her ist es eine Mischung aus Komödie und Drama. Aber es ist auch viel Cringe, also viele Momente, in denen man den Bildschirm anschreien will.

Wieso diese Cringe-Momente?

Ich liebe dieses Genre. Ich liebe, was Cringe-Comedy mit den Zuschauenden macht. Es macht das Publikum sehr aktiv – weil es den Protagonist*innen sagen will, dass sie etwas nicht oder anders machen sollen. Trotzdem kann man sich hoffentlich in den Figuren wiedererkennen – mit manchen mehr und mit manchen weniger. Die Serie fordert die Zuschauer*innen heraus, über ihre eigenen Beziehungen und Verhaltensmuster nachzudenken. Es sagt viel über einen selber aus, welchen Charakter man in der Serie wie verurteilt.

Woher ziehst du deine Inspiration für all die Situationen, die gezeigt werden?

Einfach das Leben und Beobachtungen, Fragen und Gedanken daraus. Die Serie ist aber nicht autobiografisch, obwohl es natürlich gewisse Überschneidungen zu mir gibt. Zum Beispiel, dass Lalo wie ich auch in Hamburg aufgewachsen ist. Von der ersten Idee, über die Entwicklung bis zur Ausstrahlung, hat es über fünf Jahre gedauert. Ich hatte also viel Zeit, an der Serie und den Figuren zu arbeiten. Der Writers Room besteht neben mir aus vier weiteren Schwarzen Autor*innen. Vier Folgen habe ich alleine geschrieben und vier jeweils zu zweit. Am Anfang hätte ich niemals gedacht, dass die Serie so groß wird und mit so viel Budget dahinter. Es ist krass zu sehen, was nun dank der vielen tollen Menschen in meinem Team daraus geworden ist.

Wie sieht es mit Kleidung aus: Hängt Mode auch für dich mit Identität zusammen? 

Ich finde mit Mode kann man viel über die eigene Identität, Gefühle und Wünsche ausdrücken. Schon als ich jünger war, war Mode wichtig für mich. Ich finde es spannend, darüber nachzudenken, wie der eigene Style in verschiedenen Stadien im Leben war und was er über einen erzählt. Heute hab ich auf jeden Fall einen ziemlich legeren Everyday-Look, in dem ich arbeite und mich wohlfühle. Aber wenn ich zu einer Veranstaltung gehe, geht mein Style oft in viele verschiedene Richtungen.

Auch in „Schwarze Früchte“ ist Mode und der Style der einzelnen Figuren ein wichtiger Teil der Geschichte. Als ich das erste Meeting mit unserer Kostümbildnerin Freya Herrmann hatte, habe ich direkt gesagt, dass für mich die Outfits der Figuren sehr wichtig für die Spezifität der Figuren sind. Freya hat so viele, wie ich finde, ikonische Looks kreiert, die tief mit den Figurenpsychologien und ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten und Backgrounds zu tun haben. Wir haben hauptsächlich mit Vintage Kleidungsstücken gearbeitet und dem Kleiderschrank-Prinzip – womit die Figuren bestimmte Pieces immer wieder neu kombiniert haben.

Gibt es einen Film oder eine Serie, die dich modisch schon immer inspiriert hat? 

Es gibt so viele! Ich denke gerade aus irgendeinem Grund als Erstes an „Matrix“. Als ich den Film das erste Mal gesehen hab, sind mir die stilisierten Kostüme sehr aufgefallen. Nicht nur die langen, schwarzen Ledermäntel und Sonnenbrillen, sondern allgemein die Farben, die Silhouetten. Selbst die Computer-Operator, in einfarbigen Shirts, sahen in dem Film irgendwie iconic aus.

Wie würdest du deinen eigenen Style in Worten beschreiben?

Ich würde sagen experimentell, weil ich auf jeden Fall gerne Sachen ausprobiere. Gender nonconforming – also ich kaufe auch gerne in der Frauenabteilung ein. Und eklektisch.

Gibt es auch eine Stadt, mit der du deinen Modestil beschreiben würdest? 

Vielleicht New York? Meine Zeit dort hat mich sehr geprägt und ich habe da meinen eigenen Stil gefunden – oder eher das Bedürfnis, mich nicht nur auf einen bestimmten Stil zu beschränken.