Ich sehe Pünktchen - ein Grund zur Sorge?

Mehr als 80 Prozent aller Menschen kennen dieses Phänomen: Glaskörpertrübungen, die vor allem vor hellem Hintergrund wie weißen Wänden oder Papier sehr auffällig sein können. (Bild: Christin Klose/dpa-tmn)

Göttingen/Weiden (dpa/tmn) - Gemütlich in der Sonne sitzen, vielleicht ein Buch lesen, entspannen: Das klingt wunderbar, wäre da nicht dieser kleine schwarze Fleck, der immer wieder durchs Blickfeld huscht. Oder die große Schliere, die bei jeder Augenbewegung sichtbar ist und beim Lesen schlichtweg nervt.

Mehr als 80 Prozent aller Menschen kennen dieses Phänomen: Glaskörpertrübungen, die vor allem vor hellem Hintergrund wie weißen Wänden oder Papier sehr auffällig sein können. «Mouches volantes» (französisch für «fliegende Mücken») werden sie auch genannt. Und sie können durchaus stören. Aber wie entstehen diese lästigen Trübungen eigentlich? Und sind sie gefährlich?

Dafür muss man sich den Glaskörper des Auges näher anschauen, also die Masse, die den Großteil des Inneren unseres Augapfels ausmacht. «Er ist eine gelartige Substanz, die den Raum zwischen Linse und Netzhaut ausfüllt», sagt Prof. Hans Hoerauf, Direktor der Universitätsaugenklinik Göttingen. Der Glaskörper besteht dabei zu etwa 98 Prozent aus Wasser, der Rest sind Kollagenfasern und Hyalozyten, eine bestimmte Art von Zellen.

Im Laufe des Lebens verändert sich die Zusammensetzung des Glaskörpers allerdings. Die Kollagenfasern können sich verdichten und zusammenklumpen, während der gelartige Teil flüssiger wird. «Dann kann es passieren, dass diese winzigen Strukturen innerhalb des Glaskörpers Schatten auf die Netzhaut werfen, die wir als Trübungen wahrnehmen», erklärt Hoerauf.

Wirklich etwas dagegen unternehmen kann man nicht: «Mit zunehmendem Alter, meist ab dem 40. Lebensjahr, schrumpft der Glaskörper und verändert seine Struktur», so Augenarzt Hoerauf. Und für kurzsichtige Menschen hat er noch eine schlechte Nachricht: Sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Glaskörpertrübungen zu entwickeln, da sich ihr Glaskörper tendenziell früher und stärker verändert.

Diese Trübungen müssen dabei nicht zwingend stören: «Wenn sie recht nah an der Netzhaut, also quasi an der inneren Tapete des Auges hängen, dann sind die Schatten, die sie werfen, sehr intensiv. Wenn sie weiter weg liegen, verschwimmen sie mehr», sagt Matthias Pollhammer. Er ist Facharzt für Augenheilkunde und Leiter des Ressorts Ophthalmochirurgie des Berufsverbands der Augenärzte.

Nahaufnahme eines Auges mit grüner Iris.
Im Laufe des Lebens verändert sich die Zusammensetzung des Glaskörpers unseres Auges. (Bild: Andrea Warnecke/dpa-tmn)

Oft stellt sich jedoch ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, so der Augenarzt. Unser Gehirn lernt, diese Trübungen zu ignorieren. Bei einigen Menschen allerdings bleibt dieser Effekt aus.

«Es gibt sicher auch eine psychische Komponente», sagt Hans Hoerauf. «Der eine gewöhnt sich an die Glaskörpertrübungen, der andere wird darüber fast depressiv.» Zur Herausforderung kann das für Menschen in bestimmten Berufen werden. «Wenn man ständig ins Mikroskop schauen muss oder als technischer Zeichner immer weißes Papier vor Augen hat, dann können Trübungen schon sehr stören.»

Wer nun hofft, mit Hausmittelchen oder einer guten Lebensführung den Glaskörpertrübungen vorbeugen zu können, muss sich leider enttäuschen lassen: «Es gibt keine Zusammenhänge mit irgendwelchen Ernährungsgewohnheiten, UV-Einstrahlung oder anderen, veränderbaren Faktoren», sagt Matthias Pollhammer.

Auch die Hoffnung, die Trübungen könnten wie von Zauberhand einfach wieder verschwinden, ist vergeblich. «Mouches Volantes» können sich zwar verändern, sich aber eben nicht auflösen.

Immerhin: In der Regel darf man davon ausgehen, dass die Glaskörpertrübungen harmlos sind und kein Handeln erfordern. Treten sie jedoch besonders plötzlich oder gehäuft auf oder gehen mit Lichtblitzen einher, empfiehlt sich der Gang zum Augenarzt oder zur Augenärztin. «Dann sollte man andere Ursachen unbedingt abklären bzw. ausschließen», sagt Matthias Pollhammer. «Entzündungsprozesse können beispielsweise Zellen und andere Partikel in den Glaskörper freisetzen und so Trübungen verursachen.»

Auch andere ernsthafte Erkrankungen gilt es auszuschließen, wie eine Netzhautablösungen oder eine diabetische Retinopathie, eine durch Diabetes verursachte Augenerkrankung. Nicht zuletzt sind ab dem 40. Lebensjahr regelmäßige Augenuntersuchungen ohnehin empfehlenswert, um die klassischen Alterskrankheiten früh zu entdecken.

Für die meisten Menschen sind Glaskörpertrübungen also ein ertragbares Übel. «Sind die Trübungen jedoch stark ausgeprägt oder beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich, dann kann unter Umständen ein chirurgischer Eingriff angezeigt sein», sagt Hans Hoerauf.

Bei der sogenannten Vitrektomie wird der Glaskörper chirurgisch entfernt und durch Flüssigkeit ersetzt. Dies macht den Glaskörpertrübungen zuverlässig den Garaus, birgt aber Risiken. Es kann zu Infektionen kommen oder auch «zu einer seltenen, dafür aber sehr schwerwiegenden Komplikation, nämlich einer Netzhautablösung», sagt Hoerauf. Dann muss sehr schnell erneut operiert werden. Je nach Ausmaß der Ablösung kann es zum Verlust des Lesevermögens kommen.

Noch ein Problem der Vitrektomie: «Immer tritt, zwar in längerem zeitlichen Abstand, aber sicher nach einer Glaskörperoperation ein Grauer Star auf, also eine Trübung der Linse», sagt Hoerauf. Ab einem gewissen Alter würden Netzhautchirurgen daher die Vitrektomie mit einer Operation für den Grauen Star kombinieren. Die Linse wird dabei durch eine Kunstlinse ersetzt.

Eine andere, neuere Möglichkeit ist die Vitreolyse per Laser: Dabei werden die Kollagenfasern im Glaskörper zerkleinert. «Allerdings eignet sie sich nur für bestimmte Formen der Trübung, wenn diese nicht zu dicht vor der Netzhaut liegen», sagt Augenarzt Hoerauf. Völlige Beschwerdefreiheit erreicht man damit zwar nicht, sie kann die störenden Schlieren und Punkte aber deutlich verkleinern.

Das Fazit ist im Grund einfach: Sind andere Ursachen abgeklärt, darf man die «Mouches volantes» gelassen nehmen. Und zwar im beruhigenden Wissen, dass fast allen anderen Menschen auf der Welt genauso nervende Punkte durch die Optik schwimmen.