Die Sense: Ein Werkzeug mit Geschichte
Früher war die Sense in der Landwirtschaft zum Mähen der Wiesen und Getreidefelder unverzichtbar. Heute hat sie immer noch einige Fans – und zwar nicht nur Nostalgiker, sondern auch Menschen, die die Natur lieben und Freude an körperlicher Bewegung haben.
Früher schulterten die Landarbeiter ihre Sensen und zogen früh am Morgen in Richtung Feld, um das Gras zu mähen. Ein leichter Nieselregen wäre kein Problem, ein richtiger Schauer dagegen würde das Gras niederlegen und pralle Sonne die langen Halme schlappen lassen – keine ideale Witterung für das altehrwürdige Handwerk. Denn ohne Graswiderstand gerät das Mähen mit der Sense zur Mühsal.
Genau wie damals klingt es auch heute, wenn Bernhard Lehnert von der "Sensenwerkstatt" das Gras mit der Sense mäht: Das Zischen schwillt kurz an, dann stoppt es abrupt, um kurz danach erneut zu beginnen. Für seine Schritte findet er einen anderen Rhythmus. Langsam bewegt er sich auf der Wiese im saarländischen Gersheim vorwärts. Oben arbeitet sein Körper in einem anderem Takt als unten. "Die Sense ist wie ein verlängerter Arm," sagt er, "diese Einheit von Mäher und Werkzeug gibt es nur bei ganz wenigen Geräten." Das Pferd des Nachbarn beobachtet ihn. Es scheint zu wissen, dass es das Mähgut später im Futtertrog wiederfinden wird.
Erfolgreiches Sensen: Eine Frage der Klinge
Je nach Beanspruchung muss Bernhard Lehnert jede Sense mehrmals im Jahr dengeln. Dabei bearbeitet er die Sense mit kurzen schnellen Hammerschlägen, damit der Stahl schön dünn und scharf wird. "Dengeln" kommt vom Dangl, so nennt man landläufig die schärfsten fünf Millimeter entlang der Sensenschneide. Etwa 1400 Schläge braucht es, bis eine mittellange Klinge von 70 Zentimetern ihre Grundschärfe hat. "Wer beim Dengeln schläft, wird beim Mähen wach", so lautet ein alter Spruch. Damals wie heute war erfolgreiches Sensen vor allem eine Frage der Klinge. Ein gut geschärftes Blatt gleitet locker auf dem Boden und ist Bedingung für eine ruhige, gleichmäßige Körperbewegung ohne große Anstrengung.
Bis vor mehr als 50 Jahren noch zählte die Sense während der Saison zum wichtigsten Begleiter der Landwirte und Landarbeiter. Von ihrer Qualität hing es ab, wie viel Gras oder Getreide man am Tag mähen konnte. Vor allem im Alpenraum, wo die maschinelle Bearbeitung der Felder und Wiesen oft schwierig war, aber auch in Osteuropa und Skandinavien waren die schnittigen Helfer noch lange in Gebrauch: eher flache und lange Klingen für die weichen Gräser des Nordens; kürzere, breite und verstärkte Blätter für die steilen Hanglagen des Gebirges. Stahlspitzen sorgten für zusätzliche Strapazierfähigkeit, falls der Boden steinig oder uneben war.
Sensen für unterschiedliche Zwecke
Zu den beliebtesten Modellen zählten die schwere, robuste "Hochrückensense" für Getreide und ihr Gegenstück für Gras, die leichte gebogene "Reichsformsense". Blattlänge, Blattform und andere Eigenschaften entscheiden darüber, wofür die Sense eingesetzt wird. So kann man beispielsweise schon fünf Zentimeter hohe Gräser mähen, wenn die Klinge sehr dünn ist.
In der Lehnertschen Sensenwerkstatt hängen Plakate in altdeutscher Schrift, die den Landwirt zum Mähen mit der Sense auffordern und an diese Zeit erinnern: Kleine Annoncen warnen vor "unreellen Sensen-Hausierern" – vor Schlawinern, die viel zu hohe Preise fordern. Farbenprächtige Etiketten zieren die Klingen und regen zum Schmunzeln an. "Jokele gang du voran, du hast die beste Sense dran", rufen sich da etwa sieben Schwaben Mut zu, die anscheinend gegen einen Hasen zu Felde ziehen.
Die Intensivierung der Landwirtschaft in den Nachkriegsjahren entzog schließlich den Sensenwerken die meisten Aufträge. Auch in den Acherner Sensen-Werken John, wo die beliebte "Schwarzwaldsense" gefertigt wurde, standen fortan Schwanz-Breithammer und Poliermaschine still. Heute ist die Sense ein Mähwerkzeug für Nostalgiker, Pferdehalter, Freunde schonenden Landbaus oder Besitzer von Hangflächen. Bernhard Lehnert weiß, was sie antreibt. "Die Leute mögen den Lärm der Mähmaschinen nicht mehr," sagt er. Bienen spielten neben Balkenmähern verrückt, berichteten ihm Imker. Doch die Umstellung vom motorisierten Hochgrasmähern auf das Mähen von Hand, etwa bei Streuobstwiesen, ist nicht immer einfach. Kurze harte Zapfen von Baumschösslingen, die die Maschinen hinterlassen haben, müssen erst entfernt werden: Sie ruinieren ein Sensenblatt auf Anhieb.
Je nach Ausstattung kostet eine Sense rund 120 Euro. Ein individuelles Gerät lohnt sich, damit das Mähen nicht ermüdet. "Viele Sensen aus dem Baumarkt sind zu kurz, obwohl die Menschen immer größer werden," kritisiert der Experte, "eine geeignete Länge ergibt sich, indem man von der Körpergröße 25 Zentimeter abzieht." Er selbst kam vor etwa 30 Jahren eher zufällig zum Sensen. Seither gibt er sein Wissen in der Sensenwerkstatt weiter. Sollte sich ein Anfänger mit speziellen Körperübungen vorbereiten? Nicht nötig, meint der Fachmann: "Mähen mit einer guten Sense hat nichts mit Kraft zu tun. Richtiges Sensen stärkt sogar den Rücken." Er lächelt, zieht mit dem Inbusschlüssel die Befestigung der Sense am Stiel ein letztes Mal nach und setzt von Neuem an. Und schreitet, die Sense schwingend, im Einklang mit sich und der Natur über die weite Obstwiese.
Sensen richtig einstellen und nachschärfen Mit der Sense mähen: Eine fließende Bewegung
Beim Sensen ist die richtige Körperhaltung wichtig. Man steht locker aufrecht, der Oberkörper kann leicht geneigt sein. Wichtig ist, dass man das Gerät nicht wie einen Rechen zieht. Vielmehr handelt es sich um eine Drehbewegung aus der Hüfte heraus. Die Sensenbewegung beschreibt etwa einen Halbkreis. Dabei lässt man das Blatt immer auf dem Boden gleiten; die Spitze darf nicht nach oben weisen. Man geht nur in kleinen Schritten vorwärts, sonst bleiben zwischen den einzelnen Sensenschwüngen schmale Grasstreifen stehen. Eine Wildblumenwiese mit saftigen Gräsern oder Klee mäht man zum Beispiel zwei bis dreimal pro Jahr ab der ersten Blüte im Juni.