Life-Coach erntet Kritik für Maori-Gesichtstattoo

Die sogenannte kulturelle Aneignung sorgt immer wieder für Diskussionen. Schon Kim Kardashian bekam öffentlich Ärger, weil sie sich mit Cornrows, einem Hairstyle afrikanischen Ursprungs, schmückte, und auch ESC-Gewinnerin Netta erntete Kritik für ihren Auftritt im Kimono. Etwas Ähnliches passierte nun auch der Neuseeländerin Sally Anderson, die aktuell wegen ihres Gesichtstattoos ordentlich Gegenwind bekommt.

Die Geschichte hinter der Tätowierung von Sally Anderson, die die Firma Evolved Leadership leitet, ist sehr persönlich: Sie wurde in den 80er Jahren Opfer eines sexuellen Übergriffs, das Zeichen soll ihre innere Stärke symbolisieren. Sie ließ sich das Tattoo nach Art der Maori – der indigenen Bevölkerung Neuseelands – stechen. Ein „moko“ – oder auch „ta moko“ – wird dabei eigentlich nicht wirklich gestochen, sondern in die Haut gekratzt und geschabt. Die Tätowierungen erzählen die Lebensgeschichte des Trägers oder symbolisieren dessen Stammesherkunft. Seit den 90er Jahren erlebten die Tattoos einen wahren Hype und damit auch die Sprache und Kultur der Maori ein Revival.

Nachdem ein Bild von Anderson mit ihrem Tattoo auf ihrer Business-Homepage erschien, folgte der Aufschrei. Viele kritisierten die Neuseeländerin, deren Mann Maori ist, wegen ihrer Tätowierung. „Ich denke, da spielt eine gewisse Portion an kultureller Aneignung mit und ich glaube auch, dass das hier ein Level von weißem Privileg aufzeigt und dass wir damit sehr vorsichtig sein müssen“, so Mera Lee-Penehira, Lehrbeauftragte an der „Te Whare Wananga o Awanuiarangi“-Schule. Ihrer Meinung nach missbrauche Anderson das Tattoo als Werbung für ihr Unternehmen. Vor allem aber stößt das Tattoo den Maori selbst übel auf, denn vor allem die spezielle Tätowierung im Gesicht sei geschützt und habe eine besondere Bewandtnis. „Die Schnitzereien im Gesicht oder am Kopf sind besonders heilig. Es ist nicht akzeptabel. Das kannst du nur machen, wenn du maorischer Abstammung bist“, so Lee-Penehira weiter.

Auch die neuseeländische Künstlerin Ngahina Hohaia beschwerte sich öffentlich und regte auf ihrer Facebook-Seite Tattookünstler an, Menschen keine „mokos“ zu stechen, die nicht Maori sind. Andere Künstler wiederum sehen das Ganze nicht so eng.

Die indigenen Völker Neuseelands tragen spezielle Tattoos, die auch in anderen Teilen der Welt immer populärer werden. Gerade die Gesichtsverzierungen sind ihnen heilig. (Bild: Chameleons Eye/REX/Shutterstock)
Die indigenen Völker Neuseelands tragen spezielle Tattoos, die auch in anderen Teilen der Welt immer populärer werden. Gerade die Gesichtsverzierungen sind ihnen heilig. (Bild: Chameleons Eye/REX/Shutterstock)

Einer von ihnen, der in der Szene wirklich etwas zu sagen hat, ist Inia Taylor. Der Neuseeländer mit Maori-Wurzeln ist der bekannteste Tätowierer seiner Heimat und betreibt in Auckland das Studio „Moko Ink“. Ausgerechnet er ist für das Tattoo von Anderson verantwortlich und gibt laut „NY Post“ zu, dass er zuvor starke Bedenken gehabt habe. Nach einigem Hin und Her realisierte er angeblich, dass er lediglich Vorbehalte wegen ihrer Hautfarbe gehabt habe und stach es ihr schließlich. Sein Bauchgefühl täuschte ihn nicht: Der Künstler beschwerte sich wenige Zeit später bei seiner Kundin persönlich, weil sie es seiner Meinung nach benutze, um ihr Business zu bewerben. Die Erklärung zu dem Tattoo auf der Seite ließ sie daraufhin entfernen, die Bilder aber blieben.

Ihr wichtigster Kritiker, ihr Mann Roger Te Tai, steht allerdings bedingungslos hinter ihr. Sein ganzes Gesicht ist mit Stammes-Tätowierungen übersät und er erklärte in der TV-Show „Te Karere“, dass sie „mehr Maori“ sei als all ihre Kritiker zusammen. Er fragte in die Kamera: „Wenn du eine Person verurteilst, bevor du sie getroffen hast, was sagt das dann über dich?“ Damit dürfte er wohl allen Gegnern charmant den Wind aus den Segeln genommen haben.