Sind Massagepistolen schädlich? Das sagt ein Experte

Dr. Hein Schnell, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, im exklusiven Interview

Frau wendet Massagepistole am Bein an
Massagepistolen versprechen eine Enstpannung der Muskulatur – doch sind sie auch jedem zu empfehlen? (Symbolbild: Getty Images)

Knapp ein Drittel der Erwachsenen und rund ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland leiden laut Statista unter Rückenschmerzen. Egal ob im Nacken, an den Schultern oder am Rücken – Massagepistolen gelten als Wunderwaffen gegen Verspannungen und versprechen Entspannung auf Knopfdruck. Auch immer mehr Sportler schwören auf die Wirkung der Massagepistolen, da sie verklebte Faszien lösen, Muskeln zu einer schnelleren Regeneration verhelfen und Muskelkater vorbeugen sollen. Doch wie verwendet man die gehypten Geräte richtig und wann sollte man lieber die Finger davon lassen? Dr. Hein Schnell, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus München, klärt auf.

Massagepistole an, Schmerz aus – geht das wirklich? Massagepistolen erinnern von der Optik her tatsächlich ein wenig an echte Pistolen, die mittels Vibration mit hoher Geschwindigkeit Verspannungen auf dem zu behandelnden Gewebe lösen sollen. "Massagepistolen sind kein Allheilmittel“, sagt Dr. Schnell, Leiter der AG Manuelle Medizin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). "Für Sportler, die verspannt sind, können Massagepistolen angenehm sein. Wer zu Verspannungen neigt, kann davon auch sicherlich profitieren. Wenn Sie damit vorsichtig die Nackenpartie- und Schultermuskulatur behandeln, dann kann Ihnen das ebenfalls helfen.“ Man dürfe Massagepistolen bei Beschwerden natürlich verwenden, allerdings komme es – so wie bei allen anderen Geräten auch – auf die richtige Anwendung an.

So verwendest du die Massagepistole richtig

"Wenn es wirklich wehtut, stopp!“, warnt der Mediziner. "Es gibt natürlich den guten Schmerz wie bei jeder Massage auch, aber wenn die Pistole einen richtig fiesen Schmerz auslöst, unbedingt aufhören. Und nicht in den Schmerz hineinarbeiten!“ Der Experte für manuelle Medizin warnt ebenfalls davor, die Massagepistole direkt an der Wirbelsäule zu verwenden oder auf Knochen oder Gelenke damit zu schießen, sie sei ausschließlich zur Massage der Muskulatur gedacht. "Am besten vorsichtig anfangen, mit wenig Vibration, mit wenig Intensität. Und erst mal nur kurz testen und schauen, wie man darauf reagiert“, so lautet die Empfehlung des Mediziners.

"Wenn ich die Massagepistole an mir selbst anwende, habe ich gleich die Rückmeldung, ob mir das guttut oder nicht. Für den Nacken oder den Rücken sollte man sich besser Hilfe holen, da man dort schlecht selbst hinkommt und sich dafür zu sehr verrenken müsste.“ Wer allgemein Zweifel oder Fragen zum Gerät hat, sollte sich am besten an einen Spezialisten wenden und auf jeden Fall die Hinweise der Hersteller beachten!

Frau mit Massagepistole im Nacken
Massagepistolen können für viele Menschen angenehm sein (Symbolbild: Getty Images)

Wann sollte man die Massagepistole auf keinen Fall verwenden?

"Man sollte die Massagepistole nur bei muskulären Beschwerden benutzen. Wer unter frischen, akuten Beschwerden an der Wirbelsäule leidet, die er nicht zuordnen kann, sollte diese lieber erst mal abklären lassen“, so Dr. Schnell. Anwenden sollte man Massagepistolen auch keinesfalls bei frischen Bandscheibenvorfällen, Tumoren, bakteriellen Entzündungen oder anderen entzündlichen Prozessen in dem Bereich, den man behandeln möchte. Ebenfalls vorsichtig sein sollten auch Schwangere, Menschen mit künstlichen Gelenken und Herzschrittmachern, wobei auch diese Gruppen bei muskulären Themen fern des Embryos oder des Implantats profitieren können. "Im Zweifel immer erst vorher ärztlich abklären“, empfiehlt der Mediziner.

Können Massagepistolen Schaden anrichten?

"Schaden im Sinne von 'strukturell kaputt machen’ nein, aber sie können erhebliche Symptome auslösen oder verstärken wie beispielsweise Schwindel oder Tinnitus“, erklärt Dr. Schnell. Es gebe Patienten, die eigenen Aussagen zufolge nach der Anwendung der Massagepistole im Nacken plötzlich verschiedene Symptome aufwiesen. Dazu gehörten Kopfschmerzen oder ein steiferer Nacken als zuvor. "In diesem Fall waren die Menschen aber bereits vorbelastet und wussten es nicht. Mit der Massagepistole können Symptome demaskiert werden. Das heißt aber auch, dass sie wahrscheinlich auch ohne die Behandlung passiert wären – zum Beispiel beim nächsten Schulterblick im Auto.“

Die Massagepistole sei dem Experten zufolge also nicht der Grund für die Symptome, sie könne bei einer Vorbelastung aber ein Trigger für sie sein. Dr. Schnell erklärt: "Das ist eigentlich nur der Muskel, der darauf reagiert. Es ist dann nichts kaputt, aber die Massagepistole hat es initiiert.“

Unser Yahoo-Experte:

Dr. Hein Schnell ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus München. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Praxis ist die manuelle und osteopathische Medizin. Er ist außerdem Kinderorthopäde, Sportmediziner und hat Erfahrung im Bereich Musikermedizin. Er leitet die Arbeistgemeinschaft Manuelle Medizin der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).