Skinimalism: Eine Hautärztin erklärt, warum 2025 Dermatolog*innen auf den Beauty-Trend setzen

Skinminimalism Beauty-Trend Expertin im Interview

Bye bye, Filler! Skinimalism optimiert das natürliche Aussehen, statt es zu verändern

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Weniger ist mehr. Diese alte Weisheit geriet in den letzten Jahren im Hype um TikTok-Beauty-Trends, Kardashian-Schmolllippen und koreanische „10-Step-Routinen“ manchmal fast in Vergessenheit. Zum Leidwesen der Dermatolog*innen, die sich zunehmend mit überpflegter Haut und unrealistischen Beauty-Wünschen ihrer Patient*innen konfrontiert sahen. Ein Gegentrend ist „Skinimalism“. Das Wortspiel aus „Skin“ und „Minimalism“ betont die Einfachheit in der Hautpflege. Wir wollten von der der Dermatologin und Ernährungsmedizinerin bei LVATE München, Priv.-Doz. Dr. Anne Gürtler wissen, warum Skinimalism nicht nur in der Hautpflege, sondern auch bei ästhetischen dermatologischen Behandlungen immer stärker nachgefragt wird, wieso das „Overfilled Face Syndrom“ hoffentlich bald Geschichte ist. Und was es dabei zu beachten gilt.

Interview mit der Dermatologin Priv.-Doz. Dr. Anne Gürtler über Skinimalism

Elle: Was sind aus dermatologischer Sicht 2025 die größten Trends in Sachen Skincare?

Dr. Anne Gürtler: Der deutsche Markt unterscheidet sich vom amerikanischen und asiatischen Markt, auch wenn wir von ihnen beeinflusst werden. Bei der Hautpflege merken wir, dass viele mehr Qualität als Quantität suchen. Pflege-Routinen werden minimalistischer, der Konsum nachhaltiger. Eine Gegenbewegung zu den komplizierten Hautpflegeroutinen der letzten Jahre. Heute wird mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Haut geachtet und es werden Produkte verwendet, die speziell auf diese Bedürfnisse abgestimmt sind. Außerdem stellen wir fest, dass in der ästhetischen Dermatologie immer mehr kollagenstimulierende Behandlungen nachgefragt werden und die Zahl der Filler-Behandlungen zurückgeht. Auch Laserbehandlungen nehmen zu.

Woher kommt der Trend?

Dr. A.G.: Die Patientinnen und Patienten wollen ihr natürliches Aussehen eher optimieren als verändern. Es geht weniger um Perfektion, als um die Förderung der natürlichen Hautgesundheit. Skinimalism ist die Gegenbewegung zum überladenen Skincare-Hype der letzten Jahre. TikTok-Trends wie „10-Step-Routinen“ führten bei vielen zu Hautirritationen. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, was viele dazu bewegt, ihre Produktwahl bewusster zu treffen.

Und jetzt ist der Trend also auch in der ästhetischen Dermatologie angekommen? 

Dr. A.G.: Der übermäßige Einsatz von Fillern hat in den letzten Jahren zu einigen „Negativbeispielen“ mit unnatürlichen Ergebnissen geführt, die als „overfilled“ oder maskenhaft wahrgenommen wurden. Heute ist die Nachfrage nach subtilen und natürlichen Ergebnissen größer. Unsere Patientinnen und Patienten wollen nach wie vor wie sie selbst aussehen, und das Wichtigste für sie ist, dass sie niemals „gemacht“ aussehen. Der Trend geht zur Optimierung und nicht zur Veränderung. Das heißt nicht, dass man mit Fillern keine schönen Ergebnisse erzielen kann. Gerade im Lippenbereich sind Hyaluronsäurefiller zum Volumenaufbau und zur Konturierung nach wie vor die führende Behandlung, aber für das Mittelgesicht (Wangen/Nasolabialfalte) entscheiden sich viele heute für andere Behandlungen.

Und was sind das für Behandlungen?

Dr. A.G.: Eines vorweg: Schönheitsideale sind sehr individuell! Und ich kann hier nur von meinen eigenen Patient*innen sprechen. Diese wollen weiter natürlich aussehen. Andere wiederum empfinden genau das als schön. Wichtig: Patient*in und Behandler*in sollten im Vorgespräch offen kommunizieren. Der*die individuell passende Behandler*in ist der erste Schritt zum Behandlungserfolg! Viele wünsche sich heute minimal-invasive Behandlungen mit wenig oder gar keiner Ausfallzeit. Sogenannte biostimulierende Injektionen, um die körpereigene Kollagenproduktion anzuregen und/oder zu erhalten, sind  zuletzt sehr beliebt. Die Kollagenproduktion nimmt ab dem 30. Lebensjahr ab. Zusammen mit Veränderungen in anderen Gesichts-Kompartimenten – wie Fettgewebe und Knochensubstanz – führt dies zu alternden Gesichtszügen. Darüber hinaus verwende ich gerne „energiebasierte Geräte“ wie Laser.

Keira Knightley (39) ist das perfekte Role Model des Skinimalism-Trend: strahlend schön, aber von unnatürlichen Fillern und übermäßigem Botox-Gebrauch keine Spur.

Kann ein  Laser die Zeichen der Zeit aufhalten?

Dr. A.G.: Viele Menschen klagen zum Beispiel darüber, dass ihre Haut „alt“ aussieht. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Pigmentverschiebungen und Rötungen zu diesem ungleichmäßigen und „gealterten“ Hautbild beigetragen haben. Durch eine gezielte Behandlung mit Lasern kann das Hautbild optimiert werden. Wird zusätzlich die Kollagenproduktion durch Biostimulatoren angeregt, können nachhaltige Ergebnisse erzielt werden.

Was bedeutet in diesem Zusammenhang nachhaltig?

Dr. A.G.: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Umbauprozesse natürlich Zeit brauchen und die Ergebnisse erst nach einigen Monaten sichtbar werden. Für viele ist dies jedoch eine nachhaltigere Investition als andere Behandlungen, die nach einigen Monaten wieder resorbiert werden.

Es gehen immer mehr sehr junge Menschen zum Beauty-Doc. Welche Behandlungen machen zwischen 20 und 30 Jahren Sinn?

Dr. A.G.: Die Wahl der Behandlung hängt immer von den individuellen Bedürfnissen ab und bedarf einer individuellen Beratung. Nur weil die beste Freundin die Behandlung XY gemacht hat, heißt das noch lange nicht, dass diese Behandlung auch für mich die richtige ist. Das ästhetische Portfolio ist sehr breit! Für junge Menschen (ab 20 bis 30 Jahre) stehen vorbeugende Maßnahmen wie die Anwendung von Sonnencreme, leichtechemische Peelings und feuchtigkeitsspendende Behandlungen (z.B. „Skinbooster“) im Vordergrund.

Und ab 30 Jahren?

Dr. A.G.: Ab Anfang/Mitte 30 werden häufig Botulinumtoxin-Behandlungen und erste Injektionen von Biostimulatoren eingesetzt. Ab dem 40. Lebensjahr machen dann kombinierte Ansätze wie Laserbehandlungen, Biostimulatoren, aber auch Hyaluronsäure zur gezielten Volumenanpassung Sinn.

Sind die Effekte sofort sichtbar?

Dr. A.G.: Um subtile und natürliche Ergebnisse zu erreichen, werden oft mehrere Sitzungen benötigt. Dies muss zu Beginn immer klar kommuniziert werden, um die Erwartungen richtig auszurichten. Maximale Effekte, sofort und ohne Ausfallzeit, sind oft unrealistisch.Aber: Viele minimal-invasive Behandlungen sind nahezu schmerzfrei oder werden nur unter örtlicher Betäubung durchgeführt.

Bei Beauty-Behandlungen geht der Trend zur Optimierung und nicht zur Veränderung.

Dr. Anne Gürtler

Und was kosten diese Behandlungen?

Dr. A.G.: Die Kosten sind, je nach Behandlung, sehr unterschiedlich. Ab 300 Euro für eine Botulinumtoxinbehandlung bis zu vierstelligen Preisen für großflächige oder komplexe Laserbehandlungen. Jede ästhetische Behandlung sollte als wohlüberlegte Investition gesehen werden. Unsere Aufgabe als Behandler*in ist es, stets sehr ehrlich und individuell über Nutzen und Risiko aufzuklären.

Was kann man darüber hinaus für seine Haut tun?

Dr. Anne Gürtler: Die Haut sollte immer altersgerecht gepflegt werden: „Pro-Aging“ statt „Anti-Aging“. Alternde Haut braucht zum Beispiel mehr Rückfettung. Auch Probleme wie Pigmentverschiebungen, Rötungen, Feuchtigkeitsverlust können gezielt mit Wirkstoffkomplexen in abgestimmten Hautpflegeprodukten berücksichtigt werden. Zum Beispiel Vitamin C bei Pigmentverschiebungen, ein beruhigendes Serum auf Basis einer Hyaluronsäure bei Rötungen, Vitamin-A-Säure bei Unreinheiten… Aber bitte nur ein bis maximal zwei aktive Inhaltsstoffe benutzen! Die Basis all dieser Behandlungen sollte aber immer ein gesundheitsfördernder Lebensstil (Anmerkung: Was Dr. Anne Gürtlerprivat für ihre Haut tut und isst, lesen Sie hier)sein. Auch wenn es viele nicht hören wollen: Falsche Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum, Schlafmangel und Stress können durch keine ästhetische Behandlung ausgeglichen werden!