Smart Clothes: Was Kleidung alles kann und in Zukunft können soll

Branchenkenner prophezeien, dass Smart Clothes über kurz oder lang Wearables wie Tracker, die am Handgelenk getragen werden, ersetzen werden. (Bild: Getty Images)
Branchenkenner prophezeien, dass Smart Clothes über kurz oder lang Wearables wie Tracker, die am Handgelenk getragen werden, ersetzen werden. (Bild: Getty Images)

Die Herzfrequenz erfassen, Gesundheitsprobleme erkennen, Nachrichten vorlesen: Sogenannte i-Wear kann schon viel – und soll bald noch mehr können! Dass sie obendrein gut aussieht, zeigen einige Beispiele, die bereits auf dem Markt sind. Was gibt es bereits? Welche bekannten Mode-Labels machen Smart Clothes, und was erwartet uns in der Zukunft?

Für alle, die noch neu auf dem Gebiet sind, zunächst eine Begriffsklärung:

Was sind Smart Clothes?

Smart, also intelligent, ist Kleidung, in der Hightech steckt. Man nennt sie auch i-Wear. Im Unterschied zu Funktionskleidung geht es bei Smart Clothes nicht um die besonderen Eigenschaften der Materialien, etwa eine antibakteriell wirkende Silberbeschichtung oder atmungsaktive Membran. Sondern: Bei Smart Clothes ist Elektronik, die in dem Kleidungsstück versteckt eingenäht ist, das Charakteristische. Diese ist mittels Web-Anwendung oder externer App vom Smartphone aus abrufbar und bedienbar. Smart Clothes sind natürlich waschbar – falls vorher Akkus entfernt werden müssen, zum Beispiel bei beheizbaren Jacken, gibt es einen Hinweis vom Hersteller.

Smart Clothes können mehr als Fitness-Uhren

Smart Clothes sind eine Weiterentwicklung von abnehmbaren Wearables wie etwa Smartwatches und Fitness-Armbändern. Durch intelligente Kleidung werden die Computersysteme, die mit Hilfe von Sensoren Daten über den Körper oder die Umgebung liefern, am Körper getragen. Dies bietet zusätzliche und präzisere Möglichkeiten der Datenerfassung als beispielsweise über das Handgelenk.

Temperatur, Puls, Bewegungsintensität – Smart Clothes geben wertvolle Einblicke und sind für Sportler, Gesundheitsbewusste und die Gesundheitsbranche gleichermaßen interessant. Die Elektronik ermöglicht ein effektiveres Training, verbessert den Gesundheitsschutz und hebt den Lifestyle auf ein neues Level.

Welche Smart Clothes gibt es?

Die intelligente Elektronik ist bereits in verschiedenste Kleidungsstücke eingewebt:

Das Smart Shirt von Ambiotex. (Bild: ambiotex.com)
Das Smart Shirt von Ambiotex. (Bild: ambiotex.com)

Smart Shirts messen zum Beispiel beim Walken, Joggen, Radfahren oder im Fitnessstudio die Herzfrequenz – und selbstverständlich noch mehr. Das Ambiotex Shirt etwa ermittelt zusätzlich die individuelle anaerobe Schwelle (Belastbarkeit) sowie das persönliche Fitness- und Stress-Level. Über die zugehörige App werden auf dieser Basis individuelle Trainings- und Handlungsempfehlungen gegeben. Das Starter-Set kostet rund 250 Euro, ein zusätzliches Shirt rund 70 Euro.

Ältere Menschen profitieren ihrerseits von intelligenten Oberteilen, die den Puls messen und einen Notruf absetzen, wenn dieser zu hoch ist.

Smarte und ansprechend designte BHs bieten für Joggerinnen interessante Daten. Etwa der OMBra von OMsignal erfasst Messewerte wie Distanz, Zeit, Geschwindigkeit, Atemrhythmus und Schritte. Die Läuferinnen verschiedener Levels können auf ihrem iPhone unter anderem ihren Fortschritt und ihre Fettverbrennung verfolgen und reduzieren durch das Monitoring ihr Verletzungs- und Erschöpfungsrisiko. Das Starter-Kit kostet 169 Dollar.

Auch in Sachen Sonnenschutz hilft i-Wear. Intelligente Bikinis und Badehosen sind nämlich mit UV-Sensoren versehen. Die zugehörige App misst, nachdem man seinen Hauttyp eingegeben hat, laufend die Temperatur und informiert die Trägerin oder den Träger, wann sie Sonnenschutz erneut auftragen oder ganz aus der Sonne gehen sollten. Kostenpunkt? 400 Dollar für einen Bikini, 151 Dollar für eine Badehose.

Intelligente Beachwear wie die Neviano-Kollektion von Spinali Design aus Frankreich beugt Sonnenbrand vor. (Bilder: spinali-design.com, Collage: Yahoo Style)
Intelligente Beachwear wie die Neviano-Kollektion von Spinali Design aus Frankreich beugt Sonnenbrand vor. (Bilder: spinali-design.com, Collage: Yahoo Style)

Im Bereich Sporthosen gibt es beispielsweise smarte Yogapants. Die Bluetooth-fähigen Hosen von Nadi X haben Sensoren an den Hüften, Knien und Knöcheln. Diese signalisieren durch sanfte Vibration, falls es beim Einnehmen und Halten der Posen etwas zu korrigieren gibt und geben an, in welche Richtung die Pose angepasst werden muss. Die schlauen Leggings kosten 249 Dollar.

Mit Hightech ausgestattete Laufhosen, etwa von Lumo Run, liefern Daten über Schrittlänge, Sprungkraft und Beckenrotation. Der Sensor kann für 99 Dollar ansonsten separat gekauft und an die eigene Hose geklemmt werden.

Smarte Socken wie die Sensoria Fitness Socks geben den Läufern neben den üblichen Parametern wie Herzfrequenz, Kadenz und Geschwindigkeit auch unmittelbar Feedback über ihre Fußaufsetztechnik, um Verletzungen zu verhindern. Eine Heat-Map zeigt zusätzlich die Belastungsverteilung an. Die Kosten für die Socken betragen 55 Euro. Der Fußring für zusätzliche Daten und bessere Empfehlungen ist für 189 Euro erhältlich.

Hightech Socken von Sensoria helfen Läufern dabei, ihre Aufsetztechnik zu optimieren. (Bild: sensoriafitness.com)
Hightech Socken von Sensoria helfen Läufern dabei, ihre Aufsetztechnik zu optimieren. (Bild: sensoriafitness.com)

Die Siren Socks sind die smarte Socken-Variante für Diabetiker. Manche Diabetiker haben aufgrund von Nervenschäden taube Füße und bekommen leichter Wunden an den Füßen, die sich entzünden können. Die speziell für sie entwickelten Socken messen laufend die Temperatur an den Füßen und informieren die Träger über Temperaturanstiege, die möglicherweise auf eine Entzündung hinweisen könnten. So soll Fußverletzungen vorgebeugt werden. Die Socken werden in Amerika vom Arzt verschrieben und kosten im Abo rund 20 Dollar pro Monat.

Ein weiteres Sockenbeispiel aus dem Gesundheitsbereich sind die Owlet Smart Socks zum Monitoren von Babys im Krankenhaus. Zusätzlich zur Überwachung der Herzfrequenz identifizieren die Sensoren potenzielle Gesundheitsprobleme wie Schlafunregelmäßigkeiten, Lungenentzündungen, eine RSV-Infektion, Lungenprobleme, Bronchiolitis und Herzfehler.

Smarte Handschuhe enthalten hitzeleitende Drähte, um die Hände an besonders kalten Tagen zu wärmen. Die Chaval Response-XRT Handschuhe mit Nanotechnologie erkennen beispielsweise sogar, wenn ein Finger zu wenig Wärme hat und senden mehr Wärme gezielt dorthin. Kostenpunkt: 390 Dollar.

Natürlich gibt es auch Heated Jackets. Das Modell Mercury von Ministry of Supply aus 90 Prozent Recycling-Material ist wind- und wasserfest, sprachgesteuert und sorgt für die optimale Körpertemperatur. Das Besondere an dieser Thermal-Jacke ist, dass sie „liest“ und lernt: Sie analysiert die Körpertemperatur und Bewegungen des Trägers und zieht persönliche Präferenzen sowie die Umgebung mit ein, um die perfekte persönliche Temperatur festzulegen. Die intelligente Jacke gibt es für Männer und Frauen für 495 Dollar.

Die Frage hätte also wohl besser lauten sollen: In welchen Kleidungsstücken ist die Elektronik noch nicht eingewebt?

Smart Clothes von beliebten Modemarken

Oben genannte Firmen kennt höchstens jemand, der sich bereits mit dem Thema i-Wear befasst hat. Es gibt aber auch international bekannte Marken die „in Smart Clothing“ machen. Hier drei Beispiele:

Levi‘s hat bereits 2015 in Zusammenarbeit mit Google die Jaquard Commuter Trucker Jacket für Radfahrer entwickelt und sie 2018 upgedated. Eine kleine Auswahl von Smartphone-Funktionen kann über die Elektronik im Bündchen der Jacke durch Swipen oder Tippen bedient werden. So kann man zum Beispiel Wegbeschreibungen abrufen, sich eingehende Nachrichten vorlesen und nur dringende Anrufe eingehen lassen sowie seine Musik abspielen und stoppen. Über das raffinierte Kleidungsstück können außerdem Orte, an denen man vorbeifährt, gespeichert werden. Durch die Zusammenarbeit mit Apps wie Uber und Lyft werden Träger darüber hinaus informiert, wenn eine Mitfahrgelegenheit in der Nähe ist. Der Preis für die Jacke beträgt 350 Dollar.

Ralph Lauren brachte 2016 ein Smart Shirt auf den Markt: ein enganliegendes Polo Shirt aus Polyester, Nylon und Spandex, das mit sogenannter Biosensing Technology der kanadischen Firma OMsignal Körperdaten misst – zum Beispiel Kalorienverbrauch, Herzfrequenz, Schritte und Stress-Level. Die begleitende App ermöglicht eine Live-Analyse und gibt Workout-Vorschläge sowie Ernährungstipps.

Auch die amerikanische Modemarke Tommy Hilfiger lieferte letztes Jahr mit seiner 23-Teile umfassenden „Tommy Jeans Xplore“-Kollektion eine Lifestyle-Linie, in der die Bluetooth-gesteuerte Technik von Awear Solutions eingearbeitet ist. Die Marke fördert über die entsprechende App die Interaktion mit der Modemarke zum Beispiel durch Challenges und Icon-Sammel-Aktionen. Träger können zudem ihre Tragegewohnheiten tracken lassen und erhalten im Gegenzug dafür Belohnungen wie Produkte, Geschenkgutscheine oder Einladungen zu exklusiven Events. Das Sweatshirt kostet rund 90 Dollar.

Welche Smart Clothes soll es in Zukunft geben?

Fans von modischer Hightech-Kleidung müssen sich noch ein paar Jahre gedulden, bis Features wie folgende in Stoffe integriert sind:

Farbwechsel: In Zukunft sollen Textilien auf Knopfdruck ihre Farbe ändern können. Durch Wi-Fi-Signale wird vom Smartphone aus elektrischer Strom in eingewebten Kupferdrähten erzeugt, die dann die Pigmente in der Kleidung aufgrund eines für den Träger nicht spürbaren Temperaturwechsels zum Wechseln ihrer Farbe veranlassen. Das Farbspiel wird bei Kleidungsstücken ebenso wie bei Taschen, Vorhängen oder Möbeln möglich sein.

Beleuchtung: OLEDs, also organische Leuchtdioden, stecken bereits in Bildschirmen für Smartphones, Tablets und Fernseher. Wissenschaftler arbeiten aber daran, dass die Technik früher oder später auch unsere Alltagskleidung erleuchtet. Die dünne, flexible Schicht mit OLEDs könnte durch ein elektronisches Signal zusätzlich die Farbe wechseln.

Türöffner: Irgendwann wird es möglich sein, ganz ohne extra Schlüssel in Gebäude und Autos zu kommen. Dann nämlich, wenn Kleidungsstücke Magneten mit Datenspeichern enthalten. Diese Magneten mit Codes, wie man sie von Keycards kennt, können sowohl in Ärmeln als auch in Accessoires wie Krawatten, Gürteln und Armbändern eingenäht werden.

Navigation: Schuhe, die dem Träger über Dioden den kürzesten Weg anzeigen, sind ebenfalls Zukunftsmusik. Noch.

Fazit

Wer Hightech, Körperdatenmessungen und Lifestyle-Innovationen liebt, freut sich natürlich über schöne Kleidung, der man nicht ansieht, welche Gadgets in ihr stecken. Die größte Herausforderung wird sein, dass Smart Clothes bequem und auch vom Preis her attraktiv für Viele sind.