Sollten Frauen während ihrer Menstruation frei bekommen können?

Als „Coexist“ in Bristol das erste britische Unternehmen war, das vergangenes Jahr eine „Menstruations-Richtlinie“ für seine überwiegend weiblichen Angestellten einführte, machte es Schlagzeilen und stieß damit eine weltweite Debatte an.

„Menstruationsurlaub“ einzuführen, um das Tabuthema Menstruation anzugehen, wird nicht nur in Großbritannien diskutiert.

In Japan bekommen die weiblichen Angestellten schon seit 1947 eine Auszeit während ihrer Periode. Damit ist es das erste Land, das Frauen frei gibt, die schwere Regelschmerzen haben oder Arbeit verrichten, die während ihrer Periode ihre Gesundheit gefährden könnte.

Diese Maßnahme wurde umgesetzt, als zahlreiche Frauen nach dem Krieg arbeiten gingen und ihre Arbeitsplätze häufig inadäquate – oder nicht vorhandene – sanitäre Einrichtungen für menstruierende Frauen hatten.

Weitere Länder, die Menstruationsurlaub ermöglichen sind Taiwan, Teile von China, Indonesien und Südkorea. Und während dies in den USA nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, führte der Sportartikelhersteller Nike 2007 Menstruationsurlaub ein und nahm diesen auch in den weltweiten Verhaltenscodex des Unternehmens auf.

In anderen Ländern ist dieses Konzept dagegen noch immer unpopulär – als die Einführung 2013 in Russland diskutiert wurde, gab es große Entrüstung. Das Thema ist definitiv etwas, das die Bevölkerung spaltet und eine Kontroverse auslöst.

JA: “Es wird als bevormundend angesehen, das ist es aber nicht.”

Dr. Gedis Grudzinskas, führender Experte für Unfruchtbarkeit und Gynäkologie, ist der Auffassung, dass Frauen definitiv bezahlten Menstruationsurlaub erhalten sollten.

„Das sollte es geben. Ich weiß nicht, was die ganze Aufregung soll.“

Für Dr. Grudzinskas geht es um gegenseitigen Respekt. Er fährt fort: „Sei nett zu den Leuten, die mit dir arbeiten oder – wie man früher sagte – für dich arbeiten und sie werden auch nett zu dir sein.“

„Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen mehr Flexibilität gibt, um frei zu nehmen, wenn Sie sich unwohl fühlen – egal, aus welchem Grund –, dann versuchen Sie höchstwahrscheinlich besonders eifrig, die verloren gegangene Zeit wieder aufzuholen.“

„Arbeitnehmer, die zum Arbeiten gezwungen werden, wenn sie sich nicht wohl fühlen, sind wahrscheinlich weniger produktiv und unter Umständen auch weniger loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber.”

„Der Unterschied beim Menstruationsurlaub ist die Tatsache, dass nur Frauen menstruieren.“

„Ich glaube nicht, dass es etwas mit dem Geschlecht zu tun hat, aber ich glaube, dass die Aufregung teilweise damit zu tun hat, dass das Thema mit den Diskussionen über Geschlechteridentität vermischt wird.“

Während Männer nicht wissen, wie es ist, seine Tage zu haben, rät Dr. Grudzinskas dazu, dass sie versuchen sollten, es zu verstehen.

„Nein, das verstehen sie nicht. Wie sollten sie auch?“

„Aber man kann erwarten, dass Menschen achtsam sind. Und die Gesellschaft verändert sich – wo stehen wir heute im Vergleich zu dem, wo wir vor zehn oder zwanzig oder dreißig Jahren waren. Die Gesellschaft heute ist ziemlich anders.“

„Vor Jahren gab es Menstruationsurlaub, weil es keine angemessenen Toiletten für Frauen gab, die ihre Tage oder Probleme wegen ihrer Menstruation hatten. In der heutigen Gesellschaft sind wir achtsamer und uns ist bewusst, dass wir die entsprechenden sanitären Anlagen haben sollten.“

„Und wir sollten uns auch bewusst sein, dass es Unterschiede gibt. Das gilt auch für den Arbeitsplatz und die Arbeitseinstellung. Das klingt vielleicht herablassend, aber das ist es nicht, nicht in der heutigen Gesellschaft.“

Dr. Gedis Grudzinskas ist ein führender Experte für Unfruchtbarkeit und Gynäkologie und emeritierter Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie der St. Bartholomew’s & The Royal London Hospitals School of Medicine and Dentistry.

NEIN: “Es schafft ein Stigma und weiteren Widerstand gegen Frauen.”

Aber Amelia Costigan, Leiterin des Informationszentrums der gemeinnützigen Organisation Catalyst, die sich für Frauenrechte am Arbeitsplatz einsetzt, ist besorgt, dass bezahlter Menstruationsurlaub einen Nachteil für die weiblichen Angestellten darstellen könnte, denn er schwäche die Fähigkeit ab, gleichberechtigt am Arbeitsplatz zu konkurrieren.

„Ich glaube, bezahlter Menstruationsurlaub ist mit einem Stigma und einem Rückschlag für Frauen verbunden”, sagt sie.

„Es fühlt sich wie eine Maßnahme aus dem viktorianischen Zeitalter an, als Frauen Möglichkeiten verwehrt wurden, denn Männer stuften Frauen auf Grundlage einfacher Biologie als das schwächere Geschlecht ein.“

„Statt eine ,genderabhängige Lösung’ zu etablieren, sollten Arbeitgeber bessere und flexiblere Work-Life-Richtlinien für alle Angestellten einführen.

„Angestellte sind an einem inklusiven Arbeitsplatz engagierter und innovativer. Und solche inklusiven Arbeitsplätze haben ein grundlegendes Prinzip der Fairness. Aber bezahlter Menstruationsurlaub ist ein Zugeständnis an ein Geschlecht und das damit verbundene Gefühl der Ungerechtigkeit kann zu Missgunst und Vorurteilen führen.“

„Ein weiterer Aspekt von Inklusion ist ein Arbeitsplatz, der das Bedürfnis des Angestellten respektiert, Arbeit und Privatleben zu balancieren. Wir befürworten eine höhere Flexibilität am Arbeitsplatz als Unternehmensstrategie.“

„Wir wissen, dass Angestellte zufriedener und produktiver sind, wenn sie mehr Kontrolle darüber haben, wann und wo sie am besten arbeiten (solange die Arbeit fertiggestellt wird).“

„Arbeitgeber müssen nicht wissen, warum jemand flexible Richtlinien in Anspruch nimmt: Eine Person arbeitet vielleicht von zu Hause, jemand anderer nutzt eine verkürzte Arbeitswoche. Egal, ob der Grund der Nutzung Pflege eines Angehörigen, Klettern, Weiterbildungen oder Menstruationsbeschwerden sind – der Arbeitgeber muss das nicht wissen.“

„Selbstverständlich erlauben es Unternehmen, dass sich Frauen mit Dysmenorrhö [Regelschmerzen] krank melden. Aber das sollte keine übergreifende Richtlinie für alle Frauen werden.“

„Durch diesen mildtätigen Sexismus wird in Wirklichkeit die Möglichkeit der Frau untergraben, auf Augenhöhe am Arbeitsplatz zu konkurrieren. Wenn eine Organisation die Produktivität erhöhen und inklusiv sein möchte, dann sind Richtlinien, die die Arbeitszeiten für alle Angestellten flexibler gestalten und Krankmeldungen für alle errmöglichen, die eine benötigen, die bessere Lösung.“

Amelia Costigan ist Leiterin der gemeinnützigen Organisation Catalyst, die sich für Frauenrechte am Arbeitsplatz einsetzt.

Ellen Manning